Hamburg. Aus dem Alten Finanzamt an der Großen Bergstraße wird das „Neue Amt Altona“ für Kreative und Kleinunternehmer.
Ein paar Tische und Stühle, zwei Laptops, wenige Aktenordner – die Einrichtung des Büros an der Großen Bergstraße könnte spartanischer kaum sein. Und doch entsteht hier eine Vision. Mitte 2022 soll mitten in Altona ein Zentrum eröffnen, das es in dieser Konzeption in Hamburg noch nicht gibt: ein Haus für Kreative, Soloselbstständige und Kleinunternehmer auf Genossenschaftsbasis.
Der Projektname „Neues Amt Altona“ könnte treffender kaum sein. Denn Kern des Ensembles bildet das Alte Finanzamt, eingeklemmt zwischen Großer Bergstraße und Neuer Großer Bergstraße. 2007 hatte die Hamburger Finanzbehörde dieses Gebäude aufgegeben.
„In diesen Zeiten braucht es neue Konzepte, um die Frage ,Wem gehört die Stadt?’ zu beantworten“, sagt Architekt Cornelius Voss, einer der Initiatoren. Was er meint, wird klar beim Blick auf die Mietsteigerungen in Hamburg, die auch den Büromarkt erfassen. Laut Analyse des Beratungs- und Maklerunternehmens JLL aus dem vergangenen Jahr. werden in der City bereits die ersten Verträge mit Mieten von 30 Euro je Quadratmeter und mehr abgeschlossen. Auch die Durchschnittsmiete erreichte mit 17,40 Euro einen neuen Rekordwert.
Die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise mag zwar kurzfristig den Anstieg dämpfen, wird aber an dem Grundproblem nichts ändern: gerade für Existenzgründer und Kreativschaffende ist Büroraum in der Hansestadt kaum noch erschwinglich.
Günstiger und hochwertiger Büroraum
Genau hier setzen die Initiatoren an. „Mit dem Neuen Amt Altona schaffen wir nicht nur nachhaltigen, günstigen und hochwertigen Büroraum. Wir machen die Inhaber von kleinen Unternehmen und Kreativschaffende zu Co-Besitzern“, sagt Timo Lundelius, der sich als Digitalspezialist, Moderator und Berater um die Gründung der Genossenschaft kümmert.
15 Millionen Euro wird das Projekt insgesamt kosten, davon fließen 6,3 Millionen Euro für das Grundstück und die vorhandene Immobilie an die Stadt. Hier residieren bereits seit 2012 Künstler, Modedesigner, Grafiker und Filmemacher für Mieten zwischen 5 Euro und 6 Euro pro Quadratmeter. Zuvor stand das Bürogebäude in Filetlage vis-à-vis des Bahnhofs Altona jahrelang leer. 2017 drohte das Aus, die Stadt erwog den Verkauf, der Bezirk Altona machte sich aber dafür stark, dass der Standort für die Kreativwirtschaft erhalten bleibt.
Dies soll nun gelingen. Mit dem Kauf werden die Mietverträge um 20 Jahre zu weiter sehr günstigen Konditionen verlängert. Saniert werden die alten Amtsstuben nur behutsam, etwa mit neuen Heizungen und neuen Sanitäranlagen. Ergänzt wird das Projekt um einen sechsstöckigen Bürobau mit insgesamt 250 Arbeitsplätzen, ein Flachbau mit einem Schuh- und einem Modegeschäft am Anfang der Neuen Großen Bergstraße wird dafür abgerissen. Verbunden werden Neu- und Altbau durch gemeinsame Veranstaltungsflächen mit Gastronomie im Erdgeschoss.
Fläche werden nicht vermietet, sondern an Genossen vergeben
„Hier wollen wir einen Ort der Begegnung schaffen, eine Ideenschmiede. Wir wollen das Haus auch für das Quartier öffnen, etwa mit Ausstellungen“, sagt Christina Veldhoen, die als Kommunikations- und Kulturmanagerin für das Projekt arbeitet. Selbst im Viertel wisse doch kaum jemand, „dass hier hochkarätige Kreativschaffende arbeiten“.
Den Zuschlag der Stadt erhielt die Initiative auch durch die geplante Bauweise des Bürohauses. Architekt Cornelius Voss setzt vor allem auf Holz. Wie berichtet, will der Senat den Bau mit diesem klimafreundlichen Naturstoff fördern. Voss ist Spezialist auf diesem Gebiet, das Studentenwohnheim Woodie in Wilhelmsburg plante er maßgeblich mit. Zusätzlicher Vorteil auf diesem engen Grundstück: Die Module werden vorgefertigt angeliefert, sodass weniger Fläche für die Baustelle benötigt wird. Zudem wird die Bauzeit stark verkürzt.
Die Bürofläche wird als sogenanntes Co-Working-Space konzipiert. Solche Gebäude richten sich vor allem an Firmengründer, Selbstständige und Kreative, die einen Arbeitsplatz auf Zeit suchen. Der Betreiber stellt Schreibtische und Drucker, sorgt für Internet sowie Konferenzräume, die bei Bedarf zusätzlich angemietet werden können. Das Konzept wird immer beliebter, auch große Firmen mieten solche Flächen an – etwa für ein befristetes Projekt.
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Das „Neue Amt“ funktioniert etwas anders. Die Fläche werden nicht vermietet, sondern an Genossen vergeben. Ein Anteil kostet 500 Euro, wer jetzt zehn Anteile für insgesamt 5000 Euro zeichnet, kann sich ab Mitte 2022 einen festen Schreibtisch sichern. Fällig wird dann noch eine Nutzungsgebühr von 240 Euro im Monat, deutlich unter den Mietpreisen, die sonst berechnet werden. Wer Genossenschaftsanteile für 20.000 Euro erwirbt, kann ein abgeschlossenes Team-Büro mit vier bis sechs Arbeitsplätzen für eine spätere Nutzungsgebühr ab 960 Euro Monat beziehen.
Förderanteile werden mit 1,5 Prozent verzinst
Die Initiatoren setzen noch auf ein drittes Modell: Möglich ist eine Fördermitgliedschaft. Diese Mitglieder erwerben Anteile an der Genossenschaft, ohne den Arbeitsplatz nutzen zu wollen. Ihre Anteile werden mit 1,5 Prozent im Jahr verzinst. Die Macher hoffen auf möglichst viele Genossen in dieser Frühphase. Die Rechnung ist einfach: Jeder Euro mehr Eigenkapital senkt die Kosten für den Immobilienkredit. Einer Hamburgerin gefällt das Konzept so gut, dass sie Anteile kaufen will, um damit später einem Soloselbstständigen den Arbeitsplatz in den ersten Jahren zu finanzieren.
Allerdings wurden alle Pläne vor der Pandemie erarbeitet. Bedeutet Corona nun eine Gefahr für das „Neue Amt Altona“? Schließlich haben sich viele Hamburger in den vergangenen Monaten an das Arbeiten daheim gewöhnt. Die Macher sehen das anders. Denn ihr Konzept ermögliche, was beim Heim-Arbeitsplatz fehle: Kontakt mit Gleichgesinnten.