Hamburg. Mehr als 2000 Einsprüche sind bei der Hamburger Innenbehörde eingegangen. Doch vor Gericht steht Aussage gegen Aussage. Zwei Fälle.

Sie waren zu viert. Sie standen zusammen, und sie redeten miteinander, zumindest eine Zeit lang. So hat ein Polizeibeamter eine kleine Gruppe von Menschen wahrgenommen, die sich am Steindamm aufhielt, am 6. April – und damit zur absoluten Hoch-Zeit der Corona-Krise.

Die Bußgeldverordnung war wenige Tage vorher in Kraft getreten, und Polizisten waren unterwegs, um Verstöße zu ahnden. Verstöße wie den von Chantal M.?

Die 27-Jährige meint, sie sei zu Unrecht mit einem Bußgeld von 150 Euro belegt worden und hat deshalb Einspruch gegen einen entsprechenden Bescheid eingelegt. Nun sitzt die Hamburgerin am Montag im einem Saal des Amtsgerichts, eine Frau mit St.-Pauli-Käppi auf dem Kopf und Corona-Maske vor dem Gesicht.

Tausende Einsprüche gegen Corona-Bußgelder in Hamburg

Ihr wird vorgeworfen, sich im öffentlichen Raum zusammen mit mehr als einer Person aufgehalten zu haben. Dabei habe mindestens einer aus der Gruppe nicht zum Haushalt der 27-Jährigen gehört, und der Mindestabstand sei nicht eingehalten worden, heißt es in dem Bußgeldbescheid.

Dieser Fall ist einer von derzeit mehr als 110 Corona-Verfahren, die mittlerweile die Hamburger Amtsgerichte beschäftigen. Weitere gut 2200 Einsprüche sind bei der zuständigen Bußgeldstelle der Innenbehörde eingegangen beziehungsweise teilweise schon an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, die sie wiederum an die Gerichte abgeben wird (das Abendblatt berichtete). Die Vorwürfe sind häufig ähnlich gelagert. Vor allem sollen die geforderten 1,5 Meter Mindestabstand nicht eingehalten worden sein.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum, und halten Sie mindestens 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an Ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Im Fall von Chantal M. ist sich ein Polizeibeamter sicher, dass die 27-Jährige Teil einer Vierergruppe gewesen sei. Das Quartett habe „auf Unterarmlänge“ zusammengestanden, schildert der Polizist. Er und seine Kollegen hätten an jenem 6. April „unzählige Kontrollen“ gehabt und zahlreiche Verstöße aufgenommen. Daran, dass in der Gruppe von Chantal M. der Mindestabstand unterschritten wurde, habe er keinen Zweifel. Die junge Hamburgerin sieht nach dieser Aussage ihre Chancen, um eine Bußgeldzahlung herumzukommen, sich in Luft auflösen. Sie nimmt ihren Einspruch zurück.

Richter empfiehlt, Corona-Bußgeld zu zahlen

Auch Jörg M. ist nicht einverstanden, 150 Euro zahlen zu müssen. Der 47-Jährige war am 10. April am Hansaplatz unterwegs, mit einem guten Freund, wie er im Gericht erzählt. „Dann kam ein unbekannter Mann auf uns zu. Wir hatten ihn noch nie gesehen. Als wir aufstanden, folgte er uns.“ Etliche andere Leute hätten ebenfalls am Hansaplatz zusammengestanden, „zum Teil zu viert oder fünft, und da passierte nichts. Da frage ich mich, wo die Gerechtigkeit ist“, ärgert sich der 47-Jährige. Sein Dreier-Treffen sei nur eine Sache von etwa fünf Sekunden gewesen. „Dann kam die Polizei“, erzählt der Hamburger.

Die zuständige Beamtin erinnert sich allerdings an ein deutliches längeres Zusammentreffen der drei Personen, vermutlich mindestens zwei Minuten. „Der Abstand zwischen den Männern war unter einer Armlänge.“ Nach der Aussage der Polizistin rät der Amtsrichter dem Hamburger Jörg M., seinen Einspruch zurückzunehmen. „Ich würde Sie jetzt hier verurteilen. Deshalb meine Empfehlung.“

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Jeder habe gewusst, dass entsprechende Verstöße 150 Euro kosten. "Ich mache es nicht billiger." Wenn er ein Urteil schreibe, so der Richter, komme für den 47-Jährige noch eine Gebühr dazu. "Die können Sie sich sparen.“ Jörg M. nickt. Er ist einverstanden.