Hamburg. Hamburg hat nur die Hälfte des im April zugesagten Personals. An Lehrer verteilte Visiere gelten nun als unsicher.
Die Hamburger Gesundheitsämter sind für die Eindämmung der Corona-Pandemie immer noch schlechter ausgestattet, als bereits im April mit der Bundeskanzlerin vereinbart. Das hat die Sozialbehörde auf Abendblatt-Anfrage eingeräumt. Bereits Mitte April hatten die Länderchefs mit der Bundeskanzlerin vereinbart, dass in den zur Infektionsbekämpfung extrem wichtigen Ämtern „erhebliche zusätzliche Personalkapazitäten geschaffen“ werden sollten und zwar „mindestens ein Team von fünf Personen pro 20.000 Einwohner“.
In Hamburg müssten demnach 475 Vollzeitkräfte in den Gesundheitsämtern durch Kontaktverfolgung und Quarantäne-Anordnungen für eine Eindämmung der Pandemie sorgen. Tatsächlich aber waren zuletzt nur rund 240 Vollzeitstellen in den Gesundheitsämtern der sieben Bezirke besetzt – also nur etwa die Hälfte des zugesagten Personals. Das zeigt eine Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Gesundheitspolitikers Stephan Gamm von Ende September.
Offenbar ist das aktuelle Personal nicht ausreichend
Woran es liegt, dass Hamburg seine Verabredung mit dem Bund auch nach einem halben Jahr noch nicht einhält, teilte die Sozialbehörde nicht mit. „Der Personalaufbau der Gesundheitsämter erfolgt natürlich kontinuierlich“, sagte Sozialbehördensprecher Martin Helfrich. „Von der Zielzahl von 475 Vollkräften hatte Hamburg im September bereits die Hälfte erreicht. Der Personalaufbau seitdem ist bereits weiter fortgeschritten.“ Ausschreibungen und Auswahlverfahren liefen kontinuierlich. Außerdem würden Hilfskräfte unter Medizinstudierenden gesucht, so Helfrich. „Bei Bedarf können die Bezirksämter weitere Personalreserven akquirieren.“
Offenbar ist man mit dem aktuellen Personal nicht in der Lage, alle Aufgaben allein zu erledigen. Deswegen werden schon jetzt Bundeswehrkräfte zur Pandemiebekämpfung in Hamburg eingesetzt. „So arbeitet beispielsweise ein Kontingent der Bundeswehr in Amtshilfe bei der Zuordnung von Aussteigerkarten, der Erfassung im Pandemie-Manager sowie der telefonischen Kontaktnachverfolgung mit“, sagte Behördensprecher Helfrich. „Je nach Entwicklung der Situation sind wir auf eine flexible Planung und gegebenenfalls auch weitere Unterstützungskräfte angewiesen.“
Stärksten Zuwachs von Neuinfektionen seit dem 9. April
Dass die Entwicklung derzeit in eine falsche Richtung geht, zeigten auch die neuen Zahlen vom Freitag. Mit 145 Neuinfektionen meldete die Behörde den stärksten Zuwachs seit dem 9. April. Die 7-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche) stieg auf 39,5. Sollte dieser Wert auch am Sonnabend über 35 liegen, wird es von kommender Woche an zu weiteren Einschränkungen kommen – etwa zu einer Maskenpflicht auf stark besuchten Plätzen oder Straßen. Das hatte der Senat bereits am Donnerstag mitgeteilt.
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Künftig soll es bereits bei einer Inzidenz von 35 oder mehr an drei Tagen in Folge neue Maßnahmen geben. So will der Senat verhindern, dass die Grenze von 50 überschritten wird, wonach es wohl flächendeckende Einschränkungen geben müsste. Auch die Zahl der Klinikpatienten ist zuletzt gestiegen. Am Freitag wurden 52 Hamburgerinnen und Hamburger wegen einer Covid-19-Erkrankung in Kliniken behandelt, zehn davon auf Intensivstationen. Eine Woche zuvor waren es noch 31 gewesen. Zusätzlich liegen aktuell acht auswärtige Corona-Patienten in Hamburger Krankenhäusern, zwei davon auf Intensivstationen.
Senat sorgt für Verunsicherung
Für Verunsicherung sorgte derweil die Ankündigung des Senats vom Donnerstag, dass die nach unten offenen Visiere nicht mehr als ausreichender Schutz anerkannt werden, wenn die Inzidenz weiter bei 35 oder mehr liegt. Denn vor gut zwei Monaten hatte die Schulbehörde diese Visiere noch in hoher Zahl an Hamburger Lehrerinnen und Lehrer verteilt und ihren Gebrauch empfohlen.
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„Lehrkräfte können auch im Unterricht Masken tragen, die Schulbehörde empfiehlt hier transparente Visiere“, schrieb die Behörde von Schulsenator Ties Rabe (SPD) am 3. August kurz vor Ferienende in einer Pressemitteilung. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte laut Medienberichten schon vorher darauf hingewiesen, dass solche Visiere nicht als gleichwertige Alternative zur Mund-Nasen-Bedeckungen angesehen werden könnten. Es war seinerzeit bereits bekannt, dass sich das Virus auch über Aerosole übertragen kann – und dagegen schützen die nach unten offenen Visiere weniger als geschlossene Masken.
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Gleichwohl schrieb die Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage: „Zum Zeitpunkt der Anschaffung galten Visiere noch als adäquate Methode zum Schutz vor Coronaviren.“ Gegenüber den Schulen habe man „immer darauf hingewiesen, dass die Maskenpflicht sich auf die Mund-Nasen-Bedeckung bezieht und das Visier nur ergänzend ist“. Die Visiere seien eine zusätzliche Schutzmaßnahme und auch so bezeichnet worden. Die Erkenntnis, dass Visiere nicht ausreichend schützen, werde nun „im Muster-Corona-Hygieneplan entsprechend nachvollzogen“. Zum bestmöglichen Schutz könne gehören, „dass Beschäftigte eine MNB mit einem Visier kombinieren, wenn die Person einen besonderen Schutzbedarf für sich sieht“, so die Behörde.
Insgesamt hatte die Schulbehörde zum Schulbeginn nach eigenen Angaben 30.000 Visiere an Lehrkräfte verteilt, die Kosten für die Beschaffung hätten bei 35.000 Euro gelegen.