Hamburg. Wie Wettererklärer Frank Böttcher die jüngsten Temperaturen beurteilt. Warum es in einem Stadtteil regnet, im anderen nicht.

Das passte: Frank Böttcher war am Montag mit der Organisation des 10. Extremwetterkongresses in der HafenCity beschäftigt, als ihn das Abendblatt ans Telefon holte, um mit ihm über die jüngste Hitzephase und den Klimawandel zu sprechen.

Kurzerhand sagte der freiberufliche Moderator und Sprecher der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft ein Interview zu. Er sagt: Bis 2050 könnte es im Durchschnitt pro Jahr zwölf Tage über 30 Grad geben.

Hamburg ächzte zuletzt unter der andauernden Hitze – sind diese Temperaturen noch normal?

Frank Böttcher Es ist extrem heiß gewesen bei uns. Diese Hitze hat auch einen neuen Rekord gebracht: Acht Tage am Stück mit Temperaturen über 30 Grad – das gab es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1891 noch nicht in der Hansestadt. Am vergangenen Freitag sind wir dann zwar ganz knapp unter 30 Grad geblieben, aber schon am Sonnabend und Sonntag lagen wir wieder darüber. Hamburg erlebt also eine heftige und geschichtsträchtige Hitzewelle.

Ist das ein Zeichen des Klimawandels?

Frank Böttcher, Meteorologe, Wetterforscher.
Frank Böttcher, Meteorologe, Wetterforscher. © HA / Mark Sandten | Ha

Um Aussagen über Klimaveränderungen treffen zu können, lässt sich als sogenannte klimatologische Referenzperiode der Zeitraum von 1961 bis 1990 heranziehen. In diesen 30 Jahren gab es in Hamburg im Mittel im jeden Jahr vier Tage über 30 Grad. Seit 1990 waren es im Schnitt fast acht Tage. Hitzewellen dauern inzwischen länger. Das bekommen wir auch in Hamburg zu spüren. Es ist zwar normal, dass im Sommer warme Luft aus Afrika über Spanien und Frankreich hinweg zu uns kommen kann, was Hitzephasen begünstigt – so geschehen auch in den vergangenen Tagen. Bei solchen Wetterlagen liegen die Temperaturen heute aber im Durchschnitt tagsüber um zwei Grad höher als vor 30 Jahren. Diese Entwicklung lässt sich nur durch die globale, vom Menschen verursachte Erwärmung erklären. Natürliche Ursachen lassen sich ausschließen.

Vor der jüngsten Hitzephase gab es wochenlang mitunter recht starke Niederschläge. Wie kam es dazu?

Die Großwetterlage war von April bis Juli davon geprägt, dass sich über dem Nordmeer relativ kalte Luftmassen hielten. Der Ausstrom der arktischen Kaltluft, der sonst häufig über Grönland stattfindet, fand in diesen Monaten vor allem über Spitzbergen und das Nordmeer in Richtung Süden und bescherte uns ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen.

In den Jahren 2018 und 2019 gab es hierzulande ungewöhnlich lange Dürrephasen, worunter auch in Hamburg der Wald gelitten hat. Ist es auch in diesem Jahr bisher deutlich zu trocken?

Zumindest für Hamburg sind die Niederschlagsmengen in den vergangenen sechs Monaten völlig normal gewesen. In den vergangenen zwölf Monaten war es im Schnitt sogar deutlich feuchter bei uns als sonst. Je nach Monat gab es in Hamburg allerdings erhebliche Schwankungen: Im Dezember 2019 war es sehr trocken, im Februar dieses Jahres hingegen gab es 142 Liter Regen pro Quadratmeter – dreimal so viel wie im Durchschnitt. Wegen der Dürrephasen in den zwei Vorjahren waren die Böden noch sehr trocken. Das lässt sich durch einen kurzzeitig starken Niederschlag nicht ausgleichen.

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  • Auf welches Wetter- und Klimageschehen müssen wir uns in Hamburg und Norddeutschland einstellen?

    Es sind etliche Veränderungen zu erwarten. Die Temperaturen im Sommer werden weiter steigen: Bis 2050 könnte es im Durchschnitt zwölf Tage über 30 Grad pro Jahr geben. Schwankungen wird es trotzdem geben. Das heißt beispielsweise, dass wir weiterhin auch mit eiskalten Wintern in der Hansestadt rechnen können, womöglich sogar mit Temperaturen bis minus 15 Grad und 30 Zentimeter Schnee auf den Straßen. Allerdings werden kalte Winter deutlich seltener werden. Zu erwarten ist außerdem eine Zunahme der trockenen Monate vor allem im Frühjahr. In den vergangenen zehn Jahren hat sich schon eine Zunahme der Trockenheit in den Monaten April und Mai gezeigt. In dieser Jahreszeit hat es mitunter vier bis fünf Wochen lang überhaupt nicht geregnet, was schlecht war für die Vegetation und für die Landwirtschaft. Dürren, also lange Phasen mit insgesamt wenig Niederschlag, werden mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmen.

    Wie ist es mit Starkregen, also viel Niederschlag, der meist innerhalb kurzer Zeit fällt?

    Auch das werden wir in Hamburg und Norddeutschland künftig wohl häufiger erleben, mit der Besonderheit, dass solche Wetterlagen zunehmend stationär auftreten. Vor 30 Jahren war es im Sommer noch eher so: Es gab eine heiße Phase, es war einige Tage lang warm, dann kam eine Kaltfront, es gab heftige Gewitter und wurde für etliche Tage deutlich kälter. Das erleben wir jetzt nicht mehr so häufig. Vielmehr kommt es nun häufiger zu Wetterlagen mit hohem Luftdruck über Skandinavien, welche die großen Tiefdruckgebiete mit heftigen Kaltfronten von uns fernhalten. Deshalb fallen dann Druckgegensätze über Mitteleuropa geringer aus. Gewitter rasen in solchen Fällen daher nicht über die Hansestadt hinweg, sondern bleiben stationär liegen. Es kommt dann dazu, dass auf einen Stadtteil 60 Liter Regen pro Qua­dratmeter fällt und Überflutungen auftreten, während andere Stadtteile kaum etwas abbekommen. Ein echter Wetterwechsel findet dabei nicht statt, die Luft kühlt also nicht länger stark ab, sondern es ist am nächsten Tag schon wieder warm.

    Nach der Hitze der vergangenen Tage sieht es jetzt nach etwas Abkühlung aus - oder?

    Ja. Man kann mal wieder länger die Fenster öffnen, durchatmen und eine Pause von der drückenden Hitze genießen. Allerdings wird es nur eine kurze Abkühlung für Hamburg geben, mit Temperaturen deutlich unter 30 Grad nur bis Donnerstag. Am Freitag sind schon wieder Temperaturen über 30 Grad zu erwarten. Eine stärkere Abkühlung kommt erst ab Sonntag, mit Temperaturen um 21 Grad.