Hamburg. Der Verein Aric hat schon 800 Unterstützer und Profiteure. An der Einbindung der Gesellschaft hapert es allerdings noch.

Wer einen Rückstand aufholen will, muss sich was trauen. Deshalb versucht es Alois Krtil gar nicht erst mit Zurückhaltung, wenn er über Hamburgs erstes Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz (KI) spricht. „Jede Firma, die mit KI nicht weiterkommt, kann bei uns anrufen – wir wetten darauf, dass wir sie näher zu einer Lösung bringen werden“, sagt der Geschäftsführer des Artificial Intelligence Center Hamburg (Aric), das Wirtschaft und Forschung verknüpfen will. Der vor einem Jahr gegründete Verein hat seinen Sitz in dem extravaganten Bürogebäude Docklands an der Elbe, das wie ein Schiffsbug 40 Meter weit über das Wasser ragt.

Ein Zeichen setzen wollen Krtil und sein Team heute auch auf dem „KI Summit Hamburg“, einer Konferenz unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), die Aric mit der Handelskammer und dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum organisiert hat. Der Digitalgipfel soll veranschaulichen, wie Unternehmen mithilfe „schlauer“ Algorithmen (Rechenanweisungen) große Datenmengen besser nutzen können, etwa für ihre Produktion und Logistik. Wegen Corona werden sich die Teilnehmer online begrüßen.

Corona-Pandemie hat Aric nicht daran gehindert zu wachsen

Die Pandemie hat Aric nicht daran gehindert zu wachsen. Gestartet war der Verein im Oktober 2019 mit zehn Gründungsmitgliedern, unter ihnen der IT-Dienstleister Industry Solutions der Lufthansa, die mittelständische Kommunikationsagentur Pilot Hamburg und das Start-up Zapliance. Aufseiten der Wissenschaft gingen die Initiative „Ahoi Digital“ mit Uni Hamburg, HAW, TU Hamburg und HafenCity Uni sowie die private Nordakademie mit an Bord.

Die Wirtschaftsbehörde unterstützt den Verein zunächst zwei Jahre lang mit 800.000 Euro. Inzwischen hat Aric 30 Mitglieder. Durch deren Beiträge erhöhe sich das Gesamtbudget bis Herbst 2021 auf mehr als eine Million Euro, sagt Alois Krtil. Statt anfangs fünf seien nunmehr 15 feste Mitarbeiter für Aric im Dienst, wobei sich der Verein drei Stellen mit Firmen teilt. Stolz verweist Krtil darauf, dass Aric schon gut 800 Unterstützer und Profiteure – darunter 250 Hochschulvertreter – um sich schare, etwa Silke Grimm, Finanzvorstand der Euler-Hermes Versicherung, Susan Wegner, KI-Expertin bei Industry Solutions, Tobias Schlottke, Mitgründer der Digitalkonferenz Online Marketing Rockstars, und Prof. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

Dass solche Akteure für KI in Hamburg an einem Strang ziehen, daran haperte es früher: „Wir sind nicht so vernetzt, wie wir es sein müssten“, hatte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) vor einem Jahr geklagt. Bernd Appel von Industry Solutions hatte erklärt, in puncto KI gebe es hier zwar ein „Riesenpotenzial“, aber im Vergleich mit Standorten wie München und Berlin müsse Hamburg „nachlegen“.

Der KI-Verein bietet kostenlose Workshops an

Glaubt man dem Hamburger Investor Stephan Uhrenbacher, so ist die Hansestadt dank Aric nun besser aufgestellt. „Ich bin begeistert, was der Verein macht“, sagt Uhrenbacher, der das Reiseportal Travelchannel.de und den Bewertungsdienst Qype gründete und sich als Mentor in Oxford und Toronto für Start-ups engagiert. Er fungiert als einer von 50 Aric-„Botschaftern“. Uhrenbach zufolge kann Aric einerseits Start-ups mit KI-Experten und Kunden zusammenbringen und andererseits etablierten Firmen helfen, die keine Erfahrung mit oder Vorbehalte gegenüber KI haben.

Vorbehalte gegenüber KI gibt es nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Gesellschaft. Nicht wenige befürchten, dass KI den Menschen an vielen Stellen ersetzen könnte. Durch KI unterstützte Verfahren finden Anwendung etwa in der Logistik, in Suchmaschinen, bei der Sprach- und Bilderkennung und in Navigationssystemen, sie sind beteiligt, wenn Onlineportale die Vorlieben der Kunden auswerten. Zunehmend wird KI in der medizinischen Diagnostik eingesetzt.

Kritische Auseinandersetzung mit KI

Sorgen wolle das Aric nicht ausblenden, sagt Alois Krtil. Eine auch kritische Auseinandersetzung mit KI für interessierte Laien finde etwa in einer Vortragsreihe statt, die das Aric mit dem Event-Portal „12min.me“ organisiert. Ratschläge für KI-Einsteiger in Firmen biete der Verein in kostenlosen Online-Workshops, etwa am 12. November mit Prof. Nick Gehrke von der Nordakademie.

Schon 52-mal hat das Aric dienstags und donnerstags zur Mittagszeit kurze Vorträge („Brown Bag Sessions“) organisiert, in denen Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über KI sprachen. Allein die Ankündigungen dieser Vorträge sind aber so fachlich formuliert, dass sich interessierte Laien kaum angesprochen fühlen können. Auf der Aric-Internetseite (aric-hamburg.de) dominiert Wirtschaftssprache.

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Zum Start des Aric hatte Westhagemann betont, dem KI-Verein sei es ganz wichtig, die Gesellschaft einzubeziehen. Bislang ist aber immer noch keine nicht-wissenschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Institution Aric-Mitglied. Auch das zeigt: Um mit jedermann ins Gespräch zu kommen, wird sich das Aric auf künstliche Intelligenz nicht verlassen können.