Hamburg. Am Hamburger Flughafen gibt es das Ergebnis schon nach 75 Minuten. Nicht nur die Rostocker mischen in dem Markt mit.
Alexandre de Juniac, der Chef des Weltverbands der Fluggesellschaften (Iata), hat eine genaue Vorstellung davon, wie seine Branche in ihrer bisher schwersten Krise gerettet werden könnte. Covid-19-Schnelltests müssten her, die nach 15 Minuten ein Ergebnis liefern, weniger als zehn Euro kosten und täglich millionenfach verfügbar sind. Damit, so hofft der Franzose, könne man den Menschen die Angst vor dem Fliegen in Corona-Zeiten nehmen.
Tatsächlich produziert auch das Hamburger Unternehmen MEDsan seit Oktober Schnelltests, die von Online-Händlern schon für rund 300 Euro je 25-Stück-Packung angeboten werden, wobei eine Abgabe an Privatpersonen laut der Hamburger Sozial- und Gesundheitsbehörde aber nicht zulässig ist. „Die Nachfrage steigt massiv, wir planen noch für dieses Jahr den Aufbau einer zweiten Produktionsstätte in Hamburg“, sagt MEDsan-Chef Thomas Wüstefeld.
Centogene hat mit Corona-Schnelltests am Hamburger Flughafen begonnen
Aktuell habe die Firma weltweit 460 Beschäftigte, davon 80 in Hamburg. Es sei jedoch vorgesehen, diese Zahl auf 200 zu erhöhen. Bis zur erneuten Einstellung der Kreuzfahrten habe MEDsan unter anderem den Touristikkonzern TUI mit Tests beliefert, so Wüstefeld. „Wir sind aber auch mit anderen Kreuzfahrtunternehmen im Gespräch.“ Insgesamt hat MEDsan früheren Angaben zufolge Anfragen für die Lieferung von bis zu 400 Millionen Tests erhalten.
Ein anderer Hersteller aus dem Norden hat am Donnerstag mit Schnelltests am Hamburger Flughafen begonnen: Die Rostocker Firma Centogene, die bereits seit August ein Testzentrum im Terminal 1 betreibt, verspricht nun ein Ergebnis innerhalb von 75 Minuten. Für Passagiere bestimmter Lufthansa-Flüge auf der Strecke nach München ist dies kostenlos, sonst liegt der Preis bei 79 Euro.
Eines der beiden Testverfahren ist schneller, das andere zuverlässiger
Grundsätzlich sind inzwischen zwei unterschiedliche Verfahren des Covid-19-Nachweises auf dem Markt. Das ältere der beiden ist der PCR-Test. Dabei wird nach einem Nasen- oder Rachenabstrich „das Erbmaterial der Viren so stark vervielfältigt, dass es nachgewiesen werden kann, auch wenn es nur in geringen Mengen vorkommt“, wie das Bundesgesundheitsministerium erklärt. Das Verfahren nehme etwa vier bis fünf Stunden in Anspruch, zuzüglich der Transportzeit ins Labor und oft einer Wartezeit „wegen eines hohen Probeaufkommens“.
Corona-Krise: Hamburg ändert die Strategie
Im Gegensatz dazu liefert die neuere Antigen-Methode schon nach weniger als 30 Minuten ein Resultat. Sie ist damit besonders geeignet, wenn gleich vor Ort ein Befund vorliegen muss, etwa bei Flugpassagieren oder Klinik- und Seniorenheimbesuchern. Außerdem sind die Kosten geringer. Dafür ist das Antigen-Verfahren weniger zuverlässig. Insbesondere muss ein positives Resultat mittels PCR bestätigt werden.
Aus diesem Grund ist der seit Donnerstag von Centogene am Hamburger Flughafen angebotene Test eine Kombination beider Methoden – es erfolgen daher zwei Abstriche. Die Rostocker Biotechnologiefirma, die auch an den Airports in Frankfurt, Düsseldorf und Berlin derartige Zentren betreibt, erwartet sich aus den kommerziellen Tests ein „starkes Umsatzwachstum“: Nachdem man im ersten Halbjahr über alle Sparten hinweg Erlöse von knapp 22 Millionen Euro erzielte, sollen es im Gesamtjahr schon mehr als 60 Millionen Euro sein.
Pharmagiganten aus den USA und aus der Schweiz geben den Ton an
Weltweit handelt es sich allerdings um einen Milliardenmarkt, in den längst auch Pharma- und Medizintechnikgiganten eingestiegen sind. So erzielte das US-Unternehmen Abbott Laboratories allein im dritten Quartal mit Covid-19-Tests einen Umsatz von 746 Millionen Euro, der Baseler Konzern Roche konnte die Erlöse seiner „Diagnostics“-Sparte zwischen Juli und September nicht zuletzt wegen des boomenden Geschäfts mit den Corona-Test um 351 Millionen Franken (325 Millionen Euro) steigern.
Wie sicher sind Corona-Schnelltests?
„Konzerne wie Roche, Abbott oder Siemens Healthineers sind auf dem Markt für Corona-Tests ganz klar im Vorteil, weil ihre Analysemaschinen ohnehin schon in Großlaboren stehen und einen sehr hohen Durchsatz ermöglichen“, sagt Ulrich Huwald, Pharma-Analyst bei Warburg Research. „Zwar mussten Unternehmen, die inzwischen Corona-Tests anbieten, durch die Pandemie wegen aufgeschobener Behandlungen in vielen Fällen Einbußen in anderen Bereichen – etwa in der Krebs-Diagnostik – hinnehmen. Aber zumindest die PCR-Tests, die schon etwas länger auf dem Markt sind als das Antigen-Verfahren, versprechen gute Gewinnmargen.“
Andererseits hätten im Segment der Tests, die direkt vor Ort ausgewertet werden, auch kleinere Anbieter, die zügig ein Produkt entwickeln konnten, „eine gute Chance“. Dazu gehört unter anderem das im MDAX enthaltene Unternehmen Qiagen aus Hilden bei Düsseldorf. Die Konkurrenz ist allerdings enorm groß: Eine vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebene Liste enthält aktuell mehr als 130 Produkte – allein für das Antigen-Verfahren. 66 davon stammen aus China, neun der Tests werden in Deutschland über Importfirmen mit Sitz in Hamburg vertrieben.
Streit um den Verkauf von Test-Sets über Amazon
Sind also genügend Schnelltests verfügbar, um zum Beispiel die Luftfahrtbranche in großem Stil damit beliefern zu können, wie Iata-Chef Alexandre de Juniac sich das vorstellt? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht das offenbar nicht so. Er will die neuen Antigen-Tests zunächst zum Schutz von besonders gefährdeten Personen, etwa in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, einsetzen: „Am Anfang haben wir nicht für alle alles.“ Auch MEDsan-Chef Wüstefeld sagt: „Wir beliefern bevorzugt systemrelevante Einrichtungen wie Kliniken.“ Mit Blick auf die Begehrlichkeiten von Unternehmenskunden fügt er aber an: „Wir müssen natürlich auch die Wirtschaft am Leben erhalten.“
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Einen ähnlichen Spagat versucht auch Centogene. Nach Angaben von Volkmar Weckesser, Manager der Rostocker Firma, produziert man sogar die Plastikstäbchen für die Abstriche in Eigenregie, um nicht durch Zukäufe zu einer Knappheit bei Tests in medizinisch notwendigen Fällen beizutragen. Doch im Oktober sorgte ausgerechnet Centogene für Aufregung bei Ärzten und Apothekern, weil Tests dieses Herstellers über Amazon auch an Privatpersonen verkauft werden.
Dafür gab es eine Abmahnung der Wettbewerbszentrale. Centogene sieht sich jedoch im Recht, denn bei dem Produkt handele es sich nicht um einen Test zur Selbstanwendung; Käufer müssten die Probe nach dem Rachenabstrich an einen Laborpartner senden. Laut Gesundheitsbehörde ist aber schon der Verkauf von Corona-Tests an Privatpersonen „unzulässig“. Auch die Anwendung darf nach bisheriger Rechtslage nur durch medizinisches Fachpersonal erfolgen.
Schon bald soll ein Speicheltest anstelle des Rachenabstrichs genügen
In Hamburg gibt es für Personen, die keine Covid-19-Symptome haben, zwar außer dem Testzentrum am Flughafen ein weiteres am Hauptbahnhof. Es ist jedoch für Reiserückkehrer aus Risikogebieten gedacht sowie für Menschen, deren Corona-Warn-App Alarm schlägt. Außerdem bietet das Rote Kreuz Corona-Tests nach Terminvereinbarung an, die Kosten liegen hier bei 93 Euro.
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Zumindest die Entnahme der Probe soll bald einfacher und angenehmer werden, wie MEDsan-Chef Wüstefeld sagt: „Wir arbeiten fieberhaft daran, anstatt des Rachen- oder Nasenabstrichs mit einer Speichelprobe auszukommen.“
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