Hamburg. Die meisten Kontaktdaten in Gästelisten sind unvollständig, unleserlich – oder frei erfunden. Falko Droßmann spricht von “Alarmsignal“.

Der Aufwand ist immens: Seit Montagmorgen überprüfen Mitarbeiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte Tausende Einträge in Kontaktlisten. Die Bögen mit den Angaben der Gäste hatte Falko Droßmann, Chef des Bezirksamts Hamburg-Mitte, bei seinem Kontrollgang in der Nacht zum Sonntag auf St. Pauli in versiegelten Umschlägen eingesammelt. Droßmann hatte, begleitet von einem Arzt seines Amtes und einem Polizeibeamten, massive Verstöße gegen Corona-Auflagen festgestellt. In manchen Bars wurde verbotenerweise getanzt, andere waren völlig überfüllt. Zwei Lokale ließ Droßmann sofort schließen.

Eine erste Zwischenbilanz der Auswertung von neun der insgesamt 18 Betriebe zeigt, dass auch bei den Gästelisten serienweise gegen Corona-Vorschriften verstoßen wird. Von 1493 eingetragenen Daten waren nur 478 leserlich, vollständig und korrekt. „Wenn sich nur jeder dritte Gast so einträgt, dass wir seine Kontaktdaten nachverfolgen können, ist das ein Alarmsignal“, sagte Droßmann dem Abendblatt: „Wir sind darauf angewiesen, dass wir die Gäste im Fall einer möglichen Infektion sehr schnell erreichen können.“

Corona-Kontaktlisten: "offensichtlich falsche Angaben nicht akzeptieren"

Die Mitarbeiter gleichen unter Wahrung des Datenschutzes – die Listen werden weder gespeichert noch an andere Behörden weitergegeben – die Angaben mit dem Melderegister ab. Bei manchen Einträgen erübrigt sich eine genauere Prüfung. Ein Scherzbold hatte sich als „Peter Pan, Wunderlandstraße“ registriert, andere hatten ihre Angaben wohl mit Bedacht unleserlich hingekritzelt.

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„Es enttäuscht mich sehr, dass so viele Gäste falsche Einträge machen. Damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt Droßmann. Er sieht auch die Gastronomen in der Pflicht: „Sie müssen dafür Sorge tragen, dass zumindest offensichtlich falsche Angaben nicht akzeptiert werden. Mit Betrieben, wo dies gehäuft vorgekommen ist, werden wir eindringlich reden.“ Als sehr effektiv erwiesen sich die aus Datenschutzgründen verbotenen offen einsehbaren Listen. Hier waren viel mehr Angaben korrekt – offenbar funktioniert die soziale Kontrolle.

Corona-Vorfall im Le Vou: Falsche Namen auch hier

Auch das digitale System über Einträge mit Smartphones über sogenannte QR-Codes hat seine Tücken. „Bislang hat uns nur ein Betrieb den Datensatz überspielen können. Drei andere Betriebe sagen uns, dass sie noch nicht abschätzen können, wann sie an die Datensätze kommen. Das geht so nicht“, sagt Droßmann. Für den Bezirksamtschef zeigt die Untersuchung, „dass wir innovative Konzepte für unser öffentliches Leben brauchen“. An der Entwicklung dieser Strategien arbeite sein Amt mit mehreren Experten.

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Auch bei dem jüngsten Corona-Vorfall in der Sisha-Bar Le Vou hat es Gäste gegeben, die falsche Namen angaben. „Manche Besucher nehmen ihre Verantwortung einfach nicht wahr“, sagt Stefanie von Berg, die Altonaer Bezirksamtsleiterin. Derzeit sind 16 Infektionen bekannt, die mit einem Besuch in der Bar in Zusammenhang stehen. Das Le Vou liegt wie auch die Bar „Katze“, in der es 13 Corona-Fälle gegeben hat, im Schanzenviertel. Während die „Katze“ nach Bekanntwerden der Infektionen geschlossen wurde, ist das beim Le Vou nicht der Fall. „Im Le Vou gibt es anders als in der Katze derzeit keine infizierten Mitarbeiter, deswegen wurde die Bar nicht geschlossen“, sagt die Bezirksamtsleiterin.

Weiterer Ausbruch im Schanzenviertel: Bisher 16 Coronafälle im Le Vou bekannt

Die ersten Hinweise auf die Shisha-Bar seien am Sonnabend im Gesundheitsamt Altona eingegangen: Zwei positiv auf Corona Getestete hätten dort angegeben, in der Bar an der Juliusstraße gewesen zu sein. Am Sonntag seien weitere Fälle dazugekommen. „Am Montag hat es dann weitere Ermittlungen gegeben“, so die Bezirksamtsleiterin. Ergebnis: Insgesamt 16 Erkrankte hatten sich in der Bar aufgehalten, 14 in der Nacht vom 11. zum 12. September (ab 22.30 Uhr), zwei in der darauffolgenden Nacht (ab 22 Uhr). Allein für den ersten Abend sind insgesamt 60 Barbesucher ermittelt worden. Für den zweiten Abend liegt noch keine Zahl vor.

Die Besucherlisten werden in der Bar nicht handschriftlich geführt, sondern mittels eines QR-Codes. Bei der Eingabe der Daten haben etwa zehn Prozent der Gäste geschummelt.

Bezirksamt ruft Le-Vou-Gäste auf, sich zu melden

Das Bezirksamt Altona bittet deshalb all diejenigen, die sich an den genannten Abenden in der Bar aufgehalten haben und noch nicht vom Gesundheitsamt angerufen worden sind, sich in Altona zu melden (Telefonnummer 040/42811-2000).

Die Bar an der Juliusstraße gibt es seit knapp acht Jahren, am 24. Oktober soll das gefeiert werden. Dort wird nicht nur geraucht. Auf der Facebookseite der Bar heißt es: „Bis 23 Uhr mit Shishas, danach Party“. Dem Bezirksamt liegen keine Hinweise vor, dass dort getanzt wurde. Das nämlich wäre verboten.