Hamburg. Hamburgs Gesundheitssenatorin (SPD) spricht im Abendblatt über die aktuelle Lage und warum der Lockdown noch nicht wie erhofft wirkt.
Ein großer Besprechungsraum in der Sozialbehörde, mehrere Meter Abstand, die Masken bleiben auf – auch im Gespräch mit dem Abendblatt achtete Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) auf Einhaltung der Regeln. Nur für den Fotografen nahm Hamburgs oberste Corona-Bekämpferin die Maske einmal kurz ab.
Hamburger Abendblatt: Frau Leonhard, wir haben knapp zwei Wochen des zweiten Lockdowns hinter uns – und hatten dennoch am Donnerstag erneut einen Rekordwert bei den Infektionen. Wie erklären Sie sich das und was denken Sie derzeit mit Blick auf die Zahlen?
Melanie Leonhard: Natürlich geht es mir wie allen: Ich hoffe jeden Morgen, dass die Zahlen möglichst niedrig sind. Das erfüllt sich tatsächlich im Moment noch nicht so, wie wir uns das erhofft hatten. Es ist noch nicht flächendeckend so, dass alle Menschen den Anspruch haben, ihre Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren. Anders als im März schauen die Menschen stark darauf, was noch erlaubt ist und was sie noch tun dürfen – und tun das dann auch. Das trägt dazu bei, dass wir noch nicht da sind, wo wir sein wollen.
Hamburg hatte ja schon eine Woche vor dem bundesweiten Lockdown Kontaktbeschränkungen verhängt, die Sie und der Bürgermeister damals als sehr streng bezeichnet haben – Stichwort zehn Personen aus zwei Haushalten. Trotzdem sinken die Zahlen nicht. Halten sich die Menschen einfach nicht an die Regeln?
Leonhard: Doch, die allermeisten Menschen halten sich daran oder versuchen es zumindest nach bestem Wissen und Gewissen. Aber mit der Pandemie ist es wie mit einem großen Stein, der einen Berg herunterrollt. Wenn der erstmal eine gewisse Dynamik hat – und die Pandemie hatte auch schon in der Woche vor dem Lockdown erhebliche Dynamik –, dann braucht man eine Menge Bremskraft, um den aufzuhalten. Erstes Ziel war daher, erstmal eine Stagnation zu erreichen.
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An dem Punkt sind wir ja: Die Zahlen sind hoch, aber sie liegen auf dem Niveau der Vorwoche.
Leonhard: Genau. Wir haben zumindest kein dramatisches Wachstum mehr von Woche zu Woche. Das ist der erste Schritt. Der zweite muss nun sein, zu einer Reduzierung zu kommen.
Gastronomie und Kultur sind geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt. Wo infizieren sich die Menschen eigentlich derzeit noch?
Leonhard: Viele Menschen wissen es nicht oder können es nicht genau sagen, und es lässt sich auch nicht in jedem Fall durch Befragung eindeutig zurückverfolgen. In den Fällen, von denen wir wissen, sind es oft private Treffen: Beim Kochen, in der Teeküche des Wohnheims, wieder andere halten bei einer Sitzung zwar Abstand, fahren aber gemeinsam im Auto hin. Die Menschen geben sich durchaus Mühe, sind aber einmal unachtsam – und dann ist es schnell mal passiert. Anders als im März ist das Virus viel breiter in die Gesellschaft eingedrungen, wir hatten jetzt über Monate einen Sickereffekt. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, auf eine infizierte Person zu treffen.
Was Sie beschreiben, sind aber überwiegend legale Verhaltensweisen.
Leonhard: Ja, aber wir müssen uns stärker hinterfragen: Auch ein Verhalten, das nicht verboten ist, kann unvernünftig sein.
Sie appellieren also an die Bürger, sich noch mehr einzuschränken als es die Regeln ohnehin vorschreiben?
Leonhard: Genau. Der Appell lautet: Suchen Sie nicht nach der Lücke, sondern verhalten Sie sich möglichst risikoarm. Ich weiß, dass das im zehnten Monat der Pandemie zunehmend schwerer fällt. Viele Menschen sind müde, sie haben genug von den ganzen Einschränkungen, und dann suchen sie nach der Lücke, was noch möglich ist. Manche sind dabei nur arglos, andere sehr kreativ.
Was meinen Sie genau?
Leonhard: Wir werden zum Beispiel in der nächsten Verordnung Zusammenkünfte in Autos regeln – es war zuletzt leider häufiger aufgefallen, dass es Feiern dort gab...
In Autos? Wie muss man sich das denn vorstellen?
Leonhard: Aus eigenem Erleben kann ich Ihnen das auch nicht schildern... Aber es birgt natürlich eine hohe Infektionsgefahr. Also müssen wir es verbieten. Wenn uns vor einem Jahr jemand erzählt hätte, dass wir mal Partys in Autos verbieten würden, hätten wir das auch ins Reich der Satire verbannt. Aber der Fall zeigt: Egal, wie sehr wir uns anstrengen, wir werden mit dem Verbieten nicht hinterherkommen. Es kommt darauf an, dass die Menschen freiwillig ihre Kontakte reduzieren.
Oder muss man sich eingestehen, dass es doch noch größere Beschränkungen braucht, weil sich das Infektionsgeschehen nun mal nicht eindämmen lässt, solang die Menschen weiter zur Arbeit gehen und sich mit Freunden treffen, die Kinder zur Schule und in die Kitas gehen?
Leonhard: Wir haben von den Gerichten jetzt mehrfach aufgezeigt bekommen, dass wir nur gesetzlich regeln sollen, was unbedingt erforderlich ist. Daher müssen wir immer abwägen, ob es wirklich ein Verbot braucht oder ob es nicht noch andere Möglichkeiten gibt, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Zweitens müssen wir als Gesellschaft immer abwägen, was wir uns noch leisten wollen – etwa Bildung und Beruf. Dabei sind auch die möglichen Folgen einzubeziehen. Nach dem ersten Lockdown haben uns zum Beispiel viele Kinderärzte gesagt, dass die Kitaschließung erhebliche Folgen für die Kinder hatte.
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Welche waren das?
Leonhard: Im Leben eines dreijährigen Kindes sind drei Monate ohne Kita eine Ewigkeit. Die Kinder vermissen ihre Freunde, sie leiden unter den Kontakteinschränkungen, unter der fehlenden Ansprache durch die Betreuer – Kita ist ja auch Bildung! –, und sie leiden mitunter auch körperlich, unter Ernährungsdefiziten und Bewegungsdefiziten. Das ist nicht mal stadtteilspezifisch, das gibt es überall.
Die Gesundheitsämter waren bis vor einigen Wochen deutlich unterbesetzt, Luftreinigungssysteme für Schulen wurden nicht vorbereitet. Hat die Politik die Wucht der zweiten Welle unterschätzt?
Leonhard: Vorbereitung ist ja ein schrittweiser Prozess. Wir haben das Personal für die Kontaktverfolgung seit April verfünffacht. Wir sind mit 150 Mitarbeitern gestartet, jetzt haben wir über 500 – plus Beschäftigte der Bundeswehr. Das braucht halt ein paar Monate.
Anfang der Woche beraten Bund und Länder erneut über die Lage. Was erwarten Sie von dem Treffen, wird es eine weitere Verschärfung der Regeln geben?
Leonhard: Ich erwarte, dass sehr akribisch ausgewertet wird, wie sich die Maßnahmen ausgewirkt haben und dass man im gesundheitlichen Bereich über eventuelle bundesweite Regelungen berät – etwa, Betten in Krankenhäusern frei zu halten oder wie wir mit geplanten Operationen umgehen. Es wird natürlich auch darum gehen, ob man sich schon traut zu sagen, dass der Lockdown nach November vorbei sein wird.
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Und: Wird er?
Leonhard: Ich gehe nicht davon aus, dass darüber schon nächste Woche entschieden wird.
Ist es angesichts der hohen Zahlen überhaupt realistisch, dass der Lockdown Anfang Dezember aufgehoben oder auch nur gelockert wird?
Leonhard: Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass alle Einschränkungen aufgehoben werden. Insbesondere bei den Kontaktbeschränkungen wird uns wohl einiges erhalten bleiben.
Ein großer Streitpunkt sind Schulen, an denen es nun zu immer mehr Infektionen kommt. Wie lange können wir uns 100 Prozent Präsenzunterricht noch leisten?
Leonhard: Man muss immer Kosten und Nutzen abwägen. Schule ist ein ganz großer Bereich, da darf man nicht eine Regelung für alle Bereiche treffen. Wir haben in den Grundschulen eine andere Situation als in den Oberstufen. Wenn die Kultusministerkonferenz jetzt zu dieser Frage Entscheidungen trifft, dann wäre es gut, wenn genau differenziert wird, wo an Schulen wir ein Infektionsgeschehen haben. Und das ist bei älteren Schülern anders als bei jüngeren.
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Schulen waren zuletzt überproportional am Infektionsgeschehen beteiligt gewesen, darauf hat auch das RKI hingewiesen. Können Sie verstehen, dass die mantraartige Behauptung des Senats, Schulen seien besonders sichere Orte, mittlerweile für manche die Glaubwürdigkeit der Politik beschädigt?
Leonhard: Bei der Entscheidung, die Schulen offen zu lassen, ging es nicht darum, ob diese ein sicherer oder unsicherer Ort sind. Es ging um den Wert von Bildung und um die gesundheitlichen Folgekosten, wenn Schule nicht stattfindet. Das war der Abwägungsprozess – so steht es auch im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Und es gibt ja bei Schule viele Abstufungen zwischen zu und offen.
Zum Beispiel Hybridunterricht, bei dem Schüler in kleineren Gruppen abwechselnd zu Hause und in der Schule lernen. Aber den lehnt der Senat ja auch ab.
Leonhard: Ja, auch hier muss man die Folgen abschätzen: Was bedeutet es für die, die nicht in der Schule dabei sind? Ist wirklich gewährleistet, dass es kein Defizit gibt, wenn man nicht physisch anwesend ist? Auf jedes Elternpaar, das sich Sorgen um seine Kinder und die eigene Gesundheit macht, kommt ein Elternpaar, das sich um die Bildung seiner Kinder und die eigene Arbeitsfähigkeit sorgt.
Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: „Ja, es gibt Infektionen an Schulen, die können auch schwerwiegende Folgen haben. Aber die Aufgabe des Präsenzunterrichts hat auch schwerwiegende Folgen. Das wägen wir ab“? Statt zu behaupten, in Schulen gäbe es keine Infektionen.
Leonhard: Als Sozial- und Gesundheitssenatorin treffe ich diese Abwägungsprozess jeden Tag. Das müssen wir auch tun – und zwar möglichst transparent.
Viele sagen, dass die oft sehr vollen Schulbusse die Hauptgefahr seien. Warum tut man da nichts?
Leonhard: Das Infektionsrisiko ist laut laut vieler Untersuchungen im ÖPNV nicht sehr groß. Der HVV fährt mit voller Kapazität, obwohl es weniger Kunden gibt, also gibt es mehr Platz als sonst. Der öffentliche Nahverkehr ist nach den gegenwärtigen Beobachtungen kein relevanter Faktor für Ansteckungen. Das sind eher private Treffen, gemeinsames Sporttreiben und viele andere Dinge.
Wir haben jetzt schon mehr Covid-19-Patienten in den Kliniken als im Frühjahr - und die Mehrheit ist über 70. Wie viel Sorge bereitet Ihnen diese Entwicklung?
Leonhard: Große Sorge. Wir haben ja schon seit Monaten gesagt, dass die Tatsache, dass sich vor allem junge Menschen anstecken, kein Grund zur Entwarnung ist – weil damit ja eine Übertragung an Ältere nicht ausgeschlossen ist. Und Ältere haben nun mal ein höheres Risiko, behandlungsbedürftig zu erkranken. Der Sommer, als viele geschrieben haben, wir hätten ja so wenig Patienten in den Kliniken, war ein trügerisches „Sich-in-Sicherheit-Wiegen“.
Werden die Kapazitäten in den Kliniken Stand jetzt ausreichen?
Leonhard: Stand jetzt werden sie ausreichen. Die Situation ist angespannt, aber noch beherrschbar. Wir sind aber wirklich sehr davon abhängig, dass das Infektionsgeschehen sich jetzt einbremst. Menschen, die sich vor zwei Wochen angesteckt haben, brauchen im Falle eines schweren Verlaufs jetzt eine intensivmedizinische Betreuung. Und wir haben noch einige Tage mit hohen Zahlen vor uns.
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Es sind auch rund 20 Pflegeheime von Ausbrüchen betroffen, etwa 260 Bewohner sind infiziert – wie kann so etwas eigentlich passieren, wo man doch weiß, wie gefährdet Ältere sind?
Leonhard: In manchen Fällen geht es sehr wahrscheinlich aufs Personal zurück. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich Bewohner mit dem Virus durch eigene Aktivitäten angesteckt und es in die Einrichtung gebracht haben. Und es gibt Fälle, in denen wir noch suchen, wie das Virus in die Einrichtung gekommen ist. Das zeigt, wie schwierig der Umgang mit diesem Virus ist, wenn man nicht zu einer vollständigen Isolation dieser Personengruppe kommen will.
Es gibt immer wieder die Aussage: Wir müssen die Empfindlichen, also „Vulnerablen“, besonders gut schützen, dann müssen wir das allgemeine Leben nicht so stark einschränken. Funktioniert das überhaupt?
Leonhard: Das kann kein befriedigender Ansatz sein. Denn wenn man das effektiv machen wollte, würde es bedeuten, dass man vulnerable Gruppen isolieren muss, damit andere größere Freiheiten haben. Das kann nicht richtig sein. Und es funktioniert auch gar nicht. Das fängt schon damit an, dass wir mit vulnerablen Gruppen landläufig nur ältere Menschen meinen. Es gehören ab er viel mehr dazu. Wer ein bisschen übergewichtig ist und Diabetes hat, ist zum Beispiel gefährdet - auch wenn er 30 oder 40 ist. Wie sollen wir da alle Risikopersonen isolieren?
Weiß man, wie viele Prozent der Bevölkerung zur Risikogruppe gehören?
Leonhard: Die Bundesregierung hat dazu gerade ein Zahl veröffentlicht: 45 Prozent aller Menschen in Deutschland gehören auf die eine oder andere Weise der Risikogruppe für einen schweren Verlauf an – fast jeder Zweite. Es geht also nur, wenn die Gesellschaft insgesamt mehr Rücksicht nimmt.
Helfen die neuen Schnelltests dabei, Pflegeheimbewohner zu schützen, ohne sie zu isolieren?
Leonhard: Man kann mit diesen Tests viel erreichen. Viele Heime sind mittlerweile auch dabei, sie anzuwenden, vor allem bei der Testung von Mitarbeitern. Aber es bleibt ein Restrisiko – weil nicht immer der Testzeitpunkt korrekt erwischt wird und die Tests in einem kleinen Teil der Fälle eine Infektion nicht richtig anzeigen. Außerdem müssen die Abstriche professionell abgenommen werden, das ist in der Pflege nicht immer so einfach, etwa bei dementen Menschen. Und es braucht Personal. Die Tests sind also eine Hilfe, sie lösen aber nicht das Problem vollständig.
Dann sind solche Tests in Schulen wohl nicht sinnvoll, oder?
Leonhard: Das halten etwa die Experten des RKI nicht für sinnvoll, jedenfalls nicht für jeden Tag. Denn erstens dauert es 30 Minuten, bis das Ergebnis da ist – und zweitens ist die Schülermenge zu groß. Und drittens braucht man auch hier Fachpersonal.
Die größten Hoffnungen ruhen jetzt auf dem Impfstoff. Wie weit ist Hamburg mit der Vorbereitung des Impfzentrums in den Messehallen?
Leonhard: Wir bereiten uns mit Hochdruck darauf vor. Das beginnt mit der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für die Lagerung und Verimpfung des Impfstoffs und geht weiter mit der Beschaffung des Materials und der Schulung von Personal. Die Herausforderungen sind enorm: Denn wenn es so kommt wie es jetzt aussieht, haben wir es mit einem RNA-Impfstoff der Firma Biontech zu tun, von dem zwar schon einige entwickelt wurden, aber noch nie einer zum Einsatz kam.
Welchen Unterschied macht das?
Leonhard: Die Anforderungen an die Lagerung sind viel höher als bei herkömmlichen Impfstoffen. Der RNA-Impfstoff muss bei minus 70 Grad gelagert werden, die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden, und er kann nur für sehr kurze Zeit verimpft werden. Das funktioniert nicht über das normale System aus Apotheken und Hausärzten. Deshalb denken wir über große Impfzentren nach. Wir bereiten uns aber parallel auch darauf vor, dass es einen zweiten, herkömmlichen Impfstoff geben wird. Aber bis wir zum Hausarzt gehen und uns dort impfen lassen können, werden noch viele Monate vergehen.
Wann wird der erste Impfstoff zugelassen und zur Verfügung stehen?
Leonhard: Bei der Zulassung rechnen alle eher mit Wochen als mit Monaten. Danach wird es sehr zügig gehen, sodass ich hoffe, dass die Impfungen noch vor Ostern beginnen können. Das finde ich sehr ermutigend. Man muss sich aber klar machen, dass es am Anfang zunächst um eine kleine Zielgruppe gehen wird, weil noch nicht genügend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen wird.
Derzeit wird empfohlen, mit Älteren und anderen Risikogruppen sowie dem medizinischen Personal zu beginnen. Halten Sie das für richtig?
Leonhard: Beim medizinischen Personal zu anzufangen, ist auf jeden Fall richtig. Das sind diejenigen, die einen guten Schutz brauchen, um die medizinische Versorgung sicherstellen zu können. Dabei geht es nicht nur um Krankenhäuser, sondern auch um niedergelassene Ärzte, Therapeuten und ihr Personal. Richtig ist es auch, dann die besonders gefährdeten Menschen in den Blick zu nehmen, also ältere Menschen und die mit multiplen Vorerkrankungen.
Wie hoch ist nach Ihrer Einschätzung die Impfbereitschaft in Hamburg?
Leonhard: Mein Eindruck ist, dass es im Moment eine große Zugewandtheit zum Impfen gibt, so groß wie nie. Uns erreichen aber auch gegenteilige Rückmeldungen.
Haben die Menschen Angst vor dem völlig neuen Impfstoff?
Leonhard: Auch mit RNA-Impfstoffen haben wir schon Erfahrung: Auch für Sars und Mers sind sie entwickelt worden, kamen dann aber nicht mehr zur Anwendung. Auch durch die Grippe haben wir Erfahrung in spezieller Impfstoff-Entwicklung. Klar ist: Es wird kein Impfstoff angeboten werden, der nicht sicher ist. Dann würden wir eher noch mal vier Wochen warten.
Wird es möglich sein, mit mobilen Impfteams in die Pflegeheime und Krankenhäuser zu gehen, um dort Bewohnern und Mitarbeiter zu impfen?
Leonhard: Wir gehen davon aus und bereiten uns darauf vor, mobile Impfteams vorzuhalten. Es gibt, wenn auch eingeschränkt, Möglichkeiten, diesen Impfstoff zu transportieren. Wir rechnen auch mit einem zweiten Impfstoff, der unter üblichen Bedingungen verimpft werden könnte.
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Wann werden wir die kritische Masse von 60 bis 70 Prozent Geimpften in der Bevölkerung erreicht haben?
Leonhard: Dass kann durchaus ein bis zwei Jahre dauern. Ich glaube, dass Corona uns noch das ganze nächste Jahr beschäftigen wird. Auf Maske und Abstand werden wir wohl auch in 2021 noch nicht ganz verzichten können. Wir werden aber trotzdem die ersten Erleichterungen schon früher spüren, sobald erste Menschen geimpft sind.
Sie haben den Bereich Gesundheit vor knapp einem halben Jahr zusätzlich zu dem ohnehin großen Aufgabenbereich einer Sozialsenatorin übernommen. Denken Sie im Angesicht dieser zweiten Welle manchmal: Was habe ich mir da angetan?
Leonhard: Ich habe diese Aufgabe ja nicht unter Androhung von Strafe übernommen, sondern ganz bewusst angenommen. Klar ist es im Moment viel. Wir versuchen hier gemeinsam, jeden Tag zu bewältigen. Und schwer ist es zurzeit für alle Menschen.
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