Eppendorf. Vielen historischen Gebäuden droht das Aus – in Eppendorf trifft es eine ganze Häuserreihe. Dort soll ein Neubau entstehen.

Und wieder soll ein Stück des historischen Hamburgs verschwinden: In der Straße Im Winkel in Eppendorf erlaubt das Bezirksamt Hamburg-Nord den Abriss von vier schmucken Gründerzeithäusern. Mit Fachwerk, Ornamenten am geschwungenen Giebel und schmiedeeisernen Balkongittern prägen sie das beschauliche Straßenbild. Jetzt ist an ihrer Stelle offenbar ein massiver Neubau geplant: Ein erster Entwurf, der nicht dem Bebauungsplan entsprach, wurde bereits abgelehnt.

Veranstaltungsmanager Tim Stalmann, der seit 26 Jahren direkt gegenüber den Stadthäusern wohnt, und etliche Nachbarn sind in Sorge. „Das Denkmalschutzamt hat die Gebäude bislang nicht als Denkmäler eingestuft, und es gilt für diesen Bereich keine Städtebauliche Erhaltungsverordnung, sodass ein Abriss möglich ist.“ Aus dem Bezirksamt wird das bestätigt: Laut Bebauungsplan sei hier eine dreigeschossige Bauweise mit Staffelgeschossen zulässig – ein Abriss sei zwar genehmigt, jedoch noch nicht beantragt worden.

Gründerzeitvillen in Hamburg bilden historische Strukturen ab

Tim Stalmann kann nicht begreifen, dass die Villen abgerissen werden sollen. „Es handelt sich hier doch um sehr ansehnliche Häuser, die, setzt man sie instand, sehr attraktiv sind und in der ruhigen Wohnstraße schnell einen Interessenten fänden.“ Zudem bildeten die Gebäude die historischen Strukturen des Viertels ab: Auf der einen Straßenseite, an der Nordgrenze Eppendorfs, wurden bis 1910 die niedrigeren Stadthäuser errichtet, zu denen auch die jetzt vom Abriss bedrohten Häuser gehören.

Etwa 20 Jahre später entstanden gegenüber größere Backstein-Wohnblocks. „Möglicherweise als Abschirmung zu der damals dort neu gebauten Güterumgehungsbahn“, so Stalmann. Die Kulturbehörde scheine beim Denkmalschutz oft leider nur einzelne Gebäude im Blickfeld zu haben, jedoch keinen großen Wert auf gewachsene Strukturen zu legen, die das historische Gesamtbild eines Viertels oder einer Straße widerspiegeln, findet der Anwohner, der überlegt, eine Bürgerinitiative zu gründen.

Eimsbütteler Chaussee 39: Dieses Gründerzeitgebäude wurde bereits abgerissen.
Eimsbütteler Chaussee 39: Dieses Gründerzeitgebäude wurde bereits abgerissen. © Denkmalverein/ Kristina Sassenscheidt

Auch der Denkmalverein nennt die vier Einfamilienhäuser „trotz einiger Veränderungen an den Fassaden ein charmantes Ensemble“, das das Viertel seit mehr als 100 Jahren präge. „Mit den gegenüberliegenden, deutlich höheren Bauten aus den 1920er-Jahren veranschaulichen sie sowohl die dynamische Stadtentwicklung des ausgehenden 19. Jahrhunderts als auch den Wandel des architektonischen Geschmacks vom Historismus zur neuen Sachlichkeit“, so Geschäftsführerin Kristina Sassenscheidt.

Im Sinne der Erhaltung des Stadtbilds und der Baugeschichte sollte ein Abriss „unbedingt verhindert“ werden. Die Kulturbehörde betont, dass für die Häuser Im Winkel 5 bis 11 kein Denkmalschutz bestehe. „Das Denkmalschutzamt überprüft dennoch derzeit erneut den verbliebenen bauhistorischen Wert“, so Sprecher Enno Isermann.

Eimsbütteler Chaussee 39: Wo vorher ein charmantes Gründerzeitgebäude zu sehen war, steht heute gesichtsloser Neubau.
Eimsbütteler Chaussee 39: Wo vorher ein charmantes Gründerzeitgebäude zu sehen war, steht heute gesichtsloser Neubau. © Denkmalverein/ Kristina Sassenscheidt | Denkmalverein/ Kristina Sassenscheidt

Trutzige Villa steht seit mehr als 15 Jahren leer

Kein Denkmal ist auch die kleine, trutzige Villa an der Averhoffstraße. Seit mehr als 15 Jahren steht sie leer, seit 2017 gibt es einen Bauvorbescheid, jetzt eine Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen und einer Tiefgarage. Das weit vor 1900 errichtete Haus bildet den sogenannte Historismus ab, in dem eher spielerisch ältere Baustile nachgeahmt wurden – „in diesem Fall Burgenromantik mit Zinnen auf dem Dach und einem gotischen Spitzbogen über der Tür“, so Kristina Sassenscheidt.

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Besonders spannend sei der Größenunterschied zum jüngeren, gründerzeitlichen Nachbarhaus rechts. „Er zeigt, dass sich das Stadtwachstum innerhalb weniger Jahre sehr beschleunigt hat und plötzlich deutlich mehr Wohnraum auf derselben Fläche gebaut wurde. Solche Dimensionssprünge veranschaulichen die Stadtgeschichte.“ Auch ohne Denkmalschutz sei die Villa „markant und wichtig für die Geschichte und den Charakter dieser Gegend“.

Der Bauantrag ist bereits genehmigt: Statt dieser trutzigen kleinen Villa steht an der Averhoffstraße bald ein Neubau mit zehn Wohnungen­ und einer Tiefgarage.
Der Bauantrag ist bereits genehmigt: Statt dieser trutzigen kleinen Villa steht an der Averhoffstraße bald ein Neubau mit zehn Wohnungen­ und einer Tiefgarage. © Insa Gall | Insa Gall

Auf der Website www.denkmalverein.de listet der Verein weitere vom Abriss bedrohte Gründerzeitgebäude auf. Etwa das imposante Bürohaus am Johannisbollwerk 10: Bis vor Kurzem gehörte es dem Haspa-Tochterunternehmen Haspa PeB, das an dem Standort den Neubau eines Büro- oder Hotelkomplexes ankündigt, das Gebäude aber nach eigenen Angaben wieder verkauft hat.

Letztes Gründerzeithaus an der Hafenkante

Mit den Gebäuden am Johannisbollwerk 19 und Vorsetzen 53 gehört es zu den einzigen übrig gebliebenen Häusern aus der späten Gründerzeit an der Hafenkante. Die Kulturbehörde verweist darauf, dass das Gebäude nach 1945 außen und innen zu stark verändert wurde, um als Einzeldenkmal geschützt zu werden. Der Denkmalverein betont dagegen, dass das Gebäude seit mehr als 100 Jahren die Hafenkante präge. Zudem sei es ökologisch nicht vertretbar, ein „funktionsfähiges Gebäude“ ohne Not zu vernichten – zumal Altbauwohnungen in Hamburg sehr begehrt seien.

Es prägt seit mehr als 100 Jahren die Hafenkante – nun soll das helle Gebäude am Johannisbollwerk durch einen Neubau ersetzt werden.
Es prägt seit mehr als 100 Jahren die Hafenkante – nun soll das helle Gebäude am Johannisbollwerk durch einen Neubau ersetzt werden. © Denkmalverein/ Antipas Papageorgiou | Denkmalverein/ Antipas Papageorgiou

Daher wollte auch das Wohnprojekt „Fährstraße 115“ (gemeinsam mit dem „Mietshäusersyndikat“) im vergangenen März das 1905 errichtete Etagenhaus kaufen, in dem es seit 2007 lebt – erfuhr dann aber überraschend, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt, um das Haus aus Gründen des Hochwasserschutzes abreißen zu können. Auch in dem 1893 erbauten Etagenwohnhaus an der Zeughausstraße 42/44 könnte Wohnen bald nicht mehr möglich sein.

Der Denkmalverein befürchtet, dass das angeblich von Schwamm befallene Gebäude, in dem keine Neuvermietungen mehr durchgeführt werden, so endet wie das ebenfalls gründerzeitliche Nachbarhaus: Es wurde nach jahrelangem Sanierungsstau wegen Schwamms abgerissen.