Hamburg. Beliebtes Lokal in der Altstadt muss nun die Terrasse räumen. Bezirke wollen Gastronomen bei Heizpilzen großzügig entgegenkommen.
Die herrlichen Spätsommertage können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es abends schon empfindlich kühl wird und die Gastronomie dadurch noch schwierigeren Zeiten entgegensieht. Denn sehr viele Gäste sitzen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus lieber draußen als drinnen. In die Diskussion um die Genehmigung von Heizstrahlern, die den Restaurantaufenthalt im Freien möglichst lange angenehm machen könnten, ist nun Bewegung gekommen.
Die für die Bezirke zuständige Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) hat erklärt, sie wolle Gaststätten mit Außengastronomie in den Wintermonaten mit großzügigen Bewilligungen entgegenkommen und auch die klimaschädlichen Heizpilze erlauben. „Wir nehmen die Nöte und Sorgen der Gastronomiebetriebe ernst, daher unterstützen wir eine hamburgweit einheitliche Lösung“, sagte Fegebank. Allerdings müsse man darauf achten, jetzt nicht die aktuelle Corona-Krise gegen die Klimakrise auszuspielen.
Viele Hamburger meiden die Innenbereiche der Gastronomiebetriebe
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Hamburg hat ihre Äußerung mit großem Wohlwollen aufgenommen. „Das ist eine sehr erfreuliche Aussage von Frau Fegebank“, sagte Dehoga-Präsident Franz J. Klein dem Abendblatt. „Jetzt muss schnell über Details entschieden werden.“ Er gehe davon aus, dass der Senat gemeinsam mit den Bezirken eine einheitliche Regelung treffen werde. „Unser Wunsch ist, dass das schnell und unbürokratisch umgesetzt wird“, sagte Klein. Nötig sei, dass nicht jede Heizquelle, die auf öffentlichem Grund aufgestellt werde, einzeln beantragt werden müsse, um den bürokratischen Aufwand für die Betriebe gering zu halten. Bislang müssen diese wie auch Tische und Stühle von den Bezirken genehmigt werden.
Bei vielen Hamburgern sehe man immer noch eine gewisse Zurückhaltung, in den Innenbereichen der Gastronomiebetriebe Platz zu nehmen, sagte Klein. „Und wir sehen in Hamburg allgemein einen Trend zur Außengastronomie.“ Bedenken, dass es gar nicht genügend Anbieter für Heizstrahler und Heizpilze geben könnte, hat der Dehoga-Präsident übrigens nicht. Das Angebot sei umfangreich, betont er.
Von Berg an Gastronomen: Lasst den Gassenverkauf!
Unterstützung erhielt der Dehoga auch von der CDU, die ebenfalls fordert, dass in allen Bezirken Heizpilze und Heizstrahler für öffentliche Flächen genehmigt werden. In einem Antrag, den die Fraktion in die Bürgerschaft eingebracht hat, wird der Senat aufgefordert, auf die Bezirke entsprechend einzuwirken.
Wolldecken als Alternative?
Fegebank hatte am Montag allerdings einschränkend gesagt: „Wenn alle anderen Möglichkeiten wie warme Decken und eine Jacke extra ausgeschöpft sein sollten, kann ich mir vorstellen, dass wir die Anträge der Gaststätten nach weiterer Außengastronomie in den Wintermonaten großzügig bewilligen – und dazu gehört auch die zeitlich begrenzte Möglichkeit Heizstrahler aufzustellen.“ Klar sei aber auch, das könne nur eine temporäre Lösung sein. Sie setze sich dafür ein, dass es eine Initiative gibt, das Aufstellen der klimaschädlichen Heizpilze vom Frühjahr an in Hamburg zu verbieten. Auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hatte gesagt, er könne sich eine vorübergehende Regelung vorstellen.
Ihre Parteifreunde im Bezirk Mitte lehnen diese dagegen grundsätzlich ab. Henrike Wehrkamp, Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bezirksfraktion, sagt: „Wir wünschen uns den Erhalt der Gastronomie in Hamburg-Mitte – auch über diesen Winter und die Pandemie hinaus. Aber dazu braucht es keine Heizstrahler und Heizpilze! Es gibt Alternativen, um den Betrieb der Außengastronomie zu gewährleisten. Alternativen, die schon seit Jahrhunderten genutzt werden und nachhaltig sind. Die Antwort lautet schlicht und einfach: Wolldecke.“ Viele Cafés und Restaurants böten sie bereits an, mehr sollten folgen. Gegen Zugluft und Wind könne mit einem Windschutz gearbeitet werden.
Laut Dehoga-Präsident Klein ist die Stimmung unter den Gastronomen wegen der Umsatzeinbußen in der Pandemie sehr schlecht, das habe eine Umfrage ergeben: „Bis zu 80 Prozent sehen in Hamburg ihre Existenz gefährdet. Die Stimmung ist sehr pessimistisch.“
Forderung von 80 Euro pro Tisch
Jan Blümel, Betreiber des Restaurants Schoppenhauer auf der Cremon-Insel in der Altstadt, würden auch Heizstrahler nicht viel helfen. Er kämpft nämlich im Moment gerade mit seinem Vermieter um den Bestand der kleinen Terrasse vor dem Lokal gegenüber der Speicherstadt. Er soll nach eigenen Angaben plötzlich 5760 Euro Jahresmiete für das Aufstellen von sechs Tischen bezahlen. „Dadurch, dass wir in einer kleinen Seitenstraße sind, werden viele Gäste erst durch diese Tische und Schirme auf das Restaurant aufmerksam“, sagt der 26-Jährige, der das alteingesessene Lokal in der Reimerstwiete erst im November 2019 übernommen hat.
Der gelernte Koch beschäftigt elf Mitarbeiter in dem historischen Gebäude. Sein Vater Jörg Blümel, der am Restaurant beteiligt ist, sagt, bei der Lokalübernahme hätten alle Genehmigungen vorgelegen, „aber zwischenzeitlich hat die Hausverwaltung gewechselt und es gab wohl in Teilen einen Eigentümerwechsel“.
Vor rund zwei Wochen seien zwei der Eigentümer mit der neuen Hausverwaltung auf sie zugekommen und hätten 80 Euro pro Tisch und Monat gefordert. Jörg Blümel fragt sich: „Wie kann man nur so gierig sein in diesen Zeiten? Dem Restaurant wird eine weitere Einnahmequelle genommen, wenn die Tische entfernt werden müssen.“ Man habe auf gütlichem Wege 20 Euro pro Tisch angeboten und sei bereit gewesen, 2000 Euro Jahresmiete zu bezahlen, doch das sei abgelehnt worden mit der Begründung, „dass es Beeinträchtigungen“ geben würde.
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„Es widerspricht sich natürlich schon, dass die Eigentümer zum einen eine hohe Miete fordern und akzeptieren, aber jetzt von Beeinträchtigung sprechen“, sagt Jörg Blümel. Beschwerden aus der Nachbarschaft habe es nie gegeben.
Die Vermieter wollten auf Anfrage zu dem Sachverhalt nicht Stellung nehmen. Jan Blümel wird nun notgedrungen machen, was sie verlangt haben, um weiteren Streit zu vermeiden: Er baut die Tische ab. Über Heizpilze muss er sich erst in zweiter Linie Gedanken machen.