Hamburg. Ein Wiederaufbau mache „das Resultat verbrecherischer Handlungen unsichtbar“, wenden Kritiker ein.

Es verspricht eines der interessantesten und wichtigsten Bauprojekte der kommenden Jahre zu werden: der Wiederaufbau der großen Bornplatzsynagoge im Grindelviertel, für den der Bundestag bereits 65 Millionen Euro bereitgestellt hat und an dem sich Hamburg in gleicher Höhe beteiligen wird. Zuletzt hatte eine Gruppe von Historikern, Kulturwissenschaftlern und Architekten in einem Thesenpapier Kritik an einem originalgetreuen Wiederaufbau der Synagoge geäußert und „einen breiten offenen Diskurs“ über die Planungen gefordert. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg widerspricht der Kritik am Wiederaufbau der 1906 eingeweihten Bornplatzsynagoge, die von den Nationalsozialisten 1938/39 geschändet und abgerissen worden war. „Die große Mehrheit der heutigen Hamburger, jüdisch oder nichtjüdisch, sagt:

Die Bornplatzsynagoge wurde der Jüdischen Gemeinde von den Nazis genommen, ermöglichen wir den Wiederaufbau“, sagt Philipp Stricharz, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Es dürfe gerade nicht heißen: „Wo die Nazis keine Synagoge sehen wollten, soll der Platz auch leer bleiben.“ Die Bürgerschaft hatte den Wiederaufbau des Gotteshauses im Februar einstimmig beschlossen.

Der im Herbst gegründeten Initiative „Nein zu Antisemitismus – Ja zur Bornplatzsynagoge“ haben sich zahlreiche Politiker wie Außenminister Heiko Maas, Bundesfinanzminister und Ex-Bürgermeister Olaf Scholz, Bürgermeister Peter Tschentscher (alle SPD), Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries angeschlossen. Auch der Sänger Campino (Die Toten Hosen), Haspa-Vorstandsprecher Harald Vogelsang und Erzbischof Stefan Heße setzen sich für den Wiederaufbau der Synagoge ein. Nach Angaben des Initiators Daniel Sheffer unterstützen mittlerweile rund 200.000 Menschen die Kampagne.

Jüdisches Leben soll in den Grindel zurückkehren

Der Jüdischen Gemeinde geht es um die Rückkehr jüdischen Lebens in den Grindel. Stricharz sieht die Joseph-Carlebach-Schule und den Kindergarten im Gebäude der ehemaligen Talmud-Tora-Realschule und die künftige Bornplatzsynagoge als eine Einheit. „Wo noch 2006 nur Schilder an die frühere jüdische Schule erinnerten, lernen, toben und spielen heute jüdische Kinder. Die ersten haben vor wenigen Monaten dort ihr Abitur gemacht – das erste Abitur nach der Shoah. Und wir werden auch die Bornplatzsynagoge nebenan wiederaufbauen, und zwar so, dass sich alle unsere Mitglieder am Bornplatz zu Hause fühlen“, sagt Stricharz.

Der originalgetreue Wiederaufbau, so die Kritiker, zu denen die Historikerin Prof. Miriam Rürup, der Bauhistoriker Prof. Gert Kähler sowie die frühere Eimsbütteler Bezirksamtsleiterin und Ex-Senatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) gehören, scheine „aus vielen Gründen nicht der richtige Weg zu sein“. Ein Argument des Thesenpapiers: „An der historisierenden Rekonstruktion der Bornplatzsynagoge ist auf besondere Weise problematisch, dass dadurch das Resultat verbrecherischer Handlungen unsichtbar gemacht und die Erinnerung an diese Verbrechen erschwert wird.“

Machbarkeitsstudie unmittelbar vor der Ausschreibung

Eine Rekonstruktion könne die Illusion erzeugen, „es sei nie etwas geschehen“. Stricharz überzeugt das Argument nicht. „Im Rahmen des Wiederaufbaus werden wir selbstverständlich auch aufzeigen, dass es einen Bruch gab und die Bornplatzsynagoge nicht immer da war. Da muss man sich bei uns, der Jüdischen Gemeinde, keine Sorgen machen“, sagt deren Vorsitzender. „Zu keinem Zeitpunkt haben wir oder die Initiative Wiederaufbau Bornplatzsynagoge das Ziel kommuniziert, eine Kopie zu wünschen“, sagt Philipp Stricharz.

Es gehe darum, dass die Jüdische Gemeinde mit all ihren Facetten an den Bornplatz, der heute Joseph-Carlebach-Platz heißt, zurückkehren soll. „Wie die dafür erforderlichen Nutzungen auf die Synagoge und die weiteren Gebäude verteilt werden, soll die Machbarkeitsstudie kompetent und transparent aufzeigen“, sagt Stricharz. Die vom Bund finanzierte Machbarkeitsstudie stehe unmittelbar vor der Ausschreibung.

Geschichte angemessen berücksichtigen

Es gehe nicht mehr um das „Ob“, sondern im nächsten Schritt zur Verwirklichung des Zentrums jüdischen Lebens um die Ausgestaltung. „Die Geschichte am Bornplatz angemessen zu berücksichtigen sowie die Erlebbarkeit jüdischen Lebens zum Beispiel durch Café und Veranstaltungsflächen zu verwirklichen, werden sehr wesentliche Akzente sein und Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Architektur bedeuten“, sagt Stricharz.

Wo früher die Bornplatzsynagoge stand, erinnert heute ein Bodenmosaik der Künstlerin Margrit Kahls an den Sakralbau, indem es dessen Grundriss zeigt. Nümann-Seidewinkel, die als Eimsbütteler Bezirksamtsleiterin die Gedenkstätte 1988 eingeweiht hatte, betont, dass das Mosaik nicht einfach verlegt werden könne und zentrales Element des Erinnerungsortes sei.

Was geschieht mit dem Bodenmosaik?

„Das Bodenmosaik wird leider, außer von einer kleinen Fachöffentlichkeit, kaum beachtet. Für die breite Öffentlichkeit handelt es sich schlicht um eine Baulücke“, sagt Stricharz, der sich von der Machbarkeitsstudie auch eine Antwort auf die Frage verspricht, wie mit dem Bodenmosaik im Einklang mit den Bedürfnissen umgegangen werden könne. Zugleich machte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde deutlich, dass der Ort für den Neubau der Synagoge wichtig sei: „Am Bornplatz. Nicht irgendwo.“ Das Bodenmosaik sei insofern interessant, als es zeige, wie lange die Stadt gebraucht habe, um „immerhin auf eine zaghafte und versteckte Weise auf die Zerstörung der Bornplatzsynagoge hinzuweisen“.

Lesen Sie auch:

Nach Vorlage der Machbarkeitsstudie ließen sich Gespräche kompetent und sachlich führen. „Wir werden intensiv mit denjenigen, die unsere Gemeinde beim Wiederaufbau unterstützen, über das Wie des Aufbaus ins Gespräch gehen“, sagt Stricharz. Dazu gehörten vor allem der Bezirk Eimsbüttel, die Nachbarn am ehemaligen Bornplatz sowie die vielen Unterstützer der Initiative Wiederaufbau und Politiker auf Landes- und Bundesebene. Am kommenden Montag wird die Zweite Bürgermeisterin Fegebank zusammen mit Daniel Sheffer eine Plakataktion zur Unterstützung der Initiative „Nein zu Antisemitismus – Ja zur Bornplatzsynagoge“ auf dem Rathausmarkt starten.