Hamburg. Warum Hamburgs Hochschulen und Senatorin Katharina Fegebank immer noch über die „Zukunftsverträge“ streiten.
Die Fronten sind verhärtet: Auch etliche Monate nach dem Start der Verhandlungen zwischen der Wissenschaftsbehörde und den staatlichen Hamburger Hochschulen über deren künftige Grundfinanzierung liegen beide Seiten immer noch weit auseinander. Dem Vernehmen nach soll heute Abend ein weiteres Gespräch mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) stattfinden – doch ob es Fortschritte bringen wird, ist ungewiss.
Zuletzt hatte die Landeshochschulkonferenz Hamburg (LHK) öffentlich Alarm geschlagen: Man sei in „großer Sorge um den Wissenschaftsstandort Hamburg“, teilte die LHK mit, in der die Präsidenten der Universität Hamburg, der HAW Hamburg, der Technischen Universität Hamburg in Harburg, der HafenCity Universität, der Hochschule für Musik und Theater und der Hochschule für bildende Künste zusammengeschlossen sind.
Fegebank: Hochschulen genießen trotz Corona eine Sonderstellung
Katharina Fegebank zeigt sich irritiert von dem Vorstoß. Nach Angaben ihrer Behörde soll die Grundfinanzierung der Hochschulen von 2021 bis 2027 um „deutlich über drei Prozent“ pro Jahr aufgestockt werden – zuletzt lag die Steigerungsrate bei 0,88 Prozent. In den Zuwachs eingerechnet seien „ein bis zwei Prozent“ für Sanierungen und für die Digitalisierung; zweitens sollen künftig Tarif- und Inflationssteigerungen „bis zu einer Höhe von zwei Prozent“ übernommen werden; drittens soll es „Entwicklungsmittel für die individuelle Profilstärkung“ der Hochschulen“ von „durchschnittlich 0,5 Prozent“ geben – wenn dadurch die Übernahme von maximal zwei Prozent für Tarif- und Inflationssteigerungen nicht überschritten werde.
„Damit genießen die Hochschulen in der aktuellen Haushaltslage eine Sonderstellung“, erklärt Fegebank. „Während an anderer Stelle Steuereinnahmen wegfallen, Betriebe pleite gehen und Branchen einbrechen, erhalten Hamburgs Hochschulen deutlich mehr Geld.“
Uni: Kosten von 22 Millionen Euro nicht vom Grundhaushalt abgedeckt
Von der LHK heißt es, mit den sogenannten Zukunftsverträgen berücksichtige Fegebank nicht die Altlasten, deshalb reiche ein Ausgleich von Tarif- und Inflationssteigerungen bis zwei Prozent „bei weitem nicht aus“. Beispiel Uni Hamburg: Weil die Hochschule steigende Personalkosten von mehr als zwei Prozent pro Jahr schultern musste, ihr Grundhaushalt aber nur um 0,88 Prozent pro Jahr stieg, sei eine „Finanzierungslücke“ entstanden, sagt Uni-Kanzler Martin Hecht. Aktuell seien zusätzliche Kosten in Höhe von 22 Millionen Euro pro Jahr nicht mehr vom Grundhaushalt abgedeckt.
Mit dieser „Kostenschere“ habe die Uni umgehen können, weil sie ihre Rücklagen unter anderem aus dem Hochschulpakt genutzt habe – diese Mittel seien bis Ende 2020 aber aufgebraucht. Wenn der Grundhaushalt der Hochschule nicht erheblich aufgestockt werde, sondern „nur“ die künftigen Tarifsteigerungen bis zu zwei Prozent von der Stadt übernommen werden, könne die Universität womöglich ihren Status Quo nicht erhalten und käme unter anderem nicht darum herum, Studienplätze abzubauen, sagt Hecht.
Auch HAW Hamburg will Reserven fast aufgebraucht haben
Auch die HAW Hamburg als zweitgrößte Hochschule der Hansestadt ist nach Angaben ihres Präsidenten Prof. Micha Teuscher von einer „Kostenschere“ betroffen. Vor allem wegen erhöhten Ausgaben für Personal infolge von Tarifsteigerungen seien zusätzliche Kosten in Höhe von 6,2 Millionen Euro pro Jahr nicht mehr vom Grundhaushalt der HAW abgedeckt. Für nicht dauerhaft tragbar hält Teuscher zudem den Umstand, dass die HAW aus Mangel an eigenem Platz unweit ihres Hauptstandorts am Berliner Tor auf eigene Kosten rund 16.000 Quadratmeter Fläche anmieten müsse – für rund 2,8 Millionen Euro pro Jahr.
Auch Teuscher erklärt, seine Hochschule habe ihre Reserven nun großenteils aufgebraucht. „Wenn der Grundhaushalt der HAW nicht deutlich erhöht wird, werden wir in eine Finanzkrise gehen“, sagt er. „Wir müssen wenigsten unseren Status Quo halten können.“ Der geplante Ausbau von Studienplätzen sei mit dem vorliegenden Angebot der Behörde für die Grundfinanzierung von 2021 bis 2027 nicht möglich.
„Dann sind wir vergleichbar mit Entwicklungen in Bremen und Kiel“
Bleibe die Behörde bei ihrer Haltung, schmälere das die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes. „Dann sind wir vergleichbar mit Entwicklungen in Bremen und Kiel. Dann kann Hamburg nicht mehr anstreben, zu Top-Standorten wie Berlin und München aufzuschließen“, sagt Teuscher. „Da muss man sich ehrlich machen.“
Ähnlich äußert sich der Präsident der Technischen Universität Hamburg in Harburg (TUHH), Prof. Andreas Timm-Giel. Die TUHH habe sich in Forschung und Lehre sehr gut entwickelt in den vergangenen Jahren. „Aber wir machen uns große Sorgen, ob wir das so weiterführen können“, sagt er. Der Grund: Die Haushaltssteigerung von 0,88 Prozent pro Jahr habe deutlich unter der Lohnsteigerung von jährlich bis zu drei Prozent für das Personal der Hochschule gelegen. Bei dem gewünschten Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit habe die TUHH die Differenz bis jetzt nur ausgleichen können, indem sie ihre finanziellen Reserven aufgebraucht habe, sagt Timm-Giel.
TU Hamburg: Ausbau von Studienplätzen in Gefahr
Aktuell seien die vor allem durch die Kostenschere zusätzlich entstandenen Kosten in Höhe von etwa zehn Millionen Euro pro Jahr nicht mehr vom Grundhaushalt abgedeckt. Das Angebot der BWFG an die Hochschulen, künftige Tarifsteigerungen in Höhe von bis zu zwei Prozent zu übernehmen, wäre für die TUHH ohne weiteres erfreulich, „wenn wir nicht ein Vergangenheitsproblem hätten“ sagt Timm-Giel. Wenn nicht zusätzlich auch das „strukturelle Defizit“ im Haushalt der TUHH ausgeglichen werde, müsse die Hochschule deutlich sparen. Zusätzliche Studienplätze etwa wären dann nicht mehr möglich.
Allerdings bekommt die Hochschule seit 2018 schon zusätzliche Mittel von 3,8 Millionen Euro pro Jahr bis 2022 – das ist doch ein Aufwuchs oder etwa nicht? „Dieses Geld ist zweckgebunden für zusätzliche Projekte, Personal und Professuren im Rahmen des Wachstumsprogramms. Wir können uns damit in Zukunftsfeldern weiter profilieren – es hilft aber nicht, unseren Grundbetrieb in Forschung und Lehre zu finanzieren“, sagt Timm-Giel.
Fegebank: Finanzielle Spielraum „perspektivisch deutlich kleiner“
„Wir wissen, dass wegen Corona ein großer Druck auf dem Haushalt der Stadt liegt“, sagt der Hochschulpräsident. „Trotzdem müssen wir uns doch fragen, wie es weitergeht, wenn wir aus der Krise raus sind.“ Das vom rot-grünen Senat angestrebte ambitionierte Ziel, dass die TUHH zur Gruppe der führenden neun technischen Universitäten (TU9) aufschließen soll, sei mit dem vorliegenden Angebot für die künftige Grundfinanzierung nicht erreichbar.
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Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank erklärte, sie teile die Befürchtungen der Landeshochschulkonferenz nicht. „Für mich waren und sind diese Hochschulvereinbarungen der zentrale Baustein für starke Hochschulen und die nachhaltig gute Entwicklung des Wissenschaftsstandorts“, sagte Fegebank. „Wir haben die Hochschulen in der Vergangenheit bei ihren individuellen Problemen geholfen und werden das in Zukunft auch tun“, so die Senatorin. „Allerdings ist der finanzielle Spielraum mit Blick auf den städtischen Gesamthaushalt perspektivisch deutlich kleiner.“
Sie plädiere dafür, dass die Hochschulvereinbarungen „zügig zum Abschluss kommen“ sollten. „Das im Raum stehende Szenario, andernfalls die Zahl der Studienplätze zu verringern, ist keine Option.“