Hamburg. “Ein Triumph“: Mit der Finanzierung ist der Weg für das neue Museum in der Hansestadt frei. Nun muss ein Neubau her.
Es könnte der Durchbruch sein für ein neues Naturkundemuseum in Hamburg: Die Wissenschaftsministerinnen und –minister des Bundes und aller Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) haben am Freitag beschlossen, das Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg ab 2021 in die Förderung der renommierten außeruniversitären Leibniz-Gemeinschaft aufzunehmen. Dafür fusioniert das CeNak mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn, das schon zur Leibniz-Gemeinschaft gehört.
Gemeinsam bilden die beiden Einrichtungen künftig das „Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels“. Dessen Mitarbeiter sollen erforschen, wie sich die Vielfalt des Lebens durch die Evolution und durch den Einfluss des Menschen verändert. Es geht um die Brisanz des Artensterbens, um Veränderungen von Tier- und Pflanzenpopulationen durch die globale Erderwärmung und die Frage, wie sich der Reichtum der Natur erhalten lässt.
Rot-Grün will Gebäude für neues Naturkundemuseum schaffen
Ein wesentlicher Teil des neuen Leibniz-Instituts soll eine Einrichtung werden, die einen „Dreiklang aus Forschung, Sammlung und Ausstellung“ bietet. So haben es Hamburgs SPD und Grüne in ihrem neuen Koalitionsvertrag formuliert. Darin kündigen sie zudem an: Wenn es mit der Leibniz-Förderung klappe, wolle Rot-Grün „ein geeignetes Gebäude schaffen, um Bedeutung und Wandel der Biodiversität allen Hamburger*innen mit einem modernen Ausstellungskonzept auf faszinierende Art und Weise nahezubringen“.
Nun ist diese Bedingung erfüllt. „Die Entscheidung macht endgültig den Weg frei für ein neues Naturkundemuseum in Hamburg“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Freitag.
Loki Schmidt hatte für ein Naturkundemuseum gekämpft
Schon Loki Schmidt hatte für eine solche Einrichtung gekämpft – vergeblich. Aber sie fand Mitstreiter, die sich weiter für ihr Anliegen einsetzten. So schildert es jedenfalls Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg. „Bei einem meiner ersten Besuche im Hause Helmut und Loki Schmidt musste ich die Enttäuschung von Loki Schmidt darüber registrieren, dass die Stadt sich zum Wiederaufbau eines Naturkundemuseums nie hat verständigen können“, sagt Lenzen. „Das hat mich gelockt und ich habe ihr versprochen, alles daran zu setzen, ein solches Museum wieder entstehen zu lassen.“
Auch für CeNak-Direktor und Biologieprofessor Matthias Glaubrecht ist das „Ja“ zur Leibniz-Förderung ein Triumph. Der gebürtige Hamburger arbeitete früher für das Naturkundemuseum in Berlin, baute dort von 2006 bis 2009 als Mitglied des Direktoriums die Abteilung Forschung auf. 2014 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und engagierte sich hier beharrlich für ein neues Naturkundemuseum – leidenschaftlich, aber auch unbequem und nicht immer hanseatisch zurückhaltend. Seinem Ziel ist Glaubrecht immer näher gekommen. Er spricht angesichts der Leibniz-Entscheidung von einer „historischen Chance“ für die Hansestadt.
Der Antrag auf eine Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft hatte 2018 sogar Hamburgs großen Stifter Michael Otto dazu gebracht, demonstrativ gemeinsam mit Katharina Fegebank und Dieter Lenzen vor die Presse zu treten, um für das Projekt zu werben. Er sei sehr froh, dass die Hansestadt endlich eine „seit Jahrzehnten bestehende Lücke in der Hamburger Museumslandschaft“ schließen wolle, sagte Otto damals. Fünf Jahre zuvor hatte er eine Machbarkeitsstudie zu einem neuen Naturkundemuseum erstellen lassen. Nun teilt Otto auf Nachfrage mit, er freue sich darüber, „dass der Entwicklungsprozess für ein neues Naturkundemuseum voranschreitet“. Er werde sich „auch zukünftig für den Fortgang des Vorhabens interessieren“.
Bund trägt die Hälfte der staatlichen Zuwendungen trägt der Bund
Bei den Bemühungen um ein neues Naturkundemuseum gab es über viele Jahre hinweg vor allem zwei finanzielle Knackpunkte. Wer bezahlt einen Neubau oder den Umbau eines bestehenden Gebäudes? Und: Will und kann sich die Stadt die Betriebskosten dauerhaft leisten? Allein mit dem Geld, das Hamburg für das CeNak bereitstellt, ließe sich ein ungleich größeres Forschungsmuseum vergleichbar etwa mit dem Naturkundemuseum in Berlin nicht finanzieren, hieß es.
Mit der Überführung in die Leibniz-Gemeinschaft ändert sich die Lage: 50 Prozent der staatlichen Zuwendungen für den Aufbau des neuen Leibniz-Instituts trägt der Bund. Hamburg zahlt rund 37,5 Prozent. Den Rest tragen alle Bundesländer im Rahmen der gemeinsamen Vereinbarung zur Förderung der Leibniz-Institute. Darüber hinaus finanziert Hamburg Ausstellungskosten mit rund 2,1 Millionen Euro im Jahr 2021 (bis 2026 aufsteigend auf rund 2,6 Millionen Euro) und den Neubau für das geplante Hamburger Forschungsmuseum.
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Damit seien die „kontinuierlichen Finanzierungsvoraussetzungen“ für ein solches Museum in Hamburg geschaffen, sagt Uni-Chef Dieter Lenzen. „Da dieses die Bedingung potenzieller Mäzene für den Bau eines Museums war, stehen diesen nun alle Türen offen, sich zu engagieren. Darauf freue ich mich.“ Engagieren könnten Mäzene sich etwa mit einem Zuschuss zur Finanzierung des Neubaus oder zum Aufbau der Ausstellung.
CeNak-Direktor: Wunsch-Standort wäre die Spitze des Baakenhöfts
Wie groß und teuer der Neubau werden und wo er entstehen könnte, ist allerdings immer noch unklar. Matthias Glaubrechts Präferenz hat sich nicht verändert: „Mein idealer Wunsch-Standort wäre weiterhin die Spitze des Baakenhöfts, wo heute der alte Kakaospeicher steht“, sagt der CeNak-Direktor. „Gegenüber auf dem Kleinen Grasbrook entsteht ab 2023 das Hafen-Museum – Synergien als Museums-Standort mit beiden neuen Häusern wären ideal.“
Einst besaß Hamburg ein eigenes Naturkundemuseum. Es befand sich am Steintorwall nahe dem Hauptbahnhof. Während der "Operation Gomorrha" im Juli 1943 ging die Einrichtung unter den Bomben der Alliierten in Flammen auf – und mit ihr die ganze Ausstellung. Heute steht anstelle des Naturkundemuseums ein Elektrogroßmarkt. Ein Teil der naturkundlichen Sammlungen war allerdings damals ausgelagert worden und konnte gerettet werden. Unter anderem mit Exponaten aus Privatsammlungen wuchsen die Sammlungen wieder. Heute gehören sie der Universität.
Allein die zoologische Sammlung umfasst schätzungsweise zehn Millionen Objekte – von konservierten Amphibien und Reptilien über Säugetiere und Vögel, Spinnen und Tausenfüßer bis hin zu Quallen. Zusammen mit anderen naturkundlichen Sammlungen bilden sie ein Archiv des Lebens, anhand dessen sich der Verlauf der Evolution nachvollziehen lässt.
Derzeit wird das Ausstellungsdesign entworfen
Von den Hamburger Exponaten kann im Zoologischen Museum an der Bundesstraße aber nur ein kleiner Teil ausgestellt werden. Die Einrichtung bekam 2018 einen neuen Eingang zur Bundesstraße. Ein Zehntel der 2000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche wurde neu gestaltet. Doch anderswo wird mehr geboten: Das populäre Naturkundemuseum in Berlin etwa hat 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.
Auch das Geologisch-Paläontologische und das Mineralogische Museum, die in anderen Gebäuden untergebracht sind, können nur eine Auswahl von insgesamt 100.000 Fossilien und 90.000 Mineralien zeigen. Zoologie, Paläontologie und Mineralogie ließen sich zusammenführen unter dem Dach eines neuen Hamburger Naturkundemuseums. „Evolutioneum“ würde CeNak-Direktor Matthias Glaubrecht ein solches Haus gerne nennen.
Der Biologieprofessor arbeitet mit einigen Mitarbeitern und mit Ausstellungsdesignern der Firma Appelbaum Associates (New York/Berlin) derzeit an einem szenografischen Konzept. Im Frühjahr 2021 könnte es fertig werden. „Erste Ideen zu einem Evolutioneum möchten wir Senatorin Katharina Fegebank aber gerne schon nach der Sommerpause vorstellen“, sagt Glaubrecht.