Hamburg. Homeschooling-Plattform ist teilweise überlastet. Was Schüler und Lehrer in mehreren Stadtteilen erlebten.

So richtig weiß Emmie (12) an diesem Morgen nicht, was von ihr verlangt wird. „Sind jetzt eigentlich Ferien, oder haben wir noch Schule?“, fragt sie ihre Mutter beim Frühstück. Emmie geht in die 7. Klasse an einem Eimsbütteler Gymnasium und hatte sich schon seit den Herbstferien eine Schulschließung oder Hybridunterricht in kleinen Gruppen gewünscht – aus Angst vor einer Corona-Infektion.

Emmies Gymnasium hatte den Eltern in einer E-Mail mitgeteilt, dass die Schule in den Fernunterricht wechselt und es eine Notbetreuung in der Schule gibt. Diese Nachricht haben alle Eltern der fast 200.000 Hamburger Schülerinnen und Schüler bekommen. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, hat die Schulbehörde die Anwesenheitspflicht an den Schultagen vor und nach den regulären Weihnachtsferien (19. Dezember bis 4. Januar) aufgehoben. Die Folge: Nur ein sehr geringer Teil der Schülerinnen und Schüler nimmt vom 16. Dezember bis zum 8. Januar an den Präsenzangeboten der Schulen teil. Laut Schulbehörde sind es rund 16 Prozent der Grundschüler, etwa fünf Prozent der Stadtteilschüler und zwei Prozent der Gymnasiasten.

Große Herausforderung für die Schulen

Am Dienstag, dem letzten Tag vor dem Lockdown, wurden 51 Corona-Neuinfektionen an 41 Hamburger Schulen registriert. Davon waren 38 Schülerinnen und Schüler sowie 13 Schulbeschäftigte betroffen, wie die Schulbehörde am Mittwoch mitteilte. Im Wochenvergleich sei die Zahl der Neuinfektionen damit um 17 Prozent gestiegen. Insgesamt haben 202 Schulen 464 Infektionen gemeldet. Für die Schülerinnen und Schüler verlief der erste Schultag im Lockdown ganz unterschiedlich – von „Chaos“ bis zu „guter Organisation“ ist alles zu hören. Emmie etwa hatte keine Informationen bekommen, was sie machen soll. Auch bei iServ, einem von vielen Schulen genutzten Homeschooling-System, waren keine Aufgaben für sie hinterlegt.

Den Schülern von Michael Thiel dagegen war klar: Sie haben Unterricht. Der Lehrer der Stadtteilschule Alter Teichweg gab an diesem Morgen aus seinem Klassenraum Zehntklässlern Fern- und gleichzeitig Präsenzunterricht. Nur wenige Schüler waren in der Klasse, die meisten zu Hause. „Im Grunde geben alle Lehrer Fernunterricht über die Computer. Die Schüler, die in der Schule sind, sitzen genauso vor ihren Laptops wie die Schüler zu Hause“, sagt Schulleiter Björn Lengwenus. Die Kollegen stellen ihre Aufgaben auf den Schulserver, so kann jeder Schüler darauf zurückgreifen. Diese Konzept sei für die Schule eine große Herausforderung, so Lengwenus. 270 iPads und 130 Laptops habe die Schule an Schüler herausgegeben, damit sie im Lockdown dem Unterricht folgen können. Von den 1600 Schülern haben sich 140 Schüler für das Lernen vor Ort an der Schule angemeldet.

Immer wieder technische Probleme

Auch am Gymnasiums Altona wird Präsenzunterricht mit Übertragung aus dem Klassenraum kombiniert. Während die unteren Jahrgänge vermehrt Präsenzunterricht haben, sind in den Klassen 9 bis 12 nur ganz wenige Schüler anwesend: Sie sitzen mit mobilen Endgeräten im Computerraum der Schule. Anders als Lehrer Thiel unterrichten die meisten Lehrer dieser Stufen von zu Hause über ihre Computer. Um im Hinblick auf den Mindestabstand zu verhindern, dass die „Klassenräume überlaufen“, hatte der Elternrat des Gymnasiums für Distanzunterricht plädiert.

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Während der Fernunterricht am Gymnasium Altona nach Angaben einer Schülerin gut klappte und die Verbindung stabil war, hatten andere Schüler bei der Nutzung von iServ immer wieder mit technischen Problemen zu kämpfen – und machten ihrem Ärger bei Twitter und Facebook Luft. In der Bürgerschaft berichteten der CDU-Fraktionschef Dennis Thering und die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels von zahlreichen Systemausfällen. Laut Christian Gefert, Vorsitzender der Vereinigung Hamburger Schulleiter an Gymnasien, funktionierte von 10 bis 10.30 Uhr der iServ-Videodienst nicht.

Server überlastet

Offenbar waren das System oder einzelne Server durch die ungewohnt hohe Zugriffszahl überlastet. Behördensprecher Peter Al­brecht verweist darauf, dass iServ kein zentrales System sei – Probleme beträfen also immer Server der jeweiligen Schule. Acht Schulen hätten noch immer veraltete Serverhardware im Einsatz, die durch die große Zugriffslast „bis zur Unbenutzbarkeit verlangsamt“ würden.

Doch nicht immer ließ sich Chaos damit begründen. So bezeichnete die Mutter eines Eimsbütteler Grundschülers den ersten Tag Digitalunterricht zu Hause als „chaotisch und nicht wirklich gut vorbereitet vonseiten der Lehrer“. Nach einem einstündigen Auftaktmeeting per Zoom habe man die Kinder gebeten, weiter in ihren Heften zu arbeiten. „Höhepunkt“ sei eine Musikstunde mit allen drei Klassen gewesen, in der Flöte und Klavier gespielt wurden.

Eltern hatten sich vom Homeschooling mehr erhofft

Auch die Mutter eines Erstklässlers in Altona beklagte „traurige Zustände“. „Homeschooling“ bedeute „in erster Linie Hausaufgaben für drei Tage – und das war’s“. „Da hatten wir nach den vielen Monaten der Planung anderes erhofft.“ Ganz anders äußerte sich die Mutter einer Erstklässlerin der Westerschule in Finkenwerder über den ersten Tag im Homeschooling: „Der Klassenlehrer hatte uns schon vor Wochen auf diesen Moment vorbereitet und auf einem Zettel die Kanäle aufgezählt und vorgestellt, über die er den Stoff vermitteln und in Kontakt bleiben möchte: zum Beispiel die Anton-Lern-App.“ Ihre Tochter habe am Vortag sämtliche Arbeitsmaterialien und einen Zettel mit den Aufgaben für die ganze Woche erhalten. „Alles sehr übersichtlich.“

Coronavirus – die Fotos zur Krise

In einer 2. Klasse der Grundschule Trenknerweg in Othmarschen waren an diesem Vormittag sieben Kinder von 25 anwesend, der Rest erhielt mit einem Video aus der Klasse einen Morgengruß sowie verschiedene Aufgaben, die bis zum Mittag hochzuladen waren. Ein Vater lobte die „gute, klare Kommunikation“. In der 7. und 8 Klasse des Gymnasiums Othmarschen waren kaum noch Schülerinnen und Schüler vor Ort. Die anderen wurden nach einer virtuellen Zusammenkunft um 9.45 Uhr per iServ mit Aufgaben versorgt.

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Grundschüler, die am Präsenzunterricht teilnahmen, mussten am Mittwoch erstmals Maske tragen. Henry, Zweitklässler aus Groß Borstel, fand das „nervig“ – und „eklig“, weil die Maske vom Atmen feucht geworden war.Emmie guckt um 12 Uhr ein letztes Mal auf iServ nach, ob dort mittlerweile Aufgaben für sie hinterlegt wurden. Wieder nichts. Die Siebtklässlerin entschließt sich, den Tag als Ferientag zu verbuchen.

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