Hamburg. Die Schuldenbremse in Hamburg bleibt. Warum der Senat jetzt weiter Kredite aufnehmen darf. Und: Reaktionen auf das Urteil.

Das Urteil war klar, und es war einstimmig: Das Hamburgische Verfassungsgericht hat die Volksinitiative zur Streichung der Schuldenbremse aus der Landes-Verfassung gestoppt. Sie darf nicht weiter durchgeführt werden. Damit hatte die Klage des Senats Erfolg.

Zentrales Argument des Gerichts war der unzulässige Eingriff in das Budgetrecht der Bürgerschaft. Das Landesparlament allein trage die Gesamtverantwortung für den Haushaltsplan der Stadt, so Gerichtspräsidentin Birgit Voßkühler: „Er ist nicht nur ein Wirtschaftsplan, sondern zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt. Umfang und Struktur des Haushaltsplans spiegeln die Gesamtpolitik wider.“

Schuldenbremse kann nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein

Die mit Zweidrittelmehrheit der Bürgerschaft 2012 in der Hamburgischen Verfassung verankerte Schuldenbremse, die dem Senat auferlegt, den Haushalt grundsätzlich ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen, sei dabei eine so zentrale Vorgabe, dass sie nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein könne. Deren Forderung verstoße darüber hinaus auch gegen höherrangiges Recht, nämlich Artikel 109 des Grundgesetzes, so das Gericht:

Dort ist die Schuldenbremse in einer Weise verankert, dass sie die Länder binde. Diese seien zwar nicht verpflichtet, das Kreditaufnahmeverbot in ihre eigenen Verfassungen aufzunehmen, wie das in Hamburg der Fall ist – die Landesregelung dürfe dem Grundgesetz „aber auch nicht zuwiderlaufen“, so Voßkühler. Würde Hamburg zur alten Rechtslage vor der Schuldenbremse zurückkehren, ließe sich das „nicht grundgesetzkonform auslegen“.

Hamburg: Gerichtspräsidentin verweist auf absurde Auswirkung

Als „gerade noch“ zulässig wertete das Gericht hingegen, dass für Unterstützer der Initiative nicht auf den ersten Blick ersichtlich sei, dass eine Abschaffung der Hamburger Schuldenbremse nur bewirken würde, dass dann in der Hansestadt die Regelung des Grundgesetzes gelten würde – die noch strenger ist. Dieser Umstand gehe aber aus der Begründung des Gesetzentwurfes der Initiative hervor, weswegen dieser nicht gegen die Normenklarheit verstoße.

Voßkühler verwies in dem Zusammenhang auf eine absurde Auswirkung, die ein Erfolg der Initiative gehabt hätte: Obwohl diese der Stadt eigentlich wieder mehr finanzpolitischen Spielraum verschaffen wollte, wäre nämlich erstmal das Gegenteil eintreten: Selbst in Notsituationen wie der aktuellen Corona-Pandemie, in der der Senat Milliarden an Krediten zur Krisenbekämpfung aufnimmt, dürfte die Stadt dann keine Schulden mehr machen – weil das Grundgesetz das nicht zulässt. Es erlaubt den Ländern zwar Ausnahmeregelungen für Notsituationen – aber genau die wären dann in Hamburg abgeschafft.

Schuldenbremse: Initiative hatte 13.000 Unterschriften gesammelt

Das von der Initiative in der mündlichen Verhandlung vor vier Wochen vorgebrachte Argument, die Bürgerschaft könne diese Ausnahmeregelungen doch später wieder einführen, ließ das Gericht nicht gelten. Die 2019 gestartete Initiative hatte im ersten Schritt rund 13.000 Unterschriften gesammelt. Im nächsten Schritt, dem Volksbegehren, hätte sie rund 65.000 sammeln müssen – dazu kommt es nun nicht mehr.

Staatsrat Jan Pörksen, der als Chef der Senatskanzlei den Senat vor Gericht vertrat, zeigte sich ebenso erleichtert wie Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). „Ich freue mich sehr über die Klarstellung, die das Verfassungsgericht zum Budgetrecht des Parlaments getroffen hat“, sagte Veit. „Wir haben die Schuldenbremse hier in Hamburg ja sehr bewusst eingeführt und freuen uns, dass wir von den Regelungen weiter Gebrauch machen können.“

Initiative ist enttäuscht: "Das Urteil ist für uns ärgerlich"

Das Gericht habe „sehr klar“ gesagt, dass das Volksbegehren nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei und es habe das Budgetrecht des Parlaments betont, so Pörksen: „Dazu gehört, dass die Frage, ob wir Kredite aufnehmen dürfen oder nicht, allein das Parlament entscheiden kann.“

Enttäuscht war dagegen Initiativen-Vertreter Elias Gläsner: „Das Urteil ist für uns ärgerlich, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass die Schuldenbremse so nicht haltbar ist.“ Die Regelung im Grundgesetz, deren Abschaffung das eigentliche Ziel der Initiative war, sei eine „Einschränkung für die Haushaltsautonomie der Länder“. Da die Notwendigkeit von mehr Investitionen weiter bestehe, werde man „auf jeden Fall“ weiter prüfen, wie die Schuldenbremse doch noch zu Fall gebracht werden könne.

CDU und Steuerzahlerbund begrüßen Urteil zur Schuldenbremse

David Stoop, haushaltspolitischer Sprecher der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, sagte: „Auch wenn das Urteil formaljuristisch korrekt sein mag, ist es ein Problem, dass Volksinitiativen immer häufiger vor Gericht ausgehebelt werden." Die Initiative habe gute inhaltliche Argumente auf ihrer Seite, die der Senat nicht einfach wegwischen könne: "Wenn in zwei Jahren die Schuldenbremse in Hamburg dann wieder greift, wird dies zu drastischen Kürzungshaushalten führen und wichtige Investitionen verhindern. Das widerspricht jeder ökonomischen Vernunft.“

Zustimmung kam hingegen von der CDU: "Es ist gut und richtig, dass das Vorhaben zur Abschaffung der Schuldenbremse vom Verfassungsgericht gestoppt wurde", sagte ihr Finanzexperte Thilo Kleibauer. "Die Schuldenbremse ist klar im Grundgesetz verankert und kann nicht einfach auf Landesebene außer Kraft gesetzt werden." Die Schuldenbremse sei wichtig für die finanzielle Stabilität der Stadt, damit Hamburg auch für kommende Generationen handlungsfähig bleibe, so Kleibauer: "Hier darf es keine faulen Kompromisse geben. In der aktuellen Corona-Pandemie wurde zurecht von den Ausnahmeregeln der Schuldenbremse für Notlagen Gebrauch gemacht. Dies darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Es ist nicht nachhaltig, staatliche Aufgaben dauerhaft mit Krediten zu finanzieren."

"Die Schuldenbremse ist wichtiger Bestandteil der Verfassung"

Auch Lorenz Palte, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hamburg, begrüßte das Urteil: "Die Schuldenbremse ist wichtiger Bestandteil der Verfassung und sorgt für Generationengerechtigkeit. Die Tatsache, dass in Zeiten einer historischen Ausnahmesituation die Spielräume da sind, um mit allerlei Stützungs- und Hilfsmaßnahmen auf die Krise zu reagieren, zeigt, dass die Schuldenbremse dem Staat selbst in historischen Ausnahmesituationen wie einer weltweiten Pandemielage genügend Spielräume lässt."

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Die vor allem von studentischen Gruppen getragene Volksinitiative war im April 2019 gestartet und hat das Ziel, die seit 2012 in der Hamburgischen Verfassung verankerte Schuldenbremse rückgängig zu machen. Nachdem die Initiative 13.000 Unterschriften dafür eingereicht hatte (10.000 waren erforderlich), meldete sie im März 2020 den nächsten Schritt an – die Durchführung eines Volksbegehrens. Bevor es dazu kommen konnte, rief der Senat jedoch das Verfassungsgericht an.