Hamburg. Aus für Bremer Jahrmarkt: Vom Dom bekannter Süßwarenstand muss erneut schließen. Düstere Prognose für die Branche.
Ursprünglich sollte diese Geschichte damit beginnen, dass bei Schaustellerfamilie Veldkamp wieder Normalität einkehrt und dass sie nach Monaten der Schließung nun endlich wieder gebrannte Mandeln, Schokobananen und andere Süßwaren verkaufen kann. Doch stattdessen beginnt die Geschichte nun damit, dass alles wieder von vorn losgeht.
Das normale Leben mit einem normalen Arbeitsalltag hat genau sechs Tage gehalten. So lange konnte die norddeutsche Schaustellerfamilie auf dem Bremer Freipark, der kleineren Variante des Freimarktes, ihren Stand öffnen. Doch seit Mittwochnachmittag steht fest: Wegen steigender Corona-Zahlen muss der Markt wieder schließen. Und so musste Veldkamp gestern den gerade erst geöffneten Stand wieder zumachen. Klappe runter, sauber machen, gerade zubereitete Speisen entsorgen. „Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Und ich weiß nicht, wie es nun weitergehen soll.“
Laufende Kosten
Eben noch hatte der 32-Jährige stolz davon erzählt, dass das Hygienekonzept prima klappe, und überhaupt, dass sich Volksfeste und Sicherheit nicht ausschließen. Und jetzt das. Bis zum Freipaak hatten Veldkamp und seine Familie zuletzt am 30. Dezember 2019 auf dem Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg Geld verdient. Danach sollte – wie in jedem Jahr – eine Winterpause bis zum Frühlingsdom folgen.
Doch aus dem Frühlingsdom wurde bekanntermaßen nichts und aus allen anderen Volksfesten auch nicht. Auf der Einnahmeseite stand seitdem eine Null. Auf der Ausgabenseite leider nicht. „Wir hatten im vergangenen Jahr einen Kredit aufgenommen für den Bau einer neuen Lagerhalle für unsere Verkaufsgeschäfte. Die Fahrzeuge müssen außerdem instand gehalten werden, Reparaturen waren nötig. Ein Fuhrpark braucht Pflege, damit er einsetzbar ist.“
Viele Schausteller haben sich ehrenamtlich engagiert
Seit dem Lockdown hangelte sich die Familie von Monat zu Monat, hoffte immer darauf, dass Volksfeste, wenn auch in kleinerer Form, doch noch stattfinden können. „Um uns herum durften gefühlt alle öffnen, auf den Flaniermeilen wurde es voll, die Restaurants waren wieder gut besucht, aber wir mussten weiter schließen.“ Irgendwann sei ihm klar gewesen, dass sie womöglich zu den den Letzten gehörten, die wieder öffnen könnten. „Die Perspektivlosigkeit war schon schlimm“, erzählt er. Um zumindest kleinere Einnahmen erzielen zu können, investierte er in einen kleineren Standwagen, den er vor einem Supermarkt im Bremer Umland aufstellen konnte. „Es ging uns vor allen Dingen auch darum, ein Zeichen zu setzen, dass wir noch da sind.“ Der Gang zum Arbeitsamt sei für ihn nie infrage gekommen. „So sind wir Schausteller nicht. Wir wollen anpacken und etwas machen. Hartz IV war keine Option.“
So wie ihm ging es vielen Schaustellern. „Viele von uns haben sich ehrenamtlich engagiert. Wir haben zum Beispiel mit unserer historischen Drehorgel Konzerte vor Seniorenheimen gegeben, haben Container als Teststationen zur Verfügung gestellt und vieles mehr. Aber auf Dauer muss man natürlich schauen, dass trotzdem irgendwie auch Geld reinkommt.“
Düstere Prognose
Ein Thema, das spätestens seit Mittwoch wieder bedrohlich im Raum steht. Woher sollen die Einnahmen kommen? Wenn schon das Volksfest in Bremen abgesagt wird, was heißt das dann für den Winterdom in Hamburg, der unter Corona-Bedingungen stattfinden sollte? Worauf kann man sich noch verlassen?
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Auf Dauer würde es unter diesen Bedingungen nicht für die Familie reichen. „Wenn es 2021 nicht wieder normal weitergehen kann, dann wird es 70 bis 80 Prozent der Schausteller nicht mehr geben“, glaubt Veldkamp. Schon jetzt hätten einige umgesattelt oder seien zu ursprünglich gelernten Berufen zurückgekehrt. „Schausteller können anpacken und sind sich für keine Arbeit zu schade. Nur abzuwarten und abhängig zu sein, das können wir schlecht aushalten.“
Möglicherweise muss er aber noch eine Weile abwarten. Planungssicherheit gibt es angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen keine, das weiß auch Veldkamp. „Das nächste Volksfest im Kalender wäre für uns der Winterdom in Hamburg. Stand jetzt wird er stattfinden, aber daran glaube ich erst, wenn wir unseren Stand dort aufgebaut haben.“
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Aber daran mag er im Moment eigentlich gar nicht denken. Gerade genoss er es einfach, dass wieder Mandeln über den Tresen gegangen sind, dass für kurze Zeit Alltag eingekehrt war. Auch für die drei ältern Kinder, für die der Budenzauber wie ein zweites Wohnzimmer ist. Nur für die jüngste Tochter Jona (1) ist das alles noch neu. Sie ist durch Corona bisher nicht mit der Jahrmarkt-Geräuschkulisse aufgewachsen. „Während die anderen am besten schlafen, wenn es draußen laut ist, muss sie sich noch daran gewöhnen. Und ich hoffe, dass es dazu noch viele Jahre Gelegenheiten geben wird“, so der Familienvater. „Aber so, wie es gerade aussieht, wird es wohl erst mal wieder leise bleiben.“