Hamburg. Rückkehrer aus Risikogebieten müssen sich nach der Landung untersuchen lassen. Manche versuchen zu schummeln. Ein Ortstermin.
Wer dieser Tage aus der Türkei, den USA, einem Balkanland oder einem anderen sogenannten Risikogebiet nach Hamburg fliegt, landet buchstäblich auf dem Boden der Tatsachen. Reisende müssen im Flugzeug eine Aussteigekarte ausfüllen, und seit Sonnabend gilt: Wer in ein Risikogebiet gereist ist, muss sich bei der Rückkehr verpflichtend auf Corona testen lassen. In Hamburg geht das am bequemsten im zum Testzentrum umfunktionierten Terminal Tango.
Risikogebiet, was für ein Name für ein Land, in dem man die schönsten zwei Wochen des Jahres verbracht hat – im Fall von Aslihan Cumhur waren es vielleicht sogar die schönsten ihres Lebens. Die 24-Jährige steht in der alten Flughafenhalle mit ihrem Vater, beide haben sich schon in der Türkei testen lassen – mit negativem Ergebnis. Ob sie Bedenken hatte, in ein Land zu reisen, in dem die Infektionszahlen vergleichsweise hoch sind?
Testzentrum am Airport: Mund auf, Stäbchen rein
„Natürlich macht man sich Gedanken“, sagt Aslihan Cumhur. „Aber ich habe in Ankara meine Verlobung gefeiert“, sagt die junge Frau und strahlt. Hinter ihr sieht man, wie DRK-Mitarbeiter in Schutzanzügen ihren Job machen. Mund auf, Stäbchen rein, Abstrich nehmen. Fertig. In ein bis zwei Tagen liegt das Ergebnis vor. Die Getesteten können es mit ihrem individuellen QR-Code auf einer Internetseite abrufen. Die 14-tägige Quarantäne entfällt nur bei einem anerkannt negativen Ergebnis.
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Die neue Regelung ist allerdings umstritten. Was ist mit den Reisenden, die sich erst am Ende ihres Urlaubs angesteckt haben und bei denen der Test am Flughafen negativ ausfällt? Unerkannt Infizierte können etliche andere Menschen anstecken. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat sich deshalb dafür ausgesprochen, Rückkehrer aus Risikogebieten eine Woche in Quarantäne zu belassen – und erst dann zu testen.
Wenn ein Flieger landet, wird es schlagartig voll
Am Sonnabendnachmittag ist es knallheiß; viele Reisende freuen sich über die kühl klimatisierte Luft im Terminal Tango. Immer wenn ein Flieger aus einem Risikoland gelandet ist, wird es schlagartig voll. Ein junger Mann berichtet leicht genervt, dass er 45 Minuten anstehen musste.
Forrest White aus New York wartet keine Sekunde. DRK-Mitarbeiter mit Atemmaske sitzen hinter Plexisglas-Wänden und nehmen seine Daten auf: Woher er kommt, wen er hier in Deutschland besucht? Seine Verlobte. Zuletzt hat der 37-Jährige sie im April gesehen. Die lange Flugreise steckt ihm sichtlich in den Knochen. Trotzdem will White den Test hier und jetzt machen. So ein schneller Test sei allemal besser als zwei Wochen Quarantäne, findet er.
Seine Mutter sei Mitte Juni aus den USA nach Hamburg gereist und sie habe sich zwei Wochen in häusliche Isolation begeben müssen. Jetzt aber schnell mit der Verlobten nach Lübeck. „Sie wartet im Auto, keine Zeit mehr“, sagt White.
Auch Liselotte Drefenstedt will es rasch hinter sich bringen, die 67-Jährige wirkt etwas gehetzt. Erst nach ihrer Ankunft am Sonnabendmorgen erfuhr sie, dass das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für Bulgarien ausgesprochen hat. Eine Woche verbrachte sie dort mit ihren Enkeln, nach der Landung fuhr sie direkt zu ihrer Tochter nach Reinbek. Und von dort aus, als Klarheit herrschte, wieder zurück zum Flughafen – um sich testen zu lassen.
Nasen-Abstrich ist bei Reisenden nicht sonderlich beliebt
Matthias Leppin hat am Sonnabend schon weit mehr als 100 Tests gemacht. „Beim Rachen-Abstrich ist mir noch nichts entgegen gekommen“, sagt der Rettungssanitäter gut gelaunt. Er spielt auf den durch die Berührung des Gaumens mit dem Stäbchen ausgelösten Würgereflex an. Leppin und seine Kollegen sehen aus wie aus einem Hollywood-Pandemie-Schocker: weiße Schutzanzüge, Gesichtsvisier, darunter FFP 2-Atemmasken.
Ihre Hände sind von zwei Paar Handschuhen umschlossen. Die erste Garnitur dient zum Eigenschutz, die zweite wechseln sie nach jedem Test. Gerade der Nasen-Abstrich, weiß Leppin, sei bei den Reisenden nicht sonderlich beliebt. Einige würden sich auch vor den langen Stäbchen ängstigen.
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Das Testzentrum am Flughafen, seit dem 31. Juli in Betrieb, hilft der Stadt, einen Überblick über die Zahl der Infizierten aus Risikogebieten zu gewinnen. Es ist aber auch ein Service-Angebot: Wer sich hier – kostenlos – testen lässt, hat es hinter sich und muss sich seinen Persilschein nicht woanders abholen. Denn testen lassen müssen sich Urlauber aus den Risikogebieten seit Sonnabend ohnehin.
Ob sich die Betroffenen daran halten, überprüfe die Behörde stichprobenartig anhand der Fluggast-Daten, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. Nur in den ersten 72 Stunden nach der Ankunft sei der Test kostenlos. Die Pflicht gilt auch für Urlauber, die aus Risikoländern etwa mit dem Auto nach Hamburg zurückkehren.
Testzentrum am Flughafen: Einige Urlauber mogeln
Für sie stehen Testzentren in Altona, Farmsen und voraussichtlich bald auch am Hauptbahnhof zur Verfügung. Das Testzentrum am Flughafen hingegen ist nur für soeben gelandete Passagiere aus Risikogebieten gedacht, in der Spitze bis zu 2000 Reisende am Tag. Zwischendurch mogeln sich aber auch Urlauber aus Nicht-Risikogebieten in die fünf Teststraßen. So wie die junge Studentin aus London, die in Hamburg ihre Familie besuchen will. Geht eigentlich nicht, geht aber irgendwie doch.
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Behördensprecher Helfrich rollt leicht gequält mit den Augen. Überhaupt herrscht so etwas wie hanseatische Gelassenheit. Während etwa in Hannover Flugreisende erst durch den Test-Check müssen, bevor sie ihr Gepäck holen dürfen, ist es in Hamburg genau umgekehrt. Ob das Sinn hat, wird sich zeigen. „Die Maßnahmen werden fortlaufend überprüft“, sagt Helfrich.
Mehrere Familien von positiven Befunden betroffen
Am Sonnabend landeten zwölf Flieger aus sechs Corona-Risikoländern in Hamburg. Bis Donnerstagabend ließen sich rund 5300 Reisende freiwillig testen, das sind viele, aber bei Weitem nicht alle. 40 Rückkehrer aus Risikogebieten seien bisher positiv getestet worden, von den Befunden seien mehrere Familien betroffen, so Helfrich.
Er berichtet von Fällen, in denen Passagiere mitunter gefälschte Corona-Tests oder unzulässige Schnelltests aus ihren Urlaubsorten vorgelegt haben. „Solche Menschen spielen mit der Gesundheit ihrer Mitmenschen“, sagt er. „Und das ist einfach unsozial.“
Wissenwertes zum Hamburger Flughafen:
- Der Hamburg Airport hat zwei Terminals und liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt
- Er wurde 1911 angelegt und ist der älteste durchgängig an einem Ort betriebene Flughafen in Deutschland
- Seit 2016 wird der Flughaften auch Hamburg Airport Helmut Schmidt genannt
- Er umfasst inzwischen eine Fläche von 570 Hektar
- Rund 60 Airlines fliegen derzeit den Hamburger Flughafen an