Hamburg. 137 Genehmigungen wurden bereits erteilt – auch für die Umwandlung von Bürgersteigen. Doch Politiker fürchten den nächsten Konflikt.

Wenn Stephan Fehrenbach aus dem Fenster der Laundrette auf die Ottenser Hauptstraße schaut, erfüllt ihn der Blick an diesen heißen Tagen mit Freude: Die Tische in den drei durch Bambuszäune abgetrennten Boxen sind fast immer gut besucht. „Der Kampf hat sich gelohnt. Ich konnte alle Kolleginnen und Kollegen aus der Kurzarbeit zurückholen“, sagt Fehrenbach. Als die Gastronomie wieder öffnen durfte, ließ er den Laden montags und sonntags lieber zu. Jetzt hat er wieder jeden Tag geöffnet.

Über Wochen hatte der Gastronom vor allem in den sozialen Netzwerken dafür geworben, dass er zwei Parkbuchten vor seiner Bar zu einer Terrasse umwandeln darf. Fehrenbach lud sogar Vertreter aller Fraktionen der Bezirksversammlung Altona in die Laundrette ein – eine in Hamburg einzigartige Kombination aus Waschsalon und Bar. Am 17. Juli durfte der Wirt dann mit einem Umtrunk die rund 30 Außenplätze eröffnen.

Hamburger Restaurants und Kneipen mehr Umsatz ermöglichen

Fehrenbach ist mitnichten ein Exot, im Gegenteil: Bürgersteige und Parkbuchten in Kneipenplätze zu verwandeln entwickelt sich in Hamburg zu einem regelrechten Trend. Eine Anfrage des Abendblatts bei den sieben Bezirken der Hansestadt ergab, dass inzwischen 137 entsprechende Vorhaben genehmigt wurden, mehr als jeder zweite Antrag in der Richtung wurde positiv beschieden. Viele Anträge sind noch in der Prüfung.

Mit befeuert hatte die Antragsflut Deutschlands bekanntester Virologe, Christian Drosten. „Nutzen wir doch den Sommereffekt. Und erlauben wir der Gastronomie, die Terrasse zu öffnen“, hatte er im NDR-Podcast am 26. Mai gefordert. Im Freien sei die Ansteckungsgefahr deutlich geringer, deshalb sei es sinnvoll, das Leben nach draußen zu verlagern. Angesichts der Corona-Umsatzverluste war die Drosten-Strategie für viele Gastronomen nur zu verlockend.

„Es geht auch darum, den Restaurants und Kneipen durch zusätzliche Außenflächen mehr Umsatz zu ermöglichen, denn auch sie wurden von den notwendigen Maßnahmen wirtschaftlich sehr getroffen“, sagt Falko Droßmann, Chef des Bezirks Mitte. Die Gastronomie gehöre zur kulturellen Identität der Hansestadt. Droßmann nennt noch einen weiteren Grund, warum sein Bezirk so viele Anträge genehmigt habe: „Wir können in Außengastronomien eine mögliche Kontaktverfolgung eher sicherstellen als bei wildem Picknicken im Park. Die Wirte zeigen sich hier in den allermeisten Fällen sehr verantwortlich.“

Die meisten Anträge in den Bezirken Mitte, Eimsbüttel und Altona

Auch Kay Gätgens, Bezirksamtschef in Eimsbüttel, sagt: „Wo es möglich ist und die Sicherheit gewährleistet ist, genehmigen wir zügig und großzügig, um den gebeutelten Gastronomien unter die Arme greifen zu können.“ Die meisten Anträge konzentrieren sich wenig überraschend auf die Bezirke Mitte, Eimsbüttel und Altona, hier liegen die angesagten Gastromeilen, etwa an der Reeperbahn, an der Osterstraße und in Ottensen.

Auffällig ist indes die Zahl der Genehmigungen. Während in Altona von insgesamt 38 Anträgen (14 auf Umwandlung von Bürgersteigen, 24 auf Umwandlung von Parkplätzen) bis jetzt nur fünf genehmigt wurden, konnten in Eimsbüttel schon 23 Gastronomen ihre Terrassen eröffnen, nur sechs Wirte erhielten eine Ablehnung oder müssen sich noch gedulden. In Mitte scheint zumindest die Umwandlung von Bürgersteigen (84 Anträge, 67 Genehmigungen) recht reibungslos zu verlaufen. Und beim Parkraum hat die Verwaltung jeden dritten Antrag positiv beschieden (31 von 93).

Kritik an der Verwaltung in Altona

Die Zahlen bedienen auf den ersten Blick die in den vergangenen Wochen oft geäußerte Kritik an der Verwaltung in Altona. Zu lahm, zu wenig effizient, zu bürokratisch – so lauteten die Vorwürfe von Bezirkspolitikern und Gastronomen. Der Inhaber des Tiny Oyster Inn an der Wohlers Allee schuf kurzerhand selbst Fakten, indem er Anfang Juli Blumenkübel auf die beiden Parkplätze vor seinem Lokal stellte und so ohne Genehmigung eine Außenterrasse schuf.

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„Ich kann mein Gewerbe nicht ausüben, ich bekomme keine Ausgleichszahlungen – also was soll ich machen? Ich werde in die Illegalität gedrängt“, sagte er der „Zeit“. Das Bezirksamt hatte seinen Antrag auf Umwandlung der Bürgersteige abgelehnt, da die Gehwegbreite dann nur noch bei 1,40 Metern statt 1,50 Metern gelegen hätte.

Umwandlung von Parkraum zu Gastro-Zonen ist anspruchsvoll

Man kann dieses Vorgehen in der Tat kleinlich nennen. Oder eben bürgerfreundlich. „Wir müssen auch an die Interessen der Fußgänger denken, gerade von Menschen mit einer Behinderung“, sagt Stefanie von Berg, Bezirksamtsleiterin in Altona. Und in der Tat: Wer sich am Rollator oder mit einem Rollstuhl durch die ohnehin oft dicht gedrängten Viertel bewegen muss, ist froh über jeden Zentimeter Freiraum auf dem Bürgersteig.

Das sind die Corona-Regeln für Hamburg:

  • Privat können bis zu 25 Personen zu Feiern zusammenkommen, egal aus wie vielen Haushalten. Treffen in der Öffentlichkeit sind auf 10 Personen aus beliebig vielen Haushalten begrenzt.
  • Alle Kinder dürfen in einem eingeschränkten Regelbetrieb wieder die Kitas besuchen.
  • Nach dem Ende der Sommerferien am 6. August können wieder alle Schüler einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Dennoch sollen Einschränkungen wie die bisherigen Abstandsgebote vorsichtshalber erhalten bleiben.
  • Unter Auflagen sind wieder Veranstaltungen mit bis zu 1000 Teilnehmern im Freien und 650 Teilnehmern in geschlossenen Räumen zulässig.
  • Für größere Versammlungen gibt es keine Teilnehmerbegrenzung mehr. Es wird jeweils der Einzelfall mit Blick auf Hygiene- und Abstandsregeln geprüft.

Die Umwandlung von Parkraum zu Gastro-Zonen ist ebenfalls anspruchsvoll. Es geht um die Sicherheit der Gäste – es wäre nicht auszudenken, wenn ein Autofahrer auf den engen Straßen in Ottensen eine auf einem Parkstreifen errichtete, mit Gästen besetzte Terrasse rammt. Daher schauen sich Polizei und Wegewarte jeden Einzelfall genau an.

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Dies gilt erst recht für den zuständigen Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz (KUV), der sich in Altona auch mit den Anträgen auf Außengastronomie beschäftigt. Nach Abendblatt-Informationen konnte sich der KUV in mehreren Fällen nicht auf einheitliches Vorgehen einigen, im nicht öffentlichen Teil der Sitzung am Montag standen die Anträge wieder auf der Tagesordnung.

Dabei geht es keineswegs um das kleine Karo der Verwaltungspolitik. Manche Bezirkspolitiker in Altona umtreibt die Sorge, dass der Trend zum Feiern im Freien die Gastronomen beglückt – viele Anwohner jedoch nur noch nervt.