Hamburg. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion erklärt, warum er dennoch kein Freund der Quote ist und sich Markus Söder als Kanzler wünscht.

Seine Wahl war eine Überraschung: Dennis Thering (36) rückte nach dem 11,2-Prozent-Desaster der CDU bei der Bürgerschaftswahl an die Spitze der dezimierten Unions-Fraktion. Im Abendblatt-Interview spricht Thering über den Weg seiner Partei aus der Krise, die Zukunft der Innenstadt und die Nachteile der von Rot-Grün angestoßenen Verkehrswende.

Hamburger Abendblatt: Herr Thering, Sie sind seit einem Vierteljahr Oppositionsführer in der Bürgerschaft. Wie gefällt Ihnen die neue Rolle?

Dennis Thering: Das war natürlich ein ganz besonderer Start, mitten in der Corona-Krise. Aber die Arbeit macht mir viel Spaß, ich habe ein Superteam an meiner Seite, sowohl was die Abgeordneten als auch die Mitarbeiter angeht. Das hat mir den Start deutlich vereinfacht.

Sie haben sich persönlich, auch gegen Widerstände in der Partei, dafür entschieden, in der Corona-Krise den vorsichtigen Kurs des Senats mitzutragen. Muss ein Oppositionsführer nicht mehr kritische Distanz zu den Regierenden haben?

Thering: In der Corona-Krise kam es darauf an, dass möglichst wenige Menschen erkranken, und deshalb habe ich für mich sehr früh entschieden, dass wir Hand in Hand mit dem Bürgermeister und dem Senat gegen das Virus kämpfen. Ich glaube, dass die Menschen das erwartet haben, und bin nach wie vor der Meinung, dass das der richtige Weg war. Hamburg ist verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. Nachdem die Zahlen sich auf niedrigem Niveau stabilisiert haben, haben wir auch den normalen Oppositionsmodus wieder aufgenommen.

Rot-Grün arbeitet mit Zweidrittelmehrheit an der Mobilitätswende: Mehr ÖPNV und Radverkehr, weniger Autoverkehr. Tragen Sie das im Grundsatz mit oder sind Sie die letzte Autofahrer-Partei?

Thering: Ich freue mich über jeden, der sein Auto stehen lässt und seine Wege zu Fuß, mit Bahn, Bus oder Fahrrad zurücklegt. Daher unterstützen wir es auch, den ÖPNV und die Radwege attraktiver zu machen. Aber dennoch haben auch Autofahrer ein Recht darauf, sicher und schnell von A nach B zu kommen. Dafür werden wir als CDU weiterkämpfen. Der rot-grüne Senat hat die Autofahrer dagegen aus dem Blick verloren und setzt einseitig auf ÖPNV und Radverkehr – daher ist das Verkehrsklima in Hamburg auch bundesweit am schlechtesten.

Manchmal muss man sich auch einfach entscheiden: Nimmt man den Autofahrern eine Fahrspur weg, um sie den Radfahrern zu geben oder eben nicht?

Thering: Man muss sich jeden Straßenabschnitt genau angucken. Nehmen wir die Bebelallee in Winterhude: Da sind die Autospuren von vier auf zwei reduziert worden, und es kommt jeden Morgen zu Riesenstaus. Die Frage ist, ob das vernünftig ist oder es auch andere Lösungen gibt. Das kommt mir beim rot-grünen Senat zu kurz. Da fehlt die Betrachtung, wie sich eine solche Maßnahme auf den restlichen Verkehr auswirkt. Man kann eine Fahrspur für Radfahrer nur wegnehmen, wenn es den Verkehr nicht vollkommen zum Erliegen bringt.

Wie autofrei sollte die Innenstadt werden?

Thering: Ich habe kein Problem damit, dass die Innenstadt in einigen Bereichen verkehrsberuhigt wird und in Absprache mit dem Einzelhandel Fußgängerstraßen eingerichtet werden. Für uns als CDU ist wichtig, dass die Innenstadt für alle da ist und auch weiterhin mit dem Auto erreichbar ist. Der Traum einer autofreien City ist mit der CDU nicht zu machen.

Die Grünen haben gesagt, man müsse die Innenstadt „retten“, da reine Verkaufsflächen des Einzelhandels allein keine Zukunft mehr hätten. Teilen Sie die Einschätzung?

Thering: Wir müssen die Innenstadt deutlich attraktiver machen. Da habe ich bislang von SPD und Grünen noch keine konkreten Vorschläge gehört. Den Ballindamm mit Bundesmitteln ein wenig zu verschönern, wie es jetzt geschieht, wird am Ende nicht reichen. Nach Feierabend ist die Innenstadt verwaist. Ich halte unseren Vorschlag einer Alsterpromenade um die Binnenalster nach wie vor für hervorragend geeignet, die Innenstadt attraktiver für alle zu machen. Andere große Städte haben zum Beispiel eine Barszene in der City, sodass die Menschen nach der Arbeit auch dort bleiben können. Die CDU erarbeitet derzeit ein Konzept „Innenstadt 2025“. Ich kann aber noch keine konkreten Maßnahmen nennen, wir sind erst am Anfang.

Die Hamburger CDU schwankte in den vergangen Jahren mehrfach zwischen liberaler Großstadtpartei und einem eher konservativen Kurs. Für welchen Kurs stehen Sie?

Thering: Ich stehe für den Kurs der Hamburgerinnen und Hamburger. Für mich bedeutet das, dass ich schaue, wo die Probleme der Bürger liegen. Den Menschen ist es völlig egal, ob eine Partei einen liberalen oder einen konservativen Kurs hat. Sie wollen, dass eine Partei erkennt, wo die Probleme der Menschen und der Stadt sind und wo angepackt werden muss. Wir wollen die Kümmerer sein. Wir müssen als CDU wieder erkennbar sein. In der Vergangenheit kam das zu kurz, wir kamen wie ein Gemischtwarenladen daher, und niemand wusste mehr genau, wofür die CDU eigentlich steht. Mir ist wichtig, dass wir wieder Profil entwickeln und die Menschen in fünf Jahren wissen, welchen Mehrwert es bietet, CDU zu wählen.

Was denn nun? Einerseits sagen Sie, dass den Menschen der Kurs einer Partei egal ist. Anderseits kritisieren Sie die CDU als Gemischtwarenladen, der wieder ein Profil braucht. Müssen Sie sich nicht entscheiden, ob Sie als konservative Kraft rechts von Rot-Grün stehen oder ob Sie in der Mitte um alle Wähler konkurrieren wollen?

Thering: Natürlich kämpfen wir um alle Wähler. Es ist unser Anspruch, jedem Hamburger ein Angebot zu machen – den liberalen Großstadtmenschen wie auch den Konservativen. Aber dieses Angebot muss wiedererkennbar sein. Wir brauchen Stringenz und müssen unseren Kurs auch mal fünf Jahre lang durchziehen.

CDU-Landeschef Roland Heintze sagt, die CDU sei zu behäbig und stehe sich selbst zum Teil im Weg. Sehen Sie das auch so?

Thering: Man muss immer selbstkritisch sein. Trotzdem würde ich uns nicht als behäbig bezeichnen. Wir sind in den Wahlkreisen und den Ortsverbänden gut aufgestellt und machen dort eine gute Arbeit. Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial. Der neue Landesvorstand muss sich die Frage stellen, wie wir auch als CDU in Gänze noch kampagnenfähiger werden können. Das haben wir auch im Wahlkampf gesehen. Da war noch Luft nach oben. Ich setze viel Hoffnung in den neuen Landesvorstand, der zahlreiche neue Ideen entwickeln wird, wie wir als CDU in den Stadtteilen wieder stärker werden können.

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Apropos neue Ideen: Der Bundesvorstand der CDU hat auf Vorschlag von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer die Einführung einer Frauenquote von 50 Prozent von 2025 an für Vorstandsposten in der Partei vorgeschlagen. Ist das ein notwendiger Schritt zur Modernisierung der Partei?

Thering: Für mich ist klar, dass zu einem guten Team immer Frauen und Männer gehören. Aber ich bin kein Freund von starren Quoten. Das Wichtigste ist die Frage, wer uns am meisten weiterhilft. Da ist es zweitrangig, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Trotzdem müssen wir die Frauen in der CDU noch enger einbinden. Das haben wir in den letzten Jahren schon sehr gut getan. Wir haben mit Anke Frieling und Natalie Hochheim zwei stellvertretende Landesvorsitzende, Anke Frieling ist auch eine engagierte stellvertretende Fraktionschefin in der Bürgerschaft. In der Bezirksversammlung Wandsbek haben wir mit Franziska Hoppermann eine ganz hervorragende Fraktionsvorsitzende. Wir werden auf der Landesliste für die Bundestagswahl auf Platz eins oder zwei eine Frau aufstellen. Die CDU in Hamburg hat schon verstanden, alle mitzunehmen. Aber eine starre Quote von fifty-fifty – das sehe ich deutlich anders als die Bundesvorsitzende. Das ist nicht der Weg, die CDU nach vorn zu bringen.

Der Weg ohne Quote war auch nicht erfolgreich, was das Thema Frauenförderung angeht. Der letzten CDU-Bürgerschaftsfraktion gehörten zwei Frauen an, aber 18 Männer. Jetzt lautet das Verhältnis drei zu zwölf. Die CDU hat relativ viele weibliche Mitglieder, aber sie engagieren sich offensichtlich zu wenig. Liegt das an den Strukturen?

Thering: Es wird bei uns keine Frau von der Übernahme eines Amtes abgehalten. Ganz im Gegenteil: Ich freue mich über engagierte Frauen. Aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir den Bereich Vereinbarkeit von Familie und Politik für Frauen attraktiver machen können. Ein Wort zur Faktion: Die Zusammensetzung ist bei diesem Wahlrecht schwer zu steuern. Wir hatten zum Beispiel auf den vorderen Plätzen der Landesliste viele Frauen. Am Ende entscheidet dann der Wähler.

Die Frauen-Union schlägt vor, für Parteiämter in der Hamburger CDU eine Doppelspitze einzuführen. Was halten Sie davon?

Thering: Ich sehe den Mehrwert einer Doppelspitze nicht. Die Doppelspitzen in Bürgerschaftsfraktionen wie bei Der Linken oder der FDP in der letzten Legislaturperiode hatten meiner Ansicht nach keine größere Durchschlagskraft.

Bei dem Vorschlag geht es doch um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Politik, nicht primär um Durchschlagskraft.

Thering: Wir haben in den Orts- und Kreisverbänden bis zu drei stellvertretende Vorsitzende. Das ist also keine One-Man-Show. Für mich ist die Doppelspitze mehr eine symbolische Geschichte. Wenn eine Frau Ortsvorsitzende wird, dann werden auch in dem Fall die Stellvertreter sie unterstützen.

Haben Sie einen konkreten Vorschlag, wie Frauen besser in die Parteiarbeit eingebunden werden können?

Thering: Wir sprechen in der CDU jetzt darüber, die Kinderbetreuung bei Landes- und Kreisparteitagen usw. sicherzustellen. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischen Mandat ist aus meiner Wahrnehmung einer der entscheidenden Schlüssel.

Ende September wird über den CDU-Landesvorsitz entschieden. Roland Heintze hat noch nicht gesagt, ob er wieder antritt. Christoph Ploß als möglicher Nachfolger hat sich auch noch nicht geäußert. Wen wünschen Sie sich als Landesvorsitzenden?

Thering: Erst einmal muss sich Roland Heintze erklären, und dann alle Bewerber, die Interesse haben zu kandidieren. Dazu zählt sicherlich auch Christoph Ploß. Mir ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Partei und Fraktion wichtig. Das hat in den vergangenen Monaten mit Roland Heintze als Landesvorsitzendem funktioniert. Deswegen kann ich mir das gut mit ihm vorstellen, aber ich würde mich auch freuen, wenn Christoph Ploß das macht. Das würde zwischen uns gut funktionieren. Vorstellbar wäre für mich auch Christoph de Vries.

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Wen unterstützen Sie als Kanzlerkandidaten der Union – Friedrich Merz, Armin Laschet oder jemand anderen?

Thering: Es geht erst einmal darum, wer Bundesvorsitzender wird: Norbert Röttgen, Friedrich Merz oder Armin Laschet. Ich kann mir aber auch sehr gut Jens Spahn vorstellen, der durch die Corona-Krise noch einmal an Profil gewonnen hat. Was die ersten drei angeht, habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Friedrich Merz für den Richtigen halte. Jetzt muss es darum gehen, die Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen. Dafür ist er außerordentlich gut geeignet. Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur müssen nicht in einer Hand sein. Ich finde, das sich Markus Söder in den letzten­ Monaten ausgesprochen gut gemacht­ hat, auch in der Bewältigung der Corona-Krise. Er hat gezeigt, dass er es kann. Das wäre eine gute Tandemlösung mit Merz, Söder und eventuell Spahn.

Nur: Söder hat bislang ausgeschlossen, Kanzlerkandidat zu werden.

Thering: Ja, er hat immer gesagt, sein Platz ist in Bayern. Kürzlich sagte er, ein Kanzlerkandidat muss auch in der Corona-Krise gezeigt haben, dass er es kann. Das war fast eine indirekte Bewerbung. Ich glaube, dass Söder seine Beliebtheitswerte auch nicht kaltlassen. Ich kann mir sehr gut einen Bayern von der CSU, eben Söder, als Bundeskanzler vorstellen.