Hamburg. Kritiker fordern Sanierungsstopp der Statue im Alten Elbpark. Auch die Stadt will mit „unkritischer Wahrnehmung“ brechen.
„Otto must fall“ stand auf einem der Plakate, die bei einer Kundgebung zu Füßen des Bismarck-Denkmals in die Luft gereckt wurden. Doch fallen wird das weltgrößte Denkmal zu Ehren des früheren Reichskanzlers, das 1906 im Alten Elbpark oberhalb der Landungsbrücken enthüllt wurde, sicher nicht.
Das Schicksal des Sklavenhändlers Edward Colston, dessen Statue im englischen Bristol im Zuge einer Black-Lives-Matter-Demonstration vom Sockel geholt wurde, wird der Hamburger Bismarck-Figur schon wegen ihrer Höhe (34,3 Meter) erspart bleiben. Doch einfach so stehen bleiben soll sie auch nicht – und schon gar nicht, wie geplant, für neun Millionen Euro saniert werden.
Das jedenfalls fordern die Initiativen „Intervention Bismarck-Denkmal“ und „Decolonize Bismarck“, die zu der Kundgebung aufgerufen hatten, an der nach Polizeiangaben rund 120 Personen teilnahmen. Und das findet auch Kultursenator Carsten Brosda, in dessen Behörde es offenbar bereits erste Überlegungen gibt, diese Kritik an dem ehemaligen Reichskanzler mit einem „öffentlichen Signal“ an dem Denkmal darzustellen.
Kritiker fordern Sanierungsstopp des Bismarck-Denkmals
„Wir fordern die Stadt Hamburg auf, die Sanierung des Bismarck-Denkmals sofort zu stoppen und aus dem Denkmal für einen Antidemokraten, Antisemiten und Wegbereiter des deutschen Kolonialismus ein Gegendenkmal zu machen – beispielsweise durch eine künstlerische Interaktion, die auch die Nachbarn einbezieht“, sagt Frauke Steinhäuser von der „Intervention Bismarck-Denkmal“. Der Zusammenschluss „Bismarck Critical Neighbours“ hat sich bereits gegründet und an der Kundgebung teilgenommen. Auch das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“, der Flüchtlingsrat und die Interventionistische Linke waren vor Ort. Sie fordern, auch Nachkommen von Kolonisierten einzubeziehen.
„Ungerührt davon, dass in den letzten Wochen weltweit Denkmäler für Rassisten, Sklavenhändler und Kolonialakteuren gestürzt wurden und sich die Bürgerschaft schon 2014 bereiterklärt hatte, Hamburg zu entkolonialisieren, putzt die Stadt derzeit das monumentale Bismarck-Denkmal heraus“, sagt Mitorganisatorin Hannimari Jokinen von „Decolonize Bismarck“.
Zumal sei es doch fast ein Witz, das ausgerechnet der ehemalige SPD-Politiker Johannes Kahrs dafür mehrere Millionen Euro beim Bund eingeworben habe, finden die beiden Frauen. Schließlich habe Bismarck seinerzeit mit dem Sozialistengesetz unter anderem sozialdemokratische Aktivitäten verboten. Damit, dass der ehemalige Reichskanzler den Kolonialismus vorangetrieben habe – unter anderem mit der Berliner Afrika-Konferenz, auf der die Aufteilung des schwarzen Kontinents unter den europäischen Mächten völkerrechtlich abgesichert wurde – habe sich der Senat bislang noch nicht auseinandergesetzt, kritisieren Steinhäuser und Jokinen.
Stadt will koloniale Vergangenheit Bismarcks aufarbeiten
Die Kulturbehörde verweist unterdessen darauf, dass es einen laufenden Prozess der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und zum Umgang mit Bismarck gebe. „Die Bismarck-Statue kann nicht einfach unkommentiert im Stadtbild stehen“, sagt daher auch Senator Carsten Brosda. „Sie repräsentiert eine autoritäre und koloniale Vergangenheit, die im Widerspruch zu unseren heutigen Vorstellungen einer offenen, demokratischen und vielfältigen Gesellschaft steht. Sie benötigt eine Einordnung, die eine unkritische Wahrnehmung bricht.“
So wäre eine kommentierende Ausstellung im begehbaren Sockel der mächtigen Statue von Beginn an ein Teil der Planungen gewesen. Doch es sei auch ein Signal im öffentlichen Raum notwendig. „Wie das gelingen kann, wollen wir in einem Beteiligungsprozess klären, den wir in der Behörde für Kultur und Medien vorbereiten“, so Brosda. „Neben einem Einordnungs- und Vermittlungskonzept kann ich mir gut einen künstlerischen Wettbewerb vorstellen, um hier Antworten zu entwickeln.“ Dafür wäre man seit einiger Zeit mit den Mitgliedern des Beirats zur Dekolonisierung Hamburgs im Gespräch.
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Hamburgs Bismarck-Denkmal wurde von Kaufleuten finanziert
Das Bismarck-Denkmal wurde auf Initiative des Hamburger Bankiers Max von Schinckel errichtet. Er gründete dafür kurz nach dem Tod des Reichskanzlers 1898 ein „Comité“, dem unter anderem Bürgermeister Johann Mönckeberg, Reeder Carl Laeisz, Jurist Ernst Sieveking und Überseekaufmann William O’Swald angehörten.
An den Baukosten (453.000 Mark) beteiligten sich unter anderem Reeder Edmund Siemers, Bankier Johann Freiherr von Berenberg-Gossler und Diamantenhändler Ludwig Lippert mit Spenden. In der Bevölkerung blieb die Spendenbereitschaft trotz mehrfacher Aufrufe gering. Einen 1901 aufgerufenen Wettbewerb gewannen Hugo Lederer und Emil Schaudt mit ihrem Entwurf, der Bismarck als riesige Rolandstatue mit Schwert darstellte. Im Sockel brachten die Nazis später völkische Ornamente und Parolen an, die noch heute vorhanden sind.