Hamburg. Beim ersten Treffen der geschrumpften Fraktion wird Teamgeist beschworen. Ein neuer Oppositionsführer steht wohl auch bereit.

Erstmals ist am Dienstagnachmittag die neue, deutlich geschrumpfte CDU-Fraktion im Rathaus zusammengekommen. Mit dem historisch schlechtesten Wahlergebnis von 11,2 Prozent, das bei Landtagswahlen nur einmal in den 1950er-Jahren in Bremen unterboten wurde, sind nur noch 15 CDU-Abgeordnete in der auf 123 angewachsenen Bürgerschaft vertreten – bisher waren es 20. Die CDU-Abgeordneten haben ihre Mandate durchweg in den Wahlkreisen gewonnen.

Aufgrund des schlechten Ergebnisses schaffte es nicht ein einziger Kandidat über die Landes­liste ins Parlament. Damit bleiben neben Spitzenkandidat Marcus Weinberg auch CDU-Landeschef Roland Heintze oder der bisherige Bürgerschafts-Vizepräsident Dietrich Wersich ohne Mandat.

In der neuen Fraktion wollte man sich am Dienstag trotz der schlimmsten Niederlage aller Zeiten zusammenraufen. „Dieses Wahlergebnis und die Konsequenzen daraus müssen wir erst einmal verdauen“, sagte der bisherige Fraktionschef André Trepoll vor der Sitzung. „Die für uns wahrscheinlichste Rolle als einzige bürgerliche Oppositionskraft stellt uns vor enorme Herausforderungen und bringt eine große Verantwortung mit sich. Auf einen CDU-Abgeordneten kommen zukünftig fünf von SPD und Grünen. Die Wahrung der Minderheitenrechte im Parlament, wie ein Aktenvorlageersuchen oder die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, muss deshalb neu geregelt werden.“

Dennis Thering könnte Oppositionsführer werden

Im Mittelpunkt müsse nun die Frage stehen, „wie wir wieder mehr Unterstützung für moderne bürgerliche Politik in Hamburg erreichen können“, so Trepoll. „Dies wird uns nur gelingen, wenn die zukünftige Fraktion diesen Weg gemeinsam in Angriff nimmt. Da ich ein Teamspieler bin, ist es mein Ziel, dass auch die neue Fraktion gute gemeinsame Entscheidungen für die Fraktionsführung treffen wird.“

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Nach Abendblatt-Infor­mationen wird Trepoll in der neuen Konstellation vermutlich nicht wieder Fraktionschef werden. Stattdessen gilt mittlerweile der bisherige Verkehrspolitiker Dennis Thering als Favorit für den Posten des Oppositionsführers. Offiziell angekündigt hat allerdings noch niemand seine Kandidatur. Gewählt wird der neue Fraktionsvorsitzende erst am 16. März, zwei Tage vor der konstituierenden Sitzung der neuen Bürgerschaft.

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In seiner Wortmeldung als bisheriger Fraktionsvize betonte Thering, dass man als geschrumpfte Fraktion noch enger zusammenrücken müsse. Da die FDP ausgeschieden sei, habe man als letzte bürgerliche Partei in der Opposition eine noch wichtigere Rolle als bisher.

Wer wird neuer Parteichef der Hamburger CDU?

Auch an der Parteispitze könnte es spätestens im Juni einen Wechsel geben. Dann endet die Amtszeit von Roland Heintze, der nach dem schon 2015 historisch schlechtesten Ergebnis von damals 15,9 Prozent den Vorsitz von Marcus Weinberg übernommen hatte. Sein Versuch, die Partei zu modernisieren und zu alter Stärke zu führen, sei erkennbar gescheitert, wird ihm vorgehalten.

Andererseits wehren sich die Liberalen in der Partei gegen einen Durchmarsch der Konservativen, zu denen auch der wahrscheinliche Fraktionschef Thering gezählt wird. Deswegen stößt die verbreitete Idee, den als sehr konservativ geltenden Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß zum Parteichef zu machen, offenbar auch auf Widerstand.

CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg

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    Genannt wird für den Parteivorsitz daher auch die gerade in Blankenese für die Bürgerschaft gewählte Anke Frieling, der aber wenig Chancen eingeräumt werden. Auch der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries wird als neuer Parteichef gehandelt. Er gilt zwar ebenfalls als Konservativer, polarisiere aber weniger als Ploß, heißt es hier und da. Weitere mögliche, aber wenig wahrscheinliche Variante: Heintze macht zunächst weiter.

    Kritik am Umgang mit Marcus Weinberg

    Bei einer Sitzung des Landesvorstands hatte es am Montagabend auch Kritik am Umgang mit dem gescheiterten Spitzenkandidaten Marcus Weinberg gegeben. Nach Aussage von Sitzungsteilnehmern warf vor allem Ex-Sozialsenator Wersich Parteifreunden vor, zu rüde mit Weinberg umzugehen. Tatsächlich hatten Abgeordnete der neuen Fraktion am Montagnachmittag, noch bevor sein Verfehlen des Mandats klar war, angedeutet, dass Weinberg nicht Fraktionschef werden könne. Das aber war ihm vor der Entscheidung für die Kandidatur nach eigenen Angaben zugesagt worden.

    Der gescheiterte Spitzenkandidat der CDU, Marcus Weinberg, geht zurück in den Bundestag.
    Der gescheiterte Spitzenkandidat der CDU, Marcus Weinberg, geht zurück in den Bundestag. © Mark Sandten | Mark Sandten

    Weinberg selbst warnte bei der Vorstandssitzung davor, die Partei nun stramm konservativ auszurichten. Damit könne die CDU in einer Stadt wie Hamburg nichts werden. Justizpolitiker Richard Seelmaecker dagegen betonte: „Es geht nicht um liberal oder konservativ. Es geht darum, endlich wieder die Pro­bleme der Menschen zu lösen.“ Dieser Aussage schlossen sich laut Sitzungsteilnehmern auch andere Vorstandsmitglieder wie der mögliche neue Fraktionschef Thering an.

    Kritisiert wurde auch gelegentlich, dass man in einer Situation, in der SPD und Grüne ihre Wahlkämpfe vollständig auf ihre Spitzenkandidaten zugeschnitten hätten, als CDU ebenfalls so stark mit Weinberg personalisiert habe. Für die Zukunft seien vor allem klare und wirklich unterscheidbare inhaltliche Aussagen für die CDU wichtig.

    Fehlender Teamgeist bei der CDU im Wahlkampf

    Dass der gescheiterte Kandidat Weinberg nicht sonderlich glücklich damit ist, wie manche Parteifreunde mit ihm umgehen, war ihm auch am Dienstag anzumerken. Offenbar vermisste der Kandidat bisweilen die volle Loyalität wichtiger Parteifreunde. Niemand anders sei zur Kandidatur bereit gewesen, dann aber habe es öfter Störfeuer gegeben, soll Weinberg auch intern sinngemäß kritisiert haben. Auch Vorstandsmitglieder konstatierten, dass während des Wahlkampfs der Teamgeist nicht sonderlich ausgeprägt gewesen sein.

    Nun kehrt Weinberg wieder als Bundestagsabgeordneter nach Berlin zurück. Dabei erleidet der 52-Jährige in seinen eigenen Augen nun wohl ein klassisches Schicksal von Zählkandidaten: „Geholt, verbrannt, beerdigt“. Letztlich könnte es für ihn aber auch ein Segen sein, unter diesen Vorzeichen kein Bürgerschaftsmandat bekommen zu haben. Ob die Partei ihm sein Engagement doch noch dankt, wird sich bei der Aufstellung der Bundestagskandidaten für 2021 zeigen.