Hamburg. Es werden Tausende Verfahren zu Bußgeldbescheiden erwartet. Wer Einspruch einlegt, muss mit höheren Kosten rechnen.

Im Zusammenhang mit Corona rollt eine Welle von Verfahren auf die Hamburger Gerichte zu. Dabei geht es um Bußgeldbescheide, gegen die die Betroffenen Einspruch eingelegt haben und die nun als Ordnungswidrigkeitsverfahren vor den Amtsgerichten verhandelt werden. Zurzeit sind bereits mehr als 110 Verfahren bei den zuständigen Abteilungen anhängig.

Doch es werden noch weitaus mehr: Über die Bußgeldstelle der Innenbehörde sind bei der Staatsanwaltschaft mittlerweile mehr als 200 Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingegangen. Weitere gut 2000 sind bereits avisiert.

Kontaktverbote- und Abstandsregeln missachtet

„Bei den meisten Fällen, über die jetzt vor Gericht gestritten wird, geht es um die Frage, ob die Kontaktverbote und die Abstandsregeln in der Öffentlichkeit missachtet wurden“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Abendblatt-Anfrage. Anfang April hatte die Stadt einen Bußgeldkatalog vorgestellt, in dem im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus die Bestimmungen im öffentlichen Raum geregelt werden. Demnach müsse derjenige ein Bußgeld in Höhe von 150 Euro zahlen, der den Mindestabstand von 1,50 Metern zu anderen Passanten nicht einhält.

Auch diejenigen werden zur Kasse gebeten, die mit mehreren Menschen gemeinsam angetroffen werden. In der Hoch-Zeit des sogenannten Lockdowns galt dies bereits für alle, die in Begleitung von mehr als einer Person unterwegs waren, wenn diese nicht in derselben Wohnung leben. Auch wer an verbotenen Versammlungen oder Veranstaltungen teilnimmt, musste demnach ein Bußgeld von 150 Euro zahlen.

Nur zufällig zusammengestanden – kein Bußgeld

Die Bescheide werden von der Bußgeldstelle der Innenbehörde erlassen. Legt ein Bürger Widerspruch ein, wird dieser von der Bußgeldstelle an die Staatsanwaltschaft abgegeben, die diesen wiederum an die Amtsgerichte weiterleitet. Von den mehr als 110 Verfahren, die bereits bei den zuständigen Gerichten eingegangen sind, betreffen knapp 30 Jugendliche und Heranwachsende, die anderen Erwachsene.

Die Verfahren werden vor den Wirtschaftsabteilungen des Amtsgerichts Mitte verhandelt. Zuständig sind hier insgesamt 18 Richter. Neben mutmaßlichen Verstößen gegen das Abstandsgebot in der Öffentlichkeit betreffen einzelne Fälle beispielsweise das Verbot, unter freiem Himmel zu essen.

Laut dem Bußgeldkatalog von Anfang April waren darüber hinaus bis zu 1000 Euro für diejenigen fällig, die eine private oder öffentliche Versammlung, Veranstaltung oder Feier organisiert und durchgeführt haben. Und wer als Supermarkt oder anderes Geschäft einen Mindestabstand von 1,50 Metern für Kunden nicht eingehalten hatte, musste ebenfalls mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 1000 Euro rechnen.

Corona-Regeln in Hamburg: Große Bandbreite an Verstößen

Auch wenn sich der Löwenanteil der bisherigen Gerichtsverfahren um Verstöße gegen das Abstandsgebot im öffentlichen Raum dreht, ist inhaltlich die Bandbreite ist groß. So geht es etwa um einen Fall, in der eine Gruppe von Menschen lediglich „auf Armeslänge“ entfernt voneinander gestanden haben soll. Nach einer Ermahnung durch Polizeibeamte seien die Frauen und Männer zwar auseinandergegangen. Aber wenige Minuten später, als der Streifenwagen erneut die Stelle passierte, sei das Abstandsgebot von denselben Leuten wieder missachtet worden.

Ein anderer Fall: Großeltern sind mit ihrem Enkelkind unterwegs. Wie ist dies rechtlich zu bewerten? Ist das wirklich schon verboten – und ein Bußgeld notwendig? Mindestens drei Verhandlungen im Zusammenhang mit Corona-Verstößen stehen bei den Amtsgerichten allein in dieser Woche an.

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In einem Fall, der bereits verhandelt wurde, ist am Ende das Verfahren eingestellt worden. Der Betroffene musste also kein Bußgeld zahlen. Hier ging es um eine Gruppe von Personen, die nach Beobachtung der Polizei zusammengestanden hatte. Aus der Gesamtsituation ergab sich allerdings im Nachhinein, dass die Frauen und Männer offenbar überhaupt nichts miteinander zu tun hatten, es sich also um eine zufällige und unbeabsichtigte Begegnung handelte.

Wer Einspruch einlegt, muss mit höheren Kosten rechnen

In den Verhandlungen gegen die Betroffenen, die Einspruch gegen ihren Bußgeldbescheid eingelegt haben, treten in der Regel Polizeibeamte als Zeugen auf. Aber auch andere Personen, die angeblich zu der verbotenen Gruppe gehört haben, könnten als Zeugen infrage kommen. Wird ein Verfahren nach der Beweisaufnahme eingestellt, muss der Betroffene nichts zahlen.

Ergibt sich aber, dass die Verhängung des Bußgeldes rechtens war, kommen neben dem Bußgeld weitere Gebühren auf den Betroffenen zu. Allein an Gerichtskosten sind dies in der Regel mindestens 50 Euro. Und die zu zahlende Summe könnte sich noch erhöhen, beispielsweise wenn einzelne Zeugen Fahrtkosten und Verdienstausfall geltend machen.