Hamburg. Tausende demonstrieren friedlich gegen Rassismus und Polizeigewalt. Nach Ende der Großdemonstration eskaliert die Lage.
In der Hamburger Innenstadt haben am Sonnabend rund 14.000 Menschen friedlich gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Zwei Demonstrationen, die für zusammen 750 Teilnehmer angemeldet worden waren, erhielten immensen Zulauf. Die Veranstaltungen konnten zwar aufgrund der Corona-Regeln nicht wie geplant ablaufen, die Polizei verzichtete aber darauf, eine Räumung des Rathausmarktes und der angrenzenden Straßen durchzusetzen.
Allerdings kam es am späten Nachmittag zu Ausschreitungen, nachdem Polizisten von Demonstranten angegriffen worden waren. Die Krawalle, an denen laut Polizei mehrere hundert Menschen teilnahmen, verlagerten sich an Orte in der gesamten Innenstadt und dauerten bis zum Abend. Es gab mehrere Festnahmen.
Die Entwicklungen im Demo-Newsblog:
- Ausschreitungen nach friedlicher Großdemonstration
- Zusammenstöße am Rand der Demonstration
- Jungfernstieg und Stadthausbrücke: S-Bahnen halten wieder
- 14.000 Demonstranten in Hamburger Innenstadt
- Towers-Basketballer zeigen Präsenz
- Polizei: Mittlerweile 10.000 Teilnehmer am Jungfernstieg
- Schweigeminute am Jungfernstieg – auf den Knien
- 9000 Demonstranten am Jungfernstieg
- Wegen starkem Zulauf: Polizei sperrt U- und S-Bahnhöfe
- Verkehrsbehinderungen im Innenstadtbereich
Lage in der Innenstadt lange angespannt
Die Lage hat sich auch Stunden nach dem endgültigen Ende der friedlichen Großdemonstration in der Innenstadt noch nicht wieder entspannt. Immer wieder käme es an verschiedenen Orten zu Angriffen auf Polizeieinheiten, es würden Flaschen und Steine geworfen, heißt es von der Polizei. Rund 500 Menschen seien in kleineren und größeren Gruppen unterwegs, würden immer wieder die Auseinandersetzung mit den Beamten suchen.
Erst gegen 20.45 Uhr teilte die Polizei via Twitter mit, die Lage in der Innenstadt habe sich "weitgehend normalisiert". Bis zum späten Abend zählte die Polizei elf Fest- und 36 Ingewahrsamnahmen, es seien insgesamt 16 Beamte verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, ist nicht bekannt.
Weiter Ausschreitungen nach friedlicher Großdemonstration
Auch am frühen Abend hat sich die Lage am Jungfernstieg und im Bereich Valentinskamp noch nicht beruhigt: Es werden Barrikaden errichtet, die Einsatzkräfte werden weiterhin massiv mit Gegenständen beworfen – die Randalierer zerren nach Abendblatt-Informationen unter anderem Abfallcontainer, Einkaufswagen und Tische eines Straßenlokals auf die Fahrbahn.
Laut Polizei seien inzwischen mindestens sechs Beamte durch Wurfgeschosse verletzt worden, mindestens zwei Menschen wurden nach Flaschenwürfen festgenommen.
Polizeisprecherin Evi Theodoridou betonte, dass die Beamten versucht hätten, deeskalierend auf die Vermummten einzuwirken. So sei der Wasserwerfer nur zum Schutz der eingesetzten Polizisten herangefahren worden, vor seinem Einsatz sei mehrfach per Lautsprecherdurchsage gewarnt warnt worden. Auf die Aufforderung, den Bereich zu verlassen, sei aber wiederholt nur mit weiterem Bewurf reagiert worden.
Zusammenstöße am Rand der Demonstration
Während der allergrößte Teil der Demonstranten friedlich gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert, kommt es am Rand der Großkundgebung, die um 18 Uhr endgültig beendet wurde, zu Ausschreitungen: Eine Gruppe von rund 300 Personen hatte sich von der eigentlichen Demonstration abgespalten und im Bereich Bergstraße/Jungfernstieg begonnen, Polizisten zu bedrängen. Mindestens zwei Beamte seien verletzt worden, so Polizeisprecherin Evi Theodoridou. In den sozialen Medien ist gleichzeitig die Rede durch Aggression von seiten der Beamten.
Die Gruppe habe sich zudem vermummt und Transparente mit den Aufschriften "Bullenschweine" und "ACAB" (All cops are bastards) entrollt. Die Gruppe sei daraufhin als nicht genehmigte Versammlung eingestuft worden, die Teilnehmer seien laut Theodoridou aufgefordert worden, sich zu entfernen. Als sie dem nicht nachkamen, sondern es weiter zu "massivem Bewurf" gegen die Beamten kam, setzte die Polizei Pfefferspray ein und kündigte auch den Einsatz der inzwischen vorgezogenen Wasserwerfer an.
Gegen 18.15 Uhr wurden die Wasserwerfer an der Bergstraße zunächst zur "Beregnung" der Demonstranten eingesetzt – anscheinend soll die Gruppe in Richtung Jungfernstieg/Gänsemarkt geschickt werden.
Aber auch am Valentinskamp kommt es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. Gruppen von Vermummten plündern nach Reporterangaben Abfallsäcke mit Bauschutt und bewaffnen sich mit Ziegelsteinen, es kommt zu Böllerwürfen gegen die Polizei. Diese wiederum droht per Lautsprecherdurchsage mit dem Einsatz von "Zwangsmitteln", sollten sich die Demonstranten nicht entfernen.
Jungfernstieg und Stadthausbrücke: S-Bahnen halten wieder
Die S-Bahn Hamburg teilte gegen 15.30 Uhr auf Twitter mit, dass die S-Bahnen wieder an den Haltestellen Jungfernstieg und Stadthausbrücke halten.
14.000 Demonstranten in Hamburger Innenstadt
Auch zur Demonstration auf dem Rathausmarkt kamen deutlich mehr Teilnehmer, als erwartet. Es sollen etwa 6000 Teilnehmer vor Ort sein, ursprünglich waren 300 Personen angemeldet. Die Protestler zeigen sich ebenfalls solidarisch mit der Black Community, aber demonstrieren auch für die Aufnahme von Flüchtlingen. Die Versammlungsleitung sieht aufgrund der hohen Teilnehmerzahl von der Durchführung der Veranstaltung ab. Die Polizei spricht gegen 15.07 Uhr von insgesamt 14.000 Demonstranten im Hamburger Innenstadtbereich.
Towers-Profis zeigen Präsenz
Auch der Basketball-Bundesligist Hamburg Towers hat bei der Demo Präsenz gezeigt. "Black lives matter", schrieben die Wilhelmsburger zu einem Bild in ihrer Story, auf dem unter anderem die Spieler René Kindzeka und Justus Hollatz zu sehen waren.
Unter der Woche hatte sich bereits Towers-Profi Jannik Freese klar positioniert und entgegen eines Appells der Basketball-Bundesliga BBL ein politisches Statement zum gewaltsamen Tod von George Floyd abgegeben.
Polizei: Mittlerweile 10.000 Teilnehmer am Jungfernstieg
Gegen 15 Uhr twitterte die Polizei Hamburg, dass sich weiterhin etwa 10.000 Demonstranten im Bereich zwischen Jungfernstieg und Gänsemarkt aufhalten. "Unsere Kommunikationsteams sind im Einsatz und weisen auf die Rechtslage und die Auflagen zur Minimierung eines Corona-Infektionsrisikos hin", heißt es weiter.
Schweigeminute am Jungfernstieg – auf den Knien
Zum offiziellen Abschluss der Demonstration bittet Veranstalterin Audrey Boateng um eine Schweigeminute. "Das ist nicht das Ende, wir werden wiederkommen", sagt sie. Anschließend führen die Teilnehmer eine Schweigeminute durch – mit erhobener Faust und auf den Knien.
9000 Demonstranten am Jungfernstieg
Gegen 14.20 Uhr berichtete die Polizei bereits von 9000 Menschen, die sich im Bereich zwischen Jungfernstieg und Gänsemarkt aufhalten. Zulässig wegen der Corona-Regeln nur 525 Teilnehmer, so die Polizei auf Twitter. Die Versammlungsleitung habe die Versammlung daher bereits beendet.
Die Veranstalterin hatte ursprünglich 500 Teilnehmer erwartet, die Polizei rechnete jedoch mit deutlich mehr Demonstranten, so der Lagedienst der Polizei gegenüber dem Abendblatt. Grund dafür war der große Zulauf, den die Black-Lives-Matter-Demo vor dem US-Konsulat am Freitag hatte. Statt der erwarteten 250 Teilnehmer, kamen etwa 4500 Menschen ans Alsterufer. Die Demos in Hamburg sind Teil einer großen Protestwelle wegen des brutalen Tods von George Floyd bei einem Polizeieinsatz. Auch in Berlin, Nürnberg, München, Frankfurt und etlichen anderen Städten sind für Sonnabend Aktionen geplant.
Wegen starkem Zulauf: Polizei sperrt U- und S-Bahnhöfe
Wegen des großen Zulaufs zur "Nein zu Rassismus"-Demonstration am Jungfernstieg sperrt die Polizei die Bahnhöfe Jungfernstieg, Rathausmarkt, Gänsemarkt und Stadthausbrücke. S- und U-Bahnen fahren ohne Halt durch die Stationen, so die Polizei auf Twitter.
Verkehrsbehinderungen im Innenstadtbereich
Aufgrund der Demonstrationen kommt es im Innenstadtbereich zu mehreren Straßensperrungen. Davon ist auch der Verkehr des HVV betroffen: Ab etwa 13 Uhr müsse mit Einschränkungen und Umleitungen von Linienbussen gerechnet werden, teilte die Hochbahn auf Twitter mit. Das Unternehmen zeigt sich außerdem solidarisch mit den Demonstranten: "Dafür machen wir selbstverständlich Platz #BlackLivesMatter", heißt es in dem Tweet weiter.