Hamburg. Gruppe von Wissenschaftlern fordert in offenem Brief Präsenzveranstaltungen – Präsident Lenzen weist Kritik züruck.
“So viel Präsenzlehre wie möglich, so viele digitale Veranstaltungen wie nötig“ – diese Losung hatte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) für das Wintersemester an den Hochschulen der Hansestadt ausgegeben. Doch an der Universität Hamburg werden Vorlesungen und Seminare bis auf Weiteres ausschließlich digital stattfinden, wie Hochschulpräsident Dieter Lenzen angeordnet hat. Nur Labor- und Schulpraktika sowie schon festgelegte Klausuren dürfen unter Hygiene- und Schutzmaßnahmen stattfinden.
Die aktuellen Entwicklungen zur Covid-19-Pandemie im Norden lesen Sie in unserem täglichen Corona-Newsblog.
Uni-Lehrende fordern: Seminare und Vorlesungen trotz Corona
Dagegen regt sich nun Protest: Die Vorgabe sei „äußerst kurzfristig und ohne Notwendigkeit“ erteilt worden, kritisieren 31 Lehrende von Hamburgs größter Hochschule – unter ihnen mehrere Professorinnen und Professoren – von fünf Fakultäten. In einem offenen Brief fordern sie das Uni-Präsidium dazu auf, die geplanten Präsenzveranstaltungen „im vollen Umfang“ zu ermöglichen.
„Solange Präsenzlehre an Hochschulen gemäß der Hamburger Sars-CoV-2-Eindämmungsverordnung rechtlich zulässig ist, muss die Entscheidung über die Abhaltung von Präsenzveranstaltungen den Lehrenden überlassen bleiben“, erklären die Unterzeichner. „Dies gebietet schon das Grundrecht der Freiheit der Lehre.“
Begegnungen als „das beste Mittel gegen Vereinsamung“
In den vergangenen Monaten sei viel Arbeit investiert worden, um Hygienekonzepte für die Präsenzlehre zu entwickeln, damit sich der nötige Mindestabstand gewährleisten lasse und überall Kontaktdaten erfasst werden könnten. „So sind für Seminare mit 20 bis 30 Teilnehmern Hörsäle mit mehreren Hundert Sitzplätzen beplant worden“, heißt es in dem offenen Brief an das Uni-Präsidium. „Ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Pandemie besteht in der sorgfältigen Realisierung von Lehre in Präsenz, von Lernen und Begegnung in den Hochschulen.“
Lesen Sie auch:
- Der Corona-Newsblog für Norddeutschland am Mittwoch, 4. November
- „Große Sorge um den Wissenschaftsstandort“
- Hamburgs Zentrum für künstliche Intelligenz wächst
Begegnungen seien „das beste Mittel gegen Vereinsamung, Frustration und Stress“, erklären die Unterzeichner. „Wer die Gefährlichkeit der aktuellen Krise ernst nimmt, fördert die wissenschaftliche Arbeit in den Hamburger Hochschulen.“ Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, haben die Initiatoren eine Online-Petition gestartet, die am Mittwochvormittag allerdings erst 121 Unterstützer hatte.
Uni-Chef Lenzen verteidigt seine Entscheidung
Dieter Lenzen verwies am Mittwochnachmittag auf die jüngste Version der Hamburger Eindämmungsverordnung vom 2. November. Demnach müsse Präsenzlehre nur erfolgen, „soweit die jeweilige Lehrveranstaltung eine gemeinsame Anwesenheit von Studierenden und Lehrenden zwingend erfordert“. Diese Bedingung sei "nur in einer begrenzten und deshalb erlaubten Zahl von Lehrveranstaltungen gegeben", etwa in Laboren, erklärte Lenzen. "Einen darüber hinaus gehenden Ermessensspielraum gibt es bisher nicht."
Alleine steht Lenzen mit seiner Entscheidung nicht: Auch an der HafenCity Universität soll die Lehre im November fast ausschließlich digital stattfinden. Dagegen bieten die HAW Hamburg, die TU Hamburg in Harburg, die Hochschule für Musik und Theater sowie die Hochschule für bildende Künste in einem reduziertem Umfang weiterhin Präsenzlehre an.
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sagte auf Anfrage, es sei mit Blick auf das Infektionsgeschehen "nachvollziehbar, dass die Universität Hamburg und die HafenCity Universität nun reagiert haben und weit überwiegend auf digitale Lehre setzen". Das stehe nicht im Widerspruch zu der Losung, im Wintersemester so viel Präsenzlehre wie möglich anzubieten. "Wir haben immer gesagt, dass die Hochschulen flexibel auf das Infektionsgeschehen reagieren müssen", sagte Fegebank.