Hamburg. Die Partys auf der Alster und den Kanälen ist eine Herausforderung für Jörg Ipsen und seine Kollegen – und schadet auch der Natur.

Kapitän Jörg Ipsen bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Auch nicht das Kanu, das in dem engen Kanal genau da am Ufer liegt, wo gleich beim Abbiegen das Heck der „Alsterwasser“ hin ausschwenken wird. Es ist die engste Stelle des Goldbekkanals, durch den wir auf unserer Alster-Kanalfahrt gerade fahren. Immer wieder streifen tief hängende Äste den Alsterdampfer, während dieser sich an Tretbooten und Stand-up-Paddling-Boards (kurz: SUPs) vorbeischiebt.

Was für die 40 Fahrgäste höchst romantisch ist, bedeutet für Ipsen höchste Konzentration. Und nun noch das Kanu. „Ich muss das mal kurz klären.“ Er greift zum Mikrofon und sagt: „An die beiden Damen auf den SUPs hinter mir: Bitte stehen bleiben, ich halte an.“ Dann erhebt er sich, tritt an die ohnehin offene Tür neben seinem Steuersitz und ruft den Kanuten zu: „Bitte drehen Sie um und lassen mich an einer breiteren Stelle vorbei. Sonst bringen Sie dem Verleiher nur Kleinholz zurück.“

Gut, dass die Stand-up-Paddlerinnen hinter der „Alsterwasser“ mit ihren Boards umgehen und sofort stoppen können. Und dass das Kanu gekonnt gewendet und an eine andere Stelle gelenkt wird. „Das hätte auch schiefgehen können“, sagt Ipsen, als wir weiterschippern. Viel zu viele Leute seien auf dem Wasser unterwegs, die SUP, Schlauchboot oder Kanu nicht beherrschten – und sich und andere dadurch in Gefahr brächten.

Warum Partys auf der Alster stattfinden

Darum soll es bei dieser Fahrt gehen: um die Frage, wie der Kapitän des Alsterdampfers und seine Kollegen den Trubel der vergangenen heißen Wochen auf dem Wasser erlebt haben. Und Ipsen, der täglich zwei Kanaltouren macht, hat viel zu erzählen.

Vorweg: Ein Alsterdampfer ist die „Alsterwasser“ eigentlich nicht, das hat Ipsen auch seinen Passagieren gleich am Anfang erklärt: „Das ist ein Elektro-Schiff, wir sind also emissionsfrei auf der Alster unterwegs.“ Und ganz leise. Anders als die dieselbetriebenen Barkassen muss sich Ipsen daher bei den vor ihm fahrenden Freizeitsportlern durch Hupen bemerkbar machen.

Jörg Ipsen ist seit 25 Jahren auf der Alster und den Kanälen unterwegs – hier an Bord der neu in Betrieb genommenen „Alsterwasser“. Während der Fahrt trägt er natürlich eine Maske.
Jörg Ipsen ist seit 25 Jahren auf der Alster und den Kanälen unterwegs – hier an Bord der neu in Betrieb genommenen „Alsterwasser“. Während der Fahrt trägt er natürlich eine Maske. © HA | Roland Magunia

„So viele wie in diesem Jahr waren hier noch nie unterwegs“, sagt der 50-Jährige, der bereits sein halbes Leben Alsterdampfer über die Alster und durch die Kanäle steuert. Und es fehlt ihm noch nicht mal an Verständnis. „Der Urlaub im Ausland fällt aus, das Feiern in der Schanze auch – da vergnügen sich die jungen Leute halt auf, in und an der Alster.“

Alster-Kapitän beklagt „Ballermannisierung“

Was ihn aber ärgert, ist die „Ballermannisierung“, wie er es nennt – „ein rücksichts- und respektloses Verhalten, mit dem sie sich und andere gefährden“. Und davon kann er ein Lied singen: Gruppen von Jugendlichen, die mit ihren SUPs und Schlauchbooten im Verbund liegen, sich sonnen, Musik hören und Alkohol trinken – und nur widerwillig den Weg frei machen.

Besonders „Mutige“, die von Brücken auf das Dach eines Alsterdampfers und von dort wieder ins Wasser springen. Schwimmer, die zwar nichts Verbotenes täten, aber viel zu oft voraussetzten, dass Ruderer, Segler und Alsterkapitäne sie schon wahrnähmen. Und schließlich die Fahrer von SUPs, die überhaupt nicht damit umgehen könnten.

„Ich habe den Eindruck, die machen das nur, weil sie ,dazugehören‘ wollen“, sagt Ipsen. Dazu passe seine Beobachtung, dass der Freizeitverkehr auf der Alster in Relation zu Instagram an Bedeutung gewonnen habe. „Ich werde oft vom Wasser aus gefragt, wo denn der ,Insta-Point‘ ist. Das ist dort, wo man auf dem Selfie Alsterfontäne, Rathaus und Michel im Hintergrund hat.“

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Früher seien auf der Alster außer den Seglern und Ruderern meist nur Pärchen in Booten unterwegs gewesen, sagt Ipsen, dem der Sinn für die Romantik auf dem Wasser selbst nicht fremd ist – schließlich hat er bereits als 15-Jähriger (auf See) eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker gemacht, war danach bei der Marine und später auf Containerschiffen nach Indien, Afrika und Südamerika unterwegs.

Heute habe er den Eindruck, dass viele Menschen auf der Alster nichts mehr übrig hätten für ihre Umgebung. Neben dem Müll, den sie im Uferbereich hinterließen, habe diese Gedankenlosigkeit besonders schlimme Auswirkungen auf die Natur. „Auf SUPs und in Schlauchbooten hangeln sie sich von Strauch zu Strauch und vertreiben die Wasservögel von ihren Gelegen.“

Er weist auf zwei Schwäne, an denen das Schiff gerade vorbeigleitet: „Das ist eigentlich eines der erfolgreichsten Brutpaare. Dieses Jahr haben sie keinen Nachwuchs.“ Auch Eisvögel und Wasserschildkröten, die man sonst hier sehe, seien verschwunden. „Für uns sind die vielen SUPs und Schlauchboote ein Ärgernis, für die Natur eine Katastrophe.“

Auf dem Rondeelteich wiederholt Ipsen, was er zuvor schon am Langen Zug unter der Mühlenkampbrücke gesagt hatte. „Hier wären Sie am vergangenen Wochenende trockenen Fußes übers Wasser gelangt.“ An diesem Tag ist wegen des kühleren Wetters weniger los. „Das war eine entspannte Fahrt“, sagt Ipsen, als er wieder am Jungfernstieg anlegt: „Die erste seit Wochen.“