Hamburg. Die Finanzierung des Bundesanteils für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel ist gesichert.

Das ist der Durchbruch für eines der spektakulärsten Neubauprojekte in Hamburg: In der Nacht zum heutigen Freitag hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die Finanzierung des Bundesanteils für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel gesichert. Noch legt sich niemand auf eine Summe fest, aber in Berlin wird intern mit Bundesmitteln in Höhe von 63 Millionen Euro kalkuliert. Das würde auf Baukosten von knapp 130 Millionen Euro hinauslaufen, weil Hamburg die Hälfte tragen muss.

Die einst größte und frei stehende Synagoge im norddeutschen Raum, eingeweiht 1906, wurde während der Novemberpogrome 1938 von den Nazis geschändet und in Brand gesetzt. Ein Jahr später wurde die Jüdische Gemeinde gezwungen, das Grundstück zu einem geringen Preis zu verkaufen und die Kosten für den Abriss der Synagoge selbst zu tragen. Heute erinnert ein Mosaik, das den Grundriss in Originalgröße darstellt, an das Gotteshaus auf dem Joseph-Carlebach-Platz, wie der Bornplatz inzwischen heißt.

Bornplatzsynagoge: Wiederaufbau-Wunsch bestand länger

In den zurückliegenden Jahren äußerte die Jüdische Gemeinde mehrfach den Wunsch nach einem Wiederaufbau der Synagoge an historischer Stelle. Der Schock nach dem antisemitischen Anschlag von Halle im Herbst des vergangenen Jahres, bei dem zwei Menschen ihr Leben verloren, saß tief, und als Reaktion reifte die Idee, jüdisches Leben auch in Hamburg wieder sichtbarer zu machen. Am 12. Februar dieses Jahres beschloss die Bürgerschaft einstimmig die Rekonstruktion der Bornplatzsynagoge.

Eine Machbarkeitsstudie soll eine Reihe von Fragen lösen, die sich mit dem Wiederaufbau stellen. Unter anderem geht es um die räumliche Situation des Joseph-Carlebach-Platzes. Ein Problem stellt der denkmalgeschützte Luftschutzbunker dar, den die Nazis direkt an das Areal angrenzend errichteten. Das Geld für die Studie steht bereit. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte vor einem Jahr auf Initiative der Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD), der sein Mandat im Frühjahr niederlegte, und Rüdiger Kruse (CDU) 600.000 Euro bewilligt.

Bornplatzsynagoge: Heikle Problematik kommt auf

Allerdings stellte sich das Antragsverfahren als sehr kompliziert und aufwendig heraus. Statt bereits im Laufe dieses Jahres, wie zunächst geplant, hofft die Jüdische Gemeinde nun, dass die europaweite Ausschreibung der Studie nach der Bewilligung des Antrags durch das Bundesverwaltungsamt im kommenden Jahr erfolgen kann. Ein Ergebnis des Gutachtens dürfte erst Ende 2021 vorliegen.

Die Verzögerungen in diesem Punkt haben zu einer heiklen Problematik an anderer Stelle geführt: Aus haushalterischer Sicht fehlt eine Entscheidungsgrundlage für die Finanzierung des Wiederaufbaus. Andererseits ist klar, dass angesichts der finanziellen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie prinzipiell nicht mehr so viel Geld im Staatshaushalt vorhanden ist und erst recht nicht absehbar vorhanden sein wird. Anders ausgedrückt: Schnelles Handeln ist angeraten.

So sah die Synagoge am Bornplatz im Jahr 1906 aus.
So sah die Synagoge am Bornplatz im Jahr 1906 aus. © HA | Unbekannt

Bornplatzsynagoge: Grünes Licht aus Berlin

Nach Informationen des Abendblatts haben findige Haushälter und das parteiübergreifende Netzwerk Hamburger Politiker in Berlin die jetzige Lösung gefunden und möglich gemacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus, in dem auch Bundesfinanzminister und Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sitzt.

Der Ausschuss der Bundesregierung hatte am Mittwoch einen Maßnahmenkatalog mit 89 Einzelpunkten beschlossen. Für die Bereinigungssitzung zum Haushalt 2021 hat die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgeschlagen, zusätzlich zu der bereits bewilligten einen Milliarde Euro für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus für die Jahre bis 2024 noch einmal 150 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

In der Sitzung in der Nacht zum Freitag hat der Haushaltsausschuss das Geld bewilligt und im letzten Moment den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge als ein weiteres Projekt in den Maßnahmenkatalog aufgenommen.

Bornplatzsynagoge: Reaktionen aus der Politik

Der Bundestagsabgeordnete und Staatsminister Niels Annen (SPD), in dessen Eimsbütteler Wahlkreis der Joseph-Carlebach-Platz liegt, hatte zahlreiche Gespräche unter anderem auf Staatssekretärsebene geführt. Die Hamburger Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU), dessen Wahlkreis ebenfalls Eimsbüttel ist, und Metin Hakverdi (SPD) unterstützten das Vorhaben als Mitglieder des Haushaltsausschusses.

„Heute ist ein guter Tag für Hamburg. es ist uns gelungen, den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Haushalt zu verankern“, sagte Annen nach der Entscheidung. „Damit setzen wir ein unmissverständliches Zeichen gegen Antisemitismus. Hamburger Rabbiner haben eine weit über die Stadt hinaus bedeutende Tradition begründet. Auch deshalb liegt mir als Eimsbütteler Abgeordneten die Pflege des jüdischen Lebens am historischen Standort am Grindel besonders am Herzen“, sagte der SPD-Politiker.

Niels Annen, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Eimsbüttel.
Niels Annen, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Eimsbüttel. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

„Schon im letzten Jahr konnte ich Mittel für eine Machbarkeitsstudie bewirken. Jetzt ist der ganz große Schritt möglich geworden“, sagte Rüdiger Kruse. „Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr nun auch ausreichend Mittel für den Bundesanteil am Wiederaufbau im Bundeshaushalt durchsetzen konnten“, sagte Kruse. „Die Zeit ist reif, dieses herausragende Projekt in Angriff zu nehmen und mit dem Wiederaufbau ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben zu setzen.“

Lesen Sie auch:

Mit der Unterschriften-Kampagne „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge“ (unter www.bornplatzsynagoge.org) sollen bis Ende Januar nächsten Jahres 100.000 Unterstützer des Projekts gewonnen werden. Nach Angaben des Initiators Daniel Sheffer gibt es bislang rund 15.000 Unterstützer. Der Bundestagsabgeordnete Hakverdi ist einer der Mitinitiatoren der Kampagne. „Ich freue mich deshalb besonders, dass wir es mit dem Haushaltsbeschluss möglich machen, dass jüdisches Leben in Hamburg wieder öffentlich und alltäglich erfahrbar ist“, sagte Hakverdi.