Hamburg. Immer häufiger beobachten Anwohner dramatische Szenen: Badende werden überrascht oder von Wellen umgerissen.

Elb-Anwohner in Blankenese und den Nachbarstadtteilen schlagen Alarm: Immer häufiger beobachten sie, dass Badende nur haarscharf vor einem Unfall oder sogar dem Ertrinken gerettet werden können. Sie berichten, es gebe seit Beginn der aktuellen Hitzewelle fast täglich gefährliche Situationen im Wasser. Aus ihrer Sicht ist es ein Wunder, dass vor Ort noch nicht mehr geschehen sei.

Wegen der Reisebeschränkungen im Zuge der Corona-Krise kühlen sich etliche Hamburger und Besucher von auswärts derzeit in der Elbe ab. „Hier sind in diesen Tagen so viele Menschen im Wasser wie noch nie“, berichtet Susanne von Salisch, die am Blankeneser Strandweg wohnt. „Viele kommen von weit her und sind mit den Gegebenheiten vor Ort überhaupt nicht vertraut.“

Baden am Elbstrand kann gefährlich werden

Ein typisches Horrorszenario laut Anwohner Edgar Mangelsdorff aus Blankenese: „Die Badenden, oftmals Ortsunkundige, waten bei Niedrigwasser bis an den Rand der Fahrrinne und haben dann unerwartet keinen Grund mehr unter den Füßen. Sie geraten in Panik und schreien“, so Mangelsdorff. „Und dann packen Freunde oder Eltern im letzten Moment beherzt zu.“

Mangelsdorff hat allein in diesem Monat schon zweimal miterlebt, dass ein unkundiger Badender in eine „verzweifelte Situation“ geriet, wie er sagt. Eine Rettung sei beide Male nur durch Glück gelungen. Edgar Mangelsdorff hält jetzt immer einen Rettungsring mit einer langen Leine bereit, um im Notfall schnell helfen zu können.

Schüler springen vom Wrack mit einem Salto ins Wasser

Andere Blankeneser beobachten häufig, dass im Wasser spielende Kinder von Wellen vorbeifahrender Schiffe umgerissen beziehungsweise von deren Sog erfasst würden. „Zum Glück passen die Eltern meistens gut auf und halten die Kleinen rechtzeitig fest“, sagt Julia Wehrhahn, die gerade einen Garten am Strandweg pflegt. „Ich wundere mich aber schon sehr über die Sorglosigkeit mancher Leute.“ Und eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte, sagt: „Ich sehe oft, wie Schüler von dem Wrack am Falkensteiner Ufer ins Wasser springen, nicht selten mit einem Salto. Ich kann verstehen, dass das Spaß macht, halte es aber für gefährlich.“

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Ein Problem bei alledem: Oft lässt sich für Außenstehende nicht unterscheiden, ob es sich beim lauten Rufen und Schreien um Spaß oder Ernst handelt. Anwohner, Spaziergänger und auch andere Badende sind dann unsicher, ob sie Hilfe rufen sollen oder nicht. Im Ernstfall kann dieses Zögern fatale Folgen haben. Wie berichtet, konnte ein 19-Jähriger vor einer Woche nur knapp gerettet werden, als er bereits leblos mit dem Gesicht nach unten im Wasser trieb. Ebenfalls in der vergangenen Woche war ein 24 Jahre alter Albaner ertrunken, dessen Verschwinden zunächst von niemandem bemerkt worden war. Ein Freund, der am Strand döste, hatte geglaubt, der Mann sei spazieren gegangen.

Hohe Dunkelziffer

Weitaus häufiger sind Fälle wie dieser: „Einmal rief ein Mann laut um Hilfe und wurde von anderen herausgezogen“, berichtet Susanne von Salisch. Das hört sich zunächst gut an. Doch da solche „Beinahe-Unglücke“ kaum öffentlich kommuniziert werden, wähnen sich zu viele Badende in trügerischer Sicherheit.

Julia Wehrhahn wundert sich über den Leichtsinn vieler Badegäste.
Julia Wehrhahn wundert sich über den Leichtsinn vieler Badegäste. © Matthias Schmoock

Feuerwehrsprecher Dennis Diekmann bestätigt, dass es bei Badeunfällen in der Elbe, die im letzten Moment abgewendet werden, eine hohe Dunkelziffer gibt. „Solche Vorfälle werden nicht erfasst, weil wir dann gar nicht erst gerufen werden“, sagt er. Diekmann betont, dass die Elbe offiziell kein Badegewässer sei, Baden und Schwimmen werde dort lediglich toleriert. „Die Fließgeschwindigkeit liegt bei 1,50 bis zwei Meter pro Sekunde, da ist sehr viel Kraft dahinter, das muss man wissen“, so Diekmann. An die Eltern appelliert Dennis Diekmann, noch besser auf im Wasser spielende Kinder aufzupassen. Sein Vergleich: „Die Elbe ist eine viel befahrene Wasserstraße, und Kinder spielen ja auch nicht auf der Autobahn.“

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Susanne von Salisch kritisiert, dass es vor Ort viel zu wenig Warnschilder gebe, die noch dazu nicht von jedem gelesen werden könnten. „Ich appelliere an die zuständige Hamburg Port Authority (HPA), deutlich mehr Schilder aufzustellen und die Texte in mehreren Sprachen abzufassen“, so von Salisch. Auch kritisieren Anwohner, dass das klassische Warnschild, auf dem eine hohe Welle (Schwell) einen Menschen erfasst, irreführend sei. Die eigentliche Gefahr, argumentieren sie, sei die schnelle Strömung in der Fahrrinne, in die Ortsunkundige allzu leicht geraten könnten.

Laut Pressesprecher Kai Gerullis habe die HPA entlang des Elbstrands 40 Warnschilder aufgestellt, die „anhand von Symbolen deutlich erkennbar und sprachunabhängig“ vor den Gefahren beim Baden in der Elbe warnen. Das gelte insbesondere für Wellenschlag und Strömung. Am Strandabschnitt Blankenese zwischen Falkensteiner Ufer und Jollenhafen stünden 14 solcher Schilder. Im Übrigen weise die HPA immer wieder auf die Risiken hin, denen sich Menschen beim Baden in der Elbe aussetzten. Kontrollgänge entlang des Elbstrands plane die HPA aktuell indes nicht.