Hamburg/Berlin. Der Senat unterstützt einen Gesetzentwurf aus Hessen. Was hinter „Drug-Checking“ steckt – und was dagegen spricht.
Zuletzt sorgten zwei Fälle von Ecstasy-Vergiftungen von Jugendlichen in Hamburg für Entsetzen – nun könnte es eine neue, aber umstrittene Gegenmaßnahme geben. Hamburg unterstützt im Bundesrat eine Initiative zum Thema „Drug-Checking“. Konsumenten sollen ihre Drogen auf diese Weise anonym auf die Inhaltsstoffe überprüfen lassen können. Voraussetzung ist, dass sie sich gleichzeitig zu den jeweiligen Gefahren beraten lassen.
Dazu ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes notwendig: Mit der Aufnahme eines zusätzlichen Paragrafen soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, die Schnelltests ermöglichen würde. Bereits am heutigen Freitag stimmt der Bundesrat über einen Gesetzentwurf ab, den die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen eingebracht hat.
Hamburg unterstützt Entwurf zum Drug-Checking – Justizminister dagegen
Hamburg werde einem solchen Antrag zustimmen, bestätigte Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, dem Abendblatt auf Nachfrage. Allerdings sei es nicht sehr wahrscheinlich, dass der Vorstoß erfolgreich ist. Die Länder im Bundesrat stimmen am Freitag zunächst nur darüber ab, ob der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht wird. Die im Vorfeld beauftragten Ausschüsse kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Gesundheitsminister der Länder sprachen sich demnach dafür aus, den Entwurf in den Bundestag zu bringen, die Justizminister empfehlen das nicht.
Offen ist, wie sich die Bundesländer am Freitag positionieren: Bremen hatte ebenfalls im Vorfeld Unterstützung angekündigt, in Berlin ist bereits ein Modellversuch geplant. Im Hamburger Koalitionsvertrag habe man sich zwar darauf geeinigt, dass man solche Projekte bei Gelegenheit überprüft, konkrete Pilotprojekte oder Pläne gebe es aber nicht, so Helfrich.
Partydrogen werden besonders in Großstädten konsumiert
Laut dem hessischen Sozialminister Kai Klose (Grüne) hat sich die Situation in den letzten Jahren immer weiter zugespitzt. „Im Nachtleben aller großen Städte auch in Deutschland spielen Partydrogen leider eine nicht mehr wegzudiskutierende Rolle“, so der Minister. Neben Alkohol und Nikotin würden zunehmend Amphetamine, Methamphetamine wie Crystal Meth und neue psychoaktive Stoffe konsumiert.
Eine besondere Gefahr sei, dass die Konsumenten vom Drogenhilfesystem bisher nicht erreicht werden. „Und das ist brandgefährlich – denn neben dem eigentlichen Wirkstoff enthalten gerade Partydrogen oft problematische Streckmittel oder Verunreinigen und sind sehr gesundheitsgefährdend“, so Klose. In Nachbarländern wie der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Spanien ist Drug-Checking bereits erlaubt. Partygänger können ihre Rauschmittel dort unter anderem in Clubs testen lassen.
UKE-Suchtmediziner ist gegen Drug-Checking
Prof. Rainer Thomasius, der das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters im UKE leitet, glaubt persönlich nicht, dass das Drug-Checking-Verfahren eine sinnvolle Präventionsmaßnahme ist. Generell mangele es jedoch an entsprechenden Studien zu diesem Thema.
„Gesicherte Aussagen über die Wirksamkeit der Maßnahme können nicht getroffen werden“, so Thomasius. „Ich denke die Suchtprävention wird stiefkindlich behandelt“, so der Suchtexperte. „Wenn dann ein Verfahren eingeführt werden soll, dessen Wirksamkeit nicht belegt ist, und das auf Kosten der bisherigen Verfahren, dann kann ich nur sagen, das geht überhaupt nicht.“
Bei der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie gingen die Meinungen hingegen auseinander. So hoffen Befürworter unter anderem, dass durch Drug-Checking ein riskanter Drogengebrauch verringert werden kann und auf diese Weise schwerwiegende Gefahren vermindert werden können. Zudem könnten frühzeitig neue gefährliche Konsummuster identifiziert werden.
Ermutigt das Verfahren womöglich sogar zum Drogenkonsum?
Kritikern zufolge könnte das Verfahren zum Konsum ermutigen. Etwa wenn das Ergebnis suggeriert, dass die Droge rein und ungefährlich ist. Eine lebensgefährliche Überdosierung könne so jedoch nicht verhindert werden. „Was bezweifelt werden kann, ist, dass eine einmalige Analyse einer Substanz sich präventiv auf den zukünftigen Gebrauch auswirkt“, so Thomasius. Ein weiteres Problem sei der vorherrschende Mischkonsum von jungen Menschen. Wie eine „reine“ Substanz mit anderen Substanzen reagiert, werde beim Drug-Checking außer Acht gelassen.
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Skeptisch ist auch Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Grundsätzlich sind Maßnahmen, die verhindern, dass ein junger Mensch an Drogen stirbt, zu begrüßen. Ich glaube aber, dass gerade vor dem Hintergrund der jüngsten tragischen Fälle mit Ecstasy, bei denen sehr junge Menschen in Hamburg zu Tode oder zu schwerem Schaden kamen, so eine Maßnahme ins Leere läuft. Es bringt bei diesen durch ihre körperliche Konstitution besonders gefährdeten Altersgruppen vermutlich gar nichts, weil sich Drogenkonsum bei ihnen im privaten Umfeld abspielt. An älteren Konsumenten, gerade für die der Partyszene, könnte es ein völlig falsches Signal senden.“
In Hamburg war zuletzt ein 13 Jahre altes Mädchen Mitte November nach einer Party in Bramfeld mit einer Ecstasy-Vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Laut Polizei liegt es noch immer im Koma. Zuvor war Mitte September ein 16-jähriges Mädchen nach dem Konsum von Ecstasy gestorben. Es hatte bei einer Geburtstagsfeier in Winterhude das Rauschgift geschluckt und Alkohol getrunken.