Hamburg. Pandemie reißt Milliardenlöcher in die Haushalte – bald kommt die Rechnung, etwa als Vermögensabgabe oder über Steuererhöhungen.

Wer soll das bezahlen?

Wer hat das bestellt?

Wer hat so viel Pinkepinke?

Wer hat so viel Geld?

Der Gassenhauer von Jupp Schmitz und Kurt Feltz aus dem Jahre 1949 ist im Kölner Karneval bis heute ein Hit. Das Schunkeln muss corona-bedingt zwar ausfallen, aber die Kölschen Künstler dürften mit ihrer Frage den Soundtrack des Jahres 2021 geliefert haben. Auch wenn die weiterhin hohen Infektionszahlen und die dramatische Zahl der Todesfälle die Debatte bestimmen, werden bald auch andere Fragen diskutiert werden – nämlich die nach den Kosten der Corona-Rettungspolitik und die, wer diese Kosten am Ende zu tragen hat. Der Auftritt des Union-Fraktionschefs Ralph Brinkhaus im Bundestag und seine Forderung, die Länder stärker zu beteiligen, dürfte da nur ein Wetterleuchten gewesen sein.

Klar ist: Die Kosten sind dramatisch, die Hilfsprogramme sind es auch. Immer mehr Experten warnen davor, jetzt zu überziehen. „Es ist nicht zu übersehen, dass der Haushalt in eine immer größere Schieflage geraten ist“, heißt es in einer druckfrischen Analyse der Deutschen Bank. Zwar kritisiert niemand die rasche und mutige Rettungspolitik der ersten Monate, aber immer mehr Ökonomen warnen nun davor, über das Ziel hinauszuschießen. In der Politik hat sich eine Art Schlussverkaufsmentalität breitgemacht – fast jeder Wunsch wird durchgewinkt.

Eine Milliarde Euro ist das neue Programm gegen Rechtsextremismus und Rassismus schwer, weitere drei Milliarden Euro gab es gerade beim Auto-Gipfel obendrauf, und zudem kommt noch ein Zehn-Milliarden-Euro-Zukunftsfonds für Beteiligungen an Start-ups obendrauf. „Mit der Begründung Corona konnte man all die Dinge realisieren, für die bisher kein Geld da war“, kritisierte der frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn nun in der „Neuen Zürcher Zeitung“. „Es ist eine Whatever-it-takes-Mentalität entstanden, bei der überhaupt keine Schranken mehr zu bestehen schienen.“ Diese Ausgabenflut habe die Staatsquote in Deutschland auf deutlich über 50 Prozent gehoben.

Auch ein Lockdown light wird am Ende ziemlich teuer

Hinzu kommt eine Corona-Eindämmungspolitik, die auf volkswirtschaftliche Folgen nur wenig Rücksichten nimmt. Quasi zum Nachtisch der Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten wurde eine Verlängerung des Lockdowns um weitere drei Wochen durchgewinkt. Dabei ist der Lockdown, der verniedlichend das Wörtchen „light“ angehängt bekommen hat, eine teure Operation. Jede Woche kostet nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums bis zu 4,5 Milliarden Euro.

Zu den 15 Mrd. Euro schweren „außerordentlichen“ November-Hilfen – mit denen der Bund den betroffenen Selbstständigen und Betrieben bis zu 75 Prozent der Umsatzausfälle erstatten will, kommen nun weitere 20 Mrd. Euro im umsatzstarken Dezember hinzu. Und im Januar laufen weitere mindestens vier Milliarden Euro auf. Rechnet man den Lockdown light gleich bis Ende Februar oder gar März weiter, würde die Staatskasse um weitere 30 bis 45 Mrd. Euro belastet. Und viele Politiker plädieren längst für härtere Maßnahmen bis hin zum zweiten Einfrieren des Landes.

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Noch hält ein gesamtes Füllhorn von Maßnahmen Wirtschaft und Bürger bei Laune. Etwa 20 Milliarden Euro kostet allein die Senkung der Mehrwertsteuer, die am Ende ausgerechnet Online-Händlern wie Amazon nützen dürfte. Liquiditätshilfen, Sonderprogramme, eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes: Manche glauben, Finanzminister Olaf Scholz habe die Schuldenbremse in ein Gaspedal verwandelt – angesichts der Milliardenausgaben kein ganz falsches Bild.

Hamburger Finanzsenator hat die Spendierhosen an

Was für den früheren Bürgermeister gilt, gilt auch für Andreas Dressel. Der Hamburger Finanzsenator hat seit Monaten die Spendierhosen an: Erst am Donnerstag freute er sich, dass seine Initiative in der Finanzministerkonferenz erfolgreich war: Die zum Jahresende auslaufende Steuer- und Sozialabgabenfreiheit von Corona-Prämien für Arbeitnehmer wird verlängert. Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Bazooka, Wumms & Consorten – nie war es so einfach, Milliarden lockerzumachen.

Klar ist – der Haushalt ist auf Schulden gebaut: Die mögliche Neuverschuldung des Bundes ist 2020 auf eine Rekordsumme von 217,8 Mrd. Euro gewachsen. Auch für das kommende Jahr wird das Minus immer größer. Schlappe zwei Monate, nachdem die Bundesregierung den Entwurf für 2021 eingebracht hat, hat sich die geplante Neuverschuldung schon von 96,2 Mrd. Euro oder 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf gut 180 Mrd. Euro (5,1 Prozent) fast verdoppelt. Angesichts der akuten Entwicklung der Corona-Lage hat sich das fiskalische Umfeld noch verschlechtert. Darauf, dass die Schuldenbremse 2022 wieder eingehalten werden kann, sollte man besser nicht wetten.

Es muss Sorgen machen, dass die Ausgaben nicht mehr, wie in guten Zeiten, bei zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sondern 2021 schon bei mehr als 14 Prozent notieren. Der „XXL-Haushalt“ wächst von 340 auf fast 500 Milliarden Euro 2021.

Bekommen wir eine Zombiewirtschaft?

Da stellt sich die Frage, ob die außerordentlichen Wirtschaftshilfen nicht zu großzügig sind und Betriebe am Ende beispielsweise sogar mehr Hilfen erhalten, als es erforderlich wäre. Das Institut der Deutschen Wirtschaft fürchtet, dass die November- und Dezember-Hilfen um bis zu zehn Mrd. Euro zu hoch ausfallen. So könnten Unternehmen der Veranstaltungsbranche und Restaurants am Ende sogar besser dastehen als vorher. Zu wenig wird auch bedacht, wen der Staat da gerade rettet – sind es ökonomische Auslaufmodelle oder Unternehmen mit Zukunftspotenzial? Werden nun die gerettet, die aufgrund fehlenden Eigenkapitals als Erste in die Knie gehen, und ist am Ende noch Geld da, wenn es auch kerngesunde Firmen ins Mark trifft?

Bekommen wir eine Zombiewirtschaft, in denen untote Unternehmen am Leben gehalten werden, aber die kreative Zerstörung als Motor des Fortschritts ausfällt? Auch die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 80 bzw. 87 Prozent könnte den „Strukturwandel in der Wirtschafts- und Arbeitswelt unnötig blockieren und für viele Menschen die Arbeitslosigkeit damit nur künstlich hinauszögern“, heißt es in der Analyse der Deutschen Bank.

Milliarden flossen in die Hilfen für Großunternehmen

Milliarden flossen in die Hilfen für Großunternehmen wie Tui oder die Lufthansa. Teuer werden für den Steuerzahler aber auch die durch Corona bedingten Umsatzausfälle von Staatsunternehmen. Allein der Deutschen Bahn fehlen bis 2024 rund 9,6 Milliarden Euro. Damit könnte die Verschuldung des Konzerns auf 32 Milliarden Euro steigen. In Hamburg reißen die städtischen Beteiligungen wie an der Hochbahn oder dem Flughafen dramatische Löcher in die Kassen. Während die Ausgaben, mittelfristig auch die Sozialtransfers, gewaltig steigen, schmelzen die Einnahmen wie Schnee in der Sonne.

Jetzt rächt sich, dass gerade die Große Koalition in den vergangenen Jahren staatliche Leistungen immer weiter ausgebaut hat – von der Mütterrente über die Grundrente, die Rente nach 45 Beitragsjahren oder das Aussetzen des Nachholfaktors durch Bundessozialminister Hubertus Heil. Letzterer verhindert auch rechnerisch gerechtfertigte Rentenkürzungen bis 2026. Und was gern vergessen wird – trotz einer Mini-Inflation wurde der Bundeshaushalt in den vergangenen Jahren immer weiter aufgeblasen.

Bald kommt der Kassensturz

2008 sagte die Kanzlerin, man hätte in Haushaltsfragen die schwäbische Hausfrau fragen sollen. „Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“ Aber die Politiker verhalten sich eher wie konsumfreudige Teenager, nicht wie schwäbische Hausfrauen – Geld, das da ist, wird rasch ausgegeben: Von 2004 bis 2019 stiegen die bundesweiten Steuereinnahmen von 479 auf 736 Milliarden Euro. Und wer über die schweren Steuereinbrüche im Jahr 2020 klagt – in den ersten neun Monaten des Corona-Jahres ging das Aufkommen zwar um acht Prozent zurück, liegt aber immer noch über den Einnahmen des Jahres 2017!

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Bald kommt der Kassensturz. Angesichts eines Anstiegs der Verschuldung von unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf über 70 Prozent wachsen die Begehrlichkeiten des Staates. Die Steuereinnahmen dürften vorerst deutlich hinter alten Prognosen zurückbleiben. Allein für 2020 fehlen dem Bund bis zu 100 Milliarden Euro. Die Steuerausfälle für Hamburg belaufen sich bis 2024 auf fast fünf Milliarden Euro.

Nun kommt erschwerend hinzu, dass die Institute ihre Wachstumsprognosen wegen der neuerlichen Corona-Zuspitzung zurücknehmen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat die deutsche Wachstumsprognose für 2021 von 4,6 Prozent auf 2,8 Prozent gekürzt. Das HWWI hat am Mittwoch seine Vorhersage aktualisiert: Die Wachstumsrate 2021 wird demnach wegen der durch die zweite Corona-Welle verzögerten Erholung mit vier Prozent etwas niedriger sein als zuvor angenommen. Die Zahl der Arbeitslosen werde aber im Jahresdurchschnitt höher sein als 2020.

SPD erwägt höhere Steuern und eine Vermögensabgabe

Spätestens nach der Bundestagswahl kommen die Tage der Wahrheit. Dann stellt sich die Frage, wie die Ausgaben durch Einnahmen refinanziert werden sollen. Mit dem „Gesundheitssoli“ oder einer einmaligen Vermögensabgabe kursieren schon verschiedene Vorschläge, die auf eine Erhöhung der Staatseinnahmen abzielen. Da lässt ein Antrag aufhorchen, der dem Abendblatt vorliegt. Ausgerechnet der eher konservative SPD-Bezirk Wandsbek, in dem Finanzsenator Andreas Dressel den Vorsitz hat, geht noch über das 2019 beschlossene SPD-Steuerkonzept hinaus: Der Antrag für den kommenden SPD-Landesparteitag 2021 sieht zusätzlich zu einer Vermögenssteuer, die ab zwei Millionen Nettovermögen jährlich ein Prozent abschöpfen soll, eine Vermögensabgabe vor. Der Spitzensteuersatz soll ab einem Einkommen von 250.000 Euro auf 50 Prozent steigen, die Kapitalertragssteuer erhöht werden.

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Ob jedoch noch höhere Steuern die richtige Medizin für die Nach-Corona-Zeit sind? Machen sie die Unternehmen stärker und innovativer? „Auf die neue Bundesregierung kommen schwere finanz- und wirtschaftspolitische Herausforderungen und Entscheidungen zu. Sie muss es letztlich schaffen, die öffentlichen Finanzen wieder auf ein tragfähiges Fundament zu stellen, ohne dabei der Wirtschaft über noch höhere Steuer- und Beitragsbelastungen die Luft zum Atmen zu nehmen“, schreibt die Deutsche Bank.

Offenbar treibt das auch den möglichen nächsten CDU-Vorsitzenden Armin Laschet um. Er warnte jüngst: „Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir jetzt noch monatelang alles schließen und Milliarden Monat für Monat aus der Bundeskasse beisteuern. Das wird auch unseren Staat überfordern.“

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