Hamburg. Die Linksfraktion Eimsbüttel sieht in der Skulptur ein Stück Alltagsrassismus. Wie Bildhauer Balkenhol auf die Kritik reagiert.

Wirbel um eine der bekanntesten Skulpturen Hamburgs: Die Linksfraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel übt scharfe Kritik an einer Figur, die seit fast 20 vor Hagenbecks Tierpark in Stellingen steht. Es geht um die Bronzeplastik "Mann mit Giraffe", die Bildhauer Stephan Balkenhol zwischen 2000 und 2001 für den Eingang zum Tierpark Hagenbeck schuf. Sie zeigt einen Mann, der am Hals einer Giraffe hochklettert.

Das Problem, das die Linken in Eimsbüttel nun vor dem Hintergrund der Rassismusdebatte sehen: Der Mann hat eine schwarze Hautfarbe. "Die Skulptur ist so platziert, dass sie von Zigtausenden Autofahrenden, Besucherinnen und Besuchern des Tierparks, großenteils internationales Publikum und Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen schwarzer Hautfarbe wahrgenommen wird", heißt es in einer Pressemitteilung der Linksfraktion. Die Figur werde als Afrikaner wahrgenommen. Der NDR hatte zuerst über die Kritik der Linken an der Skulptur berichtet.

Hagenbeck: Kritik auch am Standort der Skulptur "Mann mit Giraffe"

Die Kritik bezieht sich nicht nur auf die Hautfarbe des Mannes am Hals der Giraffe, sondern in diesem Zusammenhang auch auf den Standort der Skulptur. Vor dem Hintergrund, dass in dem Tierpark noch vor wenigen Jahrzehnten Menschen aus Afrika in einer Völkerschau und zum Begaffen in einem sogenannten Afrikanischen Dorf ausgestellt worden seien, habe es mehr als nur ein Geschmäckle, diese Skulptur überhaupt und ausgerechnet an diesem Ort zu platzieren, so Peter Gutzeit, Co-Vorsitzender der Linksfraktion Eimsbüttel.

"Viele erkennen in der Skulptur den bestehenden und systemrelevanten Alltagsrassismus und fordern die Beseitigung solcher kulturellen Fehlleistungen." Deshalb müsse – neben der Carl-Hagenbeck-Statue – auch diese Skulptur auf dem Prüfstand der offenen und Weltstadt Hamburg stehen.

Fotografen lichten am 26. April  2001 die kurz zuvor enthüllte Statue
Fotografen lichten am 26. April 2001 die kurz zuvor enthüllte Statue "Mann auf großer Giraffe" ab. Das von dem Karlsruher Bildhauer Stephan Balkenhol geschaffen Kunstwerk steht seitdem vor dem Haupteingang zum Tierpark Hagenbeck. © picture alliance/dpa

Die Linksfraktion Eimsbüttel hat der Hamburger Kulturbehörde in Bezug auf die Skulptur "Mann mit Giraffe" Fragen zur Beantwortung gestellt. Eine dieser Fragen lautet: Wird die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Inhaber des Tierparks zum Abbau oder einer Veränderung der Skulptur in Erwägung gezogen?

Im Fokus der Kritik: Die Geschichte von Hagenbecks Tierpark

"Die Pressemitteilung mit Fragen und Forderungen an die Kulturbehörde zur Skulptur von Stephan Balkenhol ist bis heute die erste und einzige kritische Stellungnahme über das Kunstwerk, von der die Kulturbehörde Kenntnis hat", so Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Unabhängig davon habe der Senat bereits 2014 beschlossen, ein postkoloniales Erinnerungskonzept zu erarbeiten.

"Das geschieht derzeit in einem breiten Beteiligungsprozess unter anderem mit einem Runden Tisch und einem von den Communities besetzten Beirat zur Dekolonisierung Hamburgs. In diesem Prozess ist auch die Geschichte von Hagenbecks Tierpark bereits kritisch thematisiert worden".

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Der Tierpark nimmt nicht direkt Stellung zu der Bronzeplastik. Die Hagenbeck-Pressestelle verweist auf die Stellungnahme der Kulturbehörde. Dr. Dirk Albrecht, Geschäftsführer der Tierpark gGmbH, sagt: „Der Tierpark wird sich aktiv an der Aufarbeitung dieses Themas beteiligen.“

Bildhauer Stephan Balkenhol gibt sich gelassen

Auch der Erschaffer der Figur, Stephan Balkenhol, äußerte sich gegenüber NDR 90,3. Seine Antwort klingt gelassen: "Das ist einfach eine Bronze-Skulptur, die nach 20 Jahren natürlich die Tendenz hat, Patina zu bilden, beziehungsweise dunkler zu werden. Wenn man die jetzt reinigen würde, wird die Hautfarbe wieder heller."

Der Künstler Stephan Balkenhol arbeitet am 20. Februar 2001 in seinem Karlsruher Atelier an der Skulptur
Der Künstler Stephan Balkenhol arbeitet am 20. Februar 2001 in seinem Karlsruher Atelier an der Skulptur "Mann mit Giraffe". © picture alliance/dpa/Uli Deck

Dazu Peter Gutzeit: "Dann verstehe ich nicht, warum die Skulptur nicht wenigstens gereinigt wird."

Stephan Balkenhol schuf weitere Skulpturen für Hamburg

Stephan Balkenhol ist einer der berühmtesten Bildhauer der Gegenwart. Für Hamburg ist der Künstler ein alter Bekannter. Er studierte an der Hochschule für Bildende Künste (HfbK). Seit 1992 ist er Professor an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe.

1993 schuf Stephan Balkenhol für Hamburg zum Beispiel die "Vier Männer auf Bojen" für die Stadt Hamburg: Vier täuschend echt aussehende Holzmänner wurden auf Bojen platziert.

Der Bojenmann auf der Elbe vor der Strandperle in Othmarschen.
Der Bojenmann auf der Elbe vor der Strandperle in Othmarschen. © picture alliance/Bildagentur-online

Diese Figuren wurden auf der Außenalster (östl. Uferpromenade Höhe Schwanenwyk), der Elbe (Elbstrand / Höhe Strandperle / Schulberg), der Süderelbe ( östlich der Brücke des 17. Juni in Harburg) und auf dem Serrain (City von Bergedorf) als Teil des Projekt "Kunst im öffentlichen Raum" platziert. Derzeit werden die in die Jahre gekommenen Bojenmänner in Kooperation mit Stephan Balkenhol ersetzt.

Seit 2004 stehen Stephan Balkenhols Bronzeskulpturen "Mann und Frau" vor Hamburgs Zentralbibliothek am Hühnerposten in Hammerbrook.

Kein Publikumsverkehr mehr, aber Stephan Balkenhols Figuren halten die Stellung vor der Zentralbibliothek.
Kein Publikumsverkehr mehr, aber Stephan Balkenhols Figuren halten die Stellung vor der Zentralbibliothek. © imago images / Joko