Hamburg. Schausteller sind besonders von Corona-Maßnahmen betroffen. Nun können sie ihre Ware auf öffentlichen Plätzen anbieten. Hilft das?
Wäre dies ein ganz normales Jahr, dann würde Sonja Stey gerade mit ihrer Süßwarenbude auf dem Heiligengeistfeld stehen. Doch in Corona-Zeiten ist alles anders, der Sommerdom - wie so viele Veranstaltungen – ist ausgefallen. Seit Montag bieten Stey und drei weitere Schaustellerkollegen darum Schmalzkuchen, Mandeln und Karussellfahrt auf dem Harburger Rathausplatz an. Sechs weitere Buden wurden am Lüneburger Tor und in der Bremer Straße aufgestellt. Dafür hat das Bezirksamt Harburg eine Sondergenehmigung erteilt.
„Dies ist eine Corona ausgleichende Maßnahme, denn unter normalen Umständen werden Verkaufswagen auf öffentlichen Wegeflächen grundsätzlich nur im Rahmen von Veranstaltungen genehmigt“, sagt Bezirksamtssprecher Dennis Imhäuser. Schausteller gehören aktuell zu einer besonders existenzgefährdeten Branche. Daher hätten die Senatoren der Finanz- und Wirtschaftsbehörden zusammen mit Bezirksamtsleitungen weitere Hilfsmaßnahmen vereinbart, so Imhäuser.
Tragfähig ist die Situation für Schausteller nicht
Am Harburger Rathausplatz konnten sich die Schausteller auf Antrag von der Sondernutzungsgebühr befreien lassen, sie müssen nur die Energiekosten übernehmen, wie Sonja Stey erzählt. „Das ist jetzt eine gute Lösung“, sagt sie. Tragfähig ist die Situation aber eigentlich nicht mehr. Ihre gesamte Familie ist mit zwei eigenen Betrieben im Raum Hamburg und Niedersachsen tätig, die letzten Einnahmen konnten sie im Dezember 2019 auf dem Winterdom und dem Harburger Weihnachtsmarkt erzielen.
Als die Corona-Maßnahmen in Hamburg begannen, hatten viele Schausteller – wie Familie Stey – schon drei Monate reguläre Saisonpause überbrückt. „Die Reserven waren schon am Limit“, sagt die 53-Jährige aus Fischbek. Frühlingsdom, Hafengeburtstag, Altonale und das Ahrensburger Stadtfest sind nur ein paar der Veranstaltungen, die für sie und andere Schausteller seitdem ersatzlos ausgefallen sind. Hinzu kämen fortlaufende Kosten, wie etwa die Leasingraten für Transportfahrzeuge.
Stützen konnte sich Familie Stey auf Soforthilfen, die für ihre in Niedersachsen ansässigen Betriebe Anfang April ausgezahlt wurden. Die Zahlungen waren für einen Zeitraum von drei Monaten (März, April, Mai) vorgesehen. Haushalten mussten sie damit aber auch noch im Juni und Juli, erst seit dem 3. August können sie nun auf dem Rathausplatz wieder ihre Waren anbieten.
Hamburg: Knapp 80 Schausteller bauen Buden in der Stadt auf
In ganz Hamburg stehen inzwischen knapp 80 Schausteller mit ihren Buden auf öffentlichen Plätzen, gerade am Freitag kam mit der Hafenmeile ein neuer Standort hinzu. „Das ist eine Notlösung, absolut. Das hilft nur bedingt weiter“, sagt Robert Kirchhecker, 1. Vorsitzender des Hamburger Schaustellerverbandes. Zwar sollen die Buden auf der Hafenmeile ins Auge fallen, doch „es soll keine Art von Volksfest sein, es ist wirklich nur ein kleiner Ausgleich, den uns die Stadt Hamburg glücklicherweise ermöglicht hat. Dafür sind wir auch sehr dankbar“, so Kirchhecker. Die Genehmigung zum Aufstellen ist dabei befristet, der Zeitraum variiert je nach Bezirk – in Mitte überwiegend bis zum 31. Oktober.
Wie es danach weitergeht, hängt auch davon ab, ob der Winterdom vom 6. November bis zum 6. Dezember stattfinden kann. „Wir wollen ganz klar den Hamburger Dom in seiner alten Form zurück. Das hier soll kein Modell werden für die Zukunft“, sagt Kirchhecker. Aktuell wäre für das Fest eine Personenbegrenzung mit Akkreditierung und festgelegten Aufenthaltszeiten auf dem Heiligengeistfeld denkbar, so der Schaustellervertreter. Doch man müsse darauf achten, dass Aufbau und Umsetzung eines Doms mit Hygieneauflagen für die Schausteller wirtschaftlich vertretbar bleiben.
Lüneburg: Schausteller stehen seit Mitte Juni auf öffentlichen Plätzen
Auf den Winterdom hoffen auch Schausteller aus Lüneburg. Während ihre Hamburger Kollegen erst seit etwa zwei Wochen auf öffentlichen Plätzen stehen, haben sie bereits Mitte Juni mit dem Aufbau in ihrem Stadtgebiet begonnen. In den ersten fünf Wochen waren die Einnahmen dabei nicht für alle Kollegen kostendeckend, berichtet Benno Fabricius, 1. Vorsitzender des dortigen Schaustellerverbandes. Daher musste ein Standort wieder aufgegeben werden.
Aktuell arbeiten in der Lüneburger Innenstadt acht Kollegen Am Sande und vor der St. Johanniskirche. Hier erfahren die Schausteller auch Unterstützung aus der Bevölkerung: der Platz vor der Kirche etwa werde privat vom Kirchenverband zur Verfügung gestellt. „Die Kundschaft weiß um unsere Nöte“, sagt Fabricius, viele seien sehr großzügig. Das sei aber natürlich kein Ersatz für Märkte wie das Stadt- oder Oktoberfest. In Lüneburg können Schausteller mit ihrem Sondernutzungsrecht bis zum 30. Dezember im Stadtgebiet stehen. Wenn die Weihnachtsmärkte stattfinden sollten, werde früher abgebaut, so Fabricius.
Schaustellerin aus Fischbek: "Wie lange funktioniert es so?"
Auch auf dem Harburger Rathausplatz läuft die Sondernutzungsgenehmigung bis Ende Dezember. Sollte der Weihnachtsmarkt hier stattfinden, würde auf dem Platz nur umgebaut, sagt Sonja Stey: „Alle Schausteller, die jetzt hier in Harburg stehen, sind auch seit Jahren Beschicker des Weihnachtsmarktes“.
Doch sollten die Weihnachtsmärkte nicht stattfinden, fragt sie sich: „Wie lange funktioniert es so?“ Die aktuelle Sondergenehmigung sei zwar eine Hilfe, aber kein Ausgleich für Großveranstaltungen. Stey erzählt auch von verunsicherten Kollegen, die sich fragen, ob sie überhaupt aufbauen sollten: „Inwieweit habe ich noch Anspruch auf Hilfen, wenn ich jetzt Einnahmen erziele?“
Wie es weitergeht, sei nicht nur in Hamburg und Niedersachsen für alle Beteiligten schwer einzuschätzen. „Das ist auch Glaskugellesen. Wir wissen alle nicht, was passiert, wenn die Leute aus dem Urlaub wiederkommen“, sagt Sonja Stey mit Blick auf die Infektionsraten. Aber die Hoffnung, dass es mit den Weihnachtsmärkten klappt, hat sie noch nicht aufgegeben.