Hamburg. Rabe schlägt Lösungen für „Hotspots“ vor. Auf der Peute sprengte die Polizei eine Party in einem „Kulturverein“.

Während sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Hamburg weiter stabilisiert, gewinnt die Debatte um die Schulen an Fahrt. Nachdem Bund und Länder sich zu dem Punkt auf die kommende Woche vertagt hatten, hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Diskussion nun mit konkreten Vorschlägen eröffnet.

„Die Kultusminister sind sich einig, dass wir, wenn es nicht gesundheitlich zwingend erforderlich ist, am Präsenzunterricht festhalten sollten, solange es geht“, sagte Rabe im Gespräch mit dem Abendblatt. Allerdings müsse es jetzt darum gehen, für die sogenannten Hotspots Lösungen zu finden, also Regionen mit besonders hohen Inzidenzwerten. Aus Rabes Sicht könnte die bislang nicht definierte Grenze zum Hotspot bei einem Sieben-Tage-Wert von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liegen.

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Rabe schlägt vier Maßnahmen für Schulen in diesen Regionen vor, um die Infektionszahlen zu senken: „Erstens: Hybridunterricht von der elften Klasse an, auch für die Berufsschulen. Zweitens: Überprüfung des Musik- und Sportunterrichts von der Mittelstufe an. Drittens: Ausweitung der Maskenpflicht von Klasse fünf an. Viertens: feste Lerngruppen zumindest in den unteren Jahrgängen, also Verzicht auf klassenübergreifenden Unterricht.“ In Hamburg gilt bereits die Maskenpflicht ab Klasse fünf.

Probleme für Kinder aus bildungsfernen Familien

Nach Ansicht des Schulsenators sollten diese vier Maßnahmen auch bei einzelnen Schulen ergriffen werden, wenn die Infektionszahlen nach oben schnellen. Als Beispiele nannte Rabe die Situation an der Ida-Ehre-Schule und der Heinrich-Hertz-Schule.

Die Kultusminister der SPD-regierten Länder haben Rabe gebeten, für die Ministerpräsidentenkonferenz in der kommenden Woche auf der Basis der vier Bausteine einen Vorschlag für die Schulen auszuarbeiten, den Rabe dann mit der Unionsseite abstimmen soll. Die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten die Kultusminister am Montag ausdrücklich aufgefordert, einen Lösungsvorschlag für die Schulen vorzulegen. „Bund und Länder werden auf der nächsten Konferenz darüber beraten, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich in Hotspots reduziert werden können“, heißt es dazu in dem Beschluss der Regierungschefs und der Bundeskanzlerin vom Montag.

Aus Sicht aller Kultusminister sprechen nach den Erfahrungen des ersten Lockdowns vor allem vier Gründe dafür, dass Hybrid- und Fernunterricht nicht die Qualität des Präsenzunterrichts erreichen: Jüngere Schüler hätten ohne Erwachsene nicht die gleiche Lernkompetenz. Für Kinder aus bildungsfernen Familien sei es zu Hause schwieriger. Familien stünden vor großen Betreuungsproblemen, und das für die Herausbildung der Persönlichkeit wichtige soziale Lernen finde praktisch nicht statt.

350.000 FFP2-Masken für die Lehrkräfte

„Wir Kultusminister waren über einige Vorschläge aus dem Kanzleramt entsetzt“, sagte Rabe. Das gelte insbesondere für die Idee, nur noch im Klassenverband zu unterrichten. „Das hätte unmittelbar vor dem Abitur dazu geführt, den Kursunterricht komplett einzustellen“, sagte Rabe.

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Die Schulbehörde liefert seit dem gestrigen Dienstag rund 350.000 FFP2-Masken für die rund 35.000 Lehrkräfte und Beschäftigten an den 472 staatlichen und privaten Schulen aus. Bis zum Ende der Woche sollen die kostenlosen Mund-Nasen-Bedeckungen die Empfänger erreicht haben. „Die gestiegenen Infektionszahlen in der Stadt führen dazu, dass auch die Infektionszahlen unter den Schulbeteiligten gestiegen sind“, sagte Rabe. „Hamburgs Pädagogen und Schulbeschäftigte leisten einen wichtigen und sehr verantwortungsvollen Dienst an der Allgemeinheit und verdienen deshalb einen besonderen Schutz, den wir mit den zusätzlichen und besonders sicheren Masken erfüllen“, so der Senator.

424 neue Infektionen,19 weitere Tote in Hamburg

Am Dienstag wurden in Hamburg 424 Neuinfektionen vermeldet – das entspricht dem Dienstag der Vorwoche (422) und liegt nur unwesentlich unter dem Dienstag davor (456). Am Montag war bereits Hoffnung auf eine Abnahme der Neuinfektionen aufgekeimt, nachdem mit 185 Fällen der niedrigste Wert seit dem 25. Oktober verzeichnet worden war. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich binnen sieben Tagen angesteckt haben, liegt praktisch unverändert bei 156,3 (Vortag: 156,4).

Stark gestiegen sind die Patientenzahlen: 311 Menschen mit einer Covid-19-Erkrankung werden derzeit in Hamburgs Kliniken behandelt – 38 mehr als am Freitag (die Daten werden am Wochenende nicht aktualisiert). 267 dieser Patienten sind Hamburger, von ihnen werden 63 intensivmedizinisch betreut. Von den 44 Patienten aus dem Umland liegen 19 auf Intensivstationen. Die Zahl der Todesfälle ist über das Wochenende sprunghaft angestiegen: um 19 auf 281.

Insgesamt 66 Neuinfektionen an 46 Schulen

Insgesamt 66 Neuinfektionen an 46 Schulen wurden Dienstag gemeldet, davon 60 Schülerinnen und Schüler sowie sechs Schulbeschäftigte. Insgesamt liegen aktuell 640 Infektionen von Menschen aus dem schulischen Kontext an 210 Schulen vor. 82 Klassen (von rund 9500) sowie 263 weitere Schulbeschäftigte sind in Quarantäne. In 28 Pflegeeinrichtungen sind insgesamt 397 Bewohner sowie 189 Beschäftigte infiziert.

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Betrachtet man das Infektionsgeschehen nach Bezirken, fällt auf, dass Altona die unrühmliche Spitzenposition aus der Vorwoche wieder an Hamburg-Mitte abgegeben hat: Dort gab es vom 9. bis zum 16. November 721 Neuinfektionen, was einer Sieben-Tage-Inzidenz von 238,7 entspricht. Ebenfalls weit über dem aktuellen Wert für Gesamt-Hamburg von 156,4 liegt der Bezirk Harburg mit 359 Fällen und einer Sieben-Tage-Inzidenz von 212,4. Während Wandsbek (687 / 155,8) ziemlich genau im Schnitt liegt, steht Altona (381 / 138,5) mittlerweile wieder besser da, ebenso wie Hamburg-Nord (395 / 125,4), Bergedorf (153 / 117,7) und Eimsbüttel (273 / 102,2).

25 Jahre alte Frau ging einen Polizisten an

Auch auf lange Sicht sind die Unterschiede erheblich: Während es in Bergedorf seit Beginn der Pandemie bislang „nur“ 810 Infektionen pro 100.000 Einwohnern gab (insgesamt 1053), waren es in Mitte 1351 (insgesamt 4080). Dazwischen liegen Harburg (1198 pro 100.000 Einwohner / 2024 insgesamt), Wandsbek (1120 / 4938), Altona (1091 / 3000), Hamburg-Nord (914 / 2879) und Eimsbüttel (891 / 2432). Der Senat betonte am Dienstag, dass er diesen Werten keine große Bedeutung beimesse, da Hamburg eine Einheitsgemeinde sei und alle Regeln stets für die ganze Stadt gelten würden. Entscheidend sei, dass sich alle Hamburger solidarisch an der Bekämpfung der Virus-Ausbreitung beteiligten.

Auf der Mönckebergstraße mussten Polizisten mit Gewalt eine 25 Jahre alte Frau dazu bringen, den Mund-NasenSchutz anzulegen. Sie ging zuvor einen Polizisten an, der sie mit seinem Kollegen auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Auf der Peute sprengte die Polizei eine Party hinter verriegelten Türen in einem „Kulturverein“. Dort hatten mindestens sechs Menschen gefeiert. Ebenfalls auf der Peute wurde in einem weiteren „Kulturverein“ eine Feier beendet, an der mehr als ein Dutzend Personen teilnahmen. In dem Fall hatte die Polizei die Tür aufbrechen müssen. In Tonndorf war es eine illegale Shisha-Bar, die von der Polizei gestürmt wurde. Aufgefallen war der Treffpunkt, weil dort mehrere teure Sportwagen vorfuhren.

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„Das Verhalten der Täter ist mittlerweile hoch konspirativ“, so ein Beamter. So hatten sich an mindestens zwei der Orte die Besucher vorher per Telefon angemeldet. In einem Fall wurden sie über einen verdeckten „Geheimeingang“ in das Gebäude gelotst. In allen Fällen waren die Gebäude besonders gegen Einsicht von außen, beispielsweise durch Folien, geschützt worden. Auch setzen die Veranstalter Technik wie Video­kameras ein, um sich vor „Überraschungen“ zu schützen. Gegen die angetroffenen Personen wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Auch die Betreiber erwarten Bußgelder. In einem Fall kündigte der Verantwortliche an, dass er trotz einer Geldstrafe weiter Veranstaltungen durchführen wolle.

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