Hamburg. Um Unternehmen zu unterstützen, hat die Stadt ein ganzes Bündel an Hilfsprojekten aufgelegt. Kosten gehen in die Milliarden.

Manchmal stehen die Bedürftigen direkt vor der Tür. So am Freitag: Da kamen sechs gewerkschaftlich organisierte Kleinunternehmer und die Ver.di-Fachbereichsleiterin Agnes Schreieder zur Finanzbehörde am Gänsemarkt, um Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) persönlich um mehr Unterstützung für Solo-Selbstständige und Kreative zu bitten.

Rund eine halbe Stunde dauerte das Gespräch unter freiem Himmel. Viele von ihnen seien wegen behördlicher Einschränkungen in der Corona-Krise in Existenznot geraten, klagten die Betroffenen – erkannten aber auch an, dass die Stadt bereits einiges für sie getan habe und noch tun wolle. Einig war man sich auch, dass die Hilfsprogramme des Bundes für Solo-Selbstständige leider gar nicht helfen, was aber nötig wäre.

Tatsächlich wäre die Behauptung, die Stadt lasse Corona-Geschädigte allein, auch unsachlich. So läuft seit Ende März unter dem Titel „Hamburger Corona-Schutzschirm“ das wohl größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Stadt – es wird in den kommenden Monaten schrittweise vom „Hamburger Konjunktur- und Wachstumsprogramm“ abgelöst. Dabei handelt es sich jeweils um ganze Bündel an Maßnahmen, die insgesamt ein Volumen von mehreren Milliarden Euro haben. Mitunter regiert dabei das Prinzip Gießkanne, manche Maßnahmen sind aber auch sehr speziell auf bestimmte Branchen und Betroffene zugeschnitten. Eigene Mittel der Stadt kommen ebenso zum Einsatz wie Bundesmittel, oft wird beides kombiniert. Ein Überblick:


Wie bislang geholfen wurde:
Hamburger Corona-Soforthilfe
Eines der wirksamsten Mittel gegen die Krise: Der Bund hat Solo-Selbstständigen und Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern direkte Zuschüsse von 9000 bis 15.000 Euro gewährt, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Hamburg hat aus eigenen Mitteln zwischen 2500 Euro (für Solo-Selbstständige) und 30.000 Euro (Firmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern) dazugegeben und das Ganze in der Hamburger Corona-Soforthilfe gebündelt.

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Die Nachfrage hat selbst Experten überrascht: Fast 65.000 Anträge wurden gestellt, mehr als 54.000 sind bearbeitet und bereits ausbezahlt, lediglich 734 wurden abgelehnt. Von den zugesagten 518 Millionen Euro sind 511 Millionen ausbezahlt – davon gut 300 Millionen aus Bundes- und 200 Millionen aus Landesmitteln. Ebenfalls überraschend war, dass fast zwei Drittel der Anträge von Solo-Selbstständigen kamen. Problem: Die Corona-Soforthilfe war bis Ende Mai befristet – auch daher standen die Ver.di-Vertreter nun vor der Finanz­behörde.


Förderkredite

Weniger nachgefragt waren bislang die Kredite der städtischen Investitions-und Förderbank (IFB), die natürlich zurückgezahlt werden müssen: Für das Modul „HCS InnoStartup“ wurden 84 Anträge gestellt und gut 3,7 Millionen Euro ausgezahlt, für den „Förderkredit Sport“ wurden sechs Anträge über insgesamt 430.000 Euro bewilligt, für den „Förderkredit Kultur“ ebenfalls sechs über insgesamt 490.000 Euro.



Steuerliche Hilfen

In absoluten Zahlen der dickste Brocken: Auf rund 2,8 Milliarden Euro an Steuern hat die Stadt in mehr als 95.000 Fällen vorerst verzichtet. Konkret: In 74.000 Fällen wurden Steuervorauszahlungen um insgesamt zwei Milliarden Euro herabgesetzt, in 20.000 Fällen insgesamt 783 Millionen Euro gestundet, und in 1200 Fällen 18 Millionen Euro von der Vollstreckung ausgesetzt. Dieses Hilfsangebot gilt noch bis Ende 2020. Die Steuerschuld besteht aber natürlich weiter und muss 2021 beglichen werden – in der Kasse der Stadt fehlt das Geld aber erst einmal.


Mieter in städtischen Immobilien
Gewerbemietern städtischer Immobilien wurde die Miete auf Antrag für vorerst bis zu drei Monate zinslos gestundet. Bis April sind 840 Anträge eingegangen, es wurden Mieten in Höhe von gut zehn Millionen Euro gestundet. Der Senat will diese Hilfen nun „passgenau fortschreiben“: Denkbar seien Einzelvereinbarungen über weitere zinslose Stundungen, Ratenzahlungen oder eine teilweise Reduzierung von Mieten. Der Senat appelliert an die privaten Vermieter von Gewerbeflächen, diesem Beispiel zu folgen.

Die Hamburger Corona-Soforthilfe (HCS) für Unternehmer:

  • Solo-Selbständige: 2500 € (Hamburg), 9000 € (Bund), 11.500 € (Gesamt)
  • 1–5 Mitarbeiter: 5000 € (HH), 9000 € (Bund), 14.000 € (Gesamt)
  • 6–10 Mitarbeiter: 5000 € (HH),15.000 € (Bund), 20.000 € (Gesamt)
  • 11–50 Mitarbeiter: 25.000 € (HH), keine Beteiligung vom Bund
  • 51–250 Mitarbeiter: 30.000 € (HH), keine Beteiligung vom Bund


Wie künftig geholfen wird:
Hamburgs Konjunkturprogramm
Aufsetzend auf das Konjunkturprogramm des Bundes will Hamburg eigene Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise beschließen – das Hamburger Konjunktur- und Wachstumsprogramm. Finanzsenator Dressel und seine Senatskollegen Michael Westhagemann (parteilos/Wirtschaft) und Carsten Brosda (SPD/Kultur) haben dazu kürzlich 16 Eckpunkte vorgelegt. „Wir wollen um jeden Arbeitsplatz und jedes Unternehmen kämpfen“, sagte Dressel und bediente sich der Wortwahl des Bundes­finanzministers: „Auch für Hamburg wollen wir uns mit einem deutlichen Wumms aus der Krise herausarbeiten.“

Ein Schwerpunkt besteht schlicht darin, dass die Stadt zu den in den kommenden Jahren ohnehin geplanten Investitionen von rund 30 Milliarden Euro steht oder sie sogar vorzieht, um die Konjunktur anzukurbeln. Dabei soll schwerpunktmäßig in Zukunftsthemen wie Klimaschutz oder den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft im Hafen investiert werden. Doch es gibt auch klassische Hilfsprogramme. Die wichtigsten:

Digitalbonus
Die städtische Förderbank IFB soll „Leuchtturmprojekte der Digitalisierung“ unterstützen, um den Digitalisierungsgrad der kleinen und mittleren Unternehmen zu erhöhen. Hamburg setzt damit auf das Bundesprogramm zur Digitalisierung der Wirtschaft auf. Starten soll es im zweiten Halbjahr 2020, das Volumen ist noch offen.


Hamburg Kredit Liquidität (HKL)

Dieser steht seit Kurzem zur Verfügung und soll kleinen und mittleren Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten finanziellen Spielraum eröffnen. Das Angebot richtet sich an Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern, Selbstständige, Freiberufler sowie Existenzgründer sowie an gemeinnützige oder Non-Profit-Organisationen und Vereine, die über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfügen. Diese Hilfe wird von der Hamburgische Investitions- und Förderbank vergeben, kann aber über die Hausbank beantragt werden. Der Zinssatz liegt bei einem Prozent. Im Haushalt der Stadt ist ein Garantierahmen von 300 Millionen Euro für dieses Kreditprogramm vorgesehen. Hinzu kommt der Hamburg-Kredit Mikro, der sich speziell an Firmengründer richtet.

Corona Recovery Fonds

Dieser Fonds soll sich an innovative Start-ups und wachstumsorientierte Hamburger Mittelständler richten und ihnen mit Wandeldarlehen, offenen Beteiligungen (bis 500.000 Euro) oder stillen Beteiligungen (bis 250.000 Euro) helfen. Dabei werden Bundesmittel in ein Hamburger Förderprodukt in­tegriert. Start: noch im Sommer. Volumen: rund 50 Millionen Euro.

Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Dieser Fonds ist eine Art Beteiligungsgesellschaft, die Firmen durch Übernahme von Sicherheitsleistungen, Bürgschaften oder eine Beteiligung am Eigenkapital stabilisieren soll. Er richtet sich an Unternehmen, die eine Bilanzsumme und einen Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro sowie mindestens 50, aber höchstens 250 Beschäftigte haben – und damit nicht von Hilfen des gleichnamigen Fonds des Bundes für größere Unternehmen profitieren können.

Prominentes Beispiel ist das Miniatur Wunderland, bei dem Finanzsenator Dressel aufgrund der enormen Bedeutung der Einrichtung für den Tourismus in Hamburg auf Nachfrage eine Beteiligung nicht ausschloss – aber auch betonte, dass derzeit nichts in der Richtung geplant sei. Der Fonds soll im Herbst 2020 starten. Volumen: eine Milliarde Euro.


Neustartprämie für Künstlerinnen, Künstler und Kreative

Da Künstler und Kreative nach wie vor kaum Auftrittsmöglichkeiten haben, der Bund diese Gruppe aber von seinen Überbrückungshilfen ausschließt, will Hamburg von Juli 2020 an ein eigenes Förderprogramm auflegen. Vorgesehen ist eine einmalige und pauschale Neustartprämie von 2000 Euro. Beantragen kann sie, wer Mitglied in der Künstlersozialkasse (KSK) ist oder die Kriterien der KSK für eine künstlerische Tätigkeit erfüllt. Die Antragsfrist soll spätestens am 31. August enden. Gerechnet wird mit bis zu 10.000 Anträgen – dann lägen die Kosten bei bis zu 20 Millionen Euro.

Gebührenhilfen für Gewerbetreibende

Noch bis Ende des Jahres können städtische Gebühren gestundet oder angepasst werden. Gastronomen und Schausteller müssen für die zusätzliche Nutzung des öffentlichen Raums keine Gebühren zahlen, diese Sondernutzungserlaubnisse sollen großzügig erteilt werden. Die Verluste der Bezirke gleicht die Finanzbehörde aus.

Was bedeuten die Milliardenhilfen für den Haushalt der Stadt?

Das ist noch überhaupt nicht abzusehen. Laut der Mai-Steuerschätzung fehlen allein für dieses Jahr gut 1,7 Milliarden Euro im Haushalt (der ein Volumen von 16 Milliarden hat). Bis 2024 summiert sich dieses Minus auf mehr als 4,5 Milliarden Euro. Das kann aber auch deutlich mehr oder weniger werden, da unklar ist, wie die Hilfsprogramme angenommen werden (was sie also kosten) – und wie sie wirken (welche Steuereinnahmen sie also auslösen). Im September wird es daher ausnahmsweise eine weitere Steuerschätzung geben, die mehr Klarheit schaffen soll.

Den enormen Ausgaben zur Bekämpfung der Krise stehen aber in jedem Fall auch Einnahmen gegenüber. So übernimmt der Bund künftig die Kosten der Unterkunft zu 75 Prozent (entlastet Hamburg um rund 150 Millionen Euro), gleicht den Einbruch der Gewerbesteuern aus (220 Millionen) und Verluste im Nahverkehr (50 bis 60 Millionen). Auch beim geplanten Familienbonus und der Mehrwertsteuersenkung konnten die Länder den Bund bewegen, die Kosten doch allein zu tragen. Hamburgs Anteil am Bundeskonjunkturprogramm sinkt dadurch von befürchteten 774 auf unter 600 Millionen Euro. Grundsätzlich gilt die Ansage: Hamburg will nicht gegen die Krise ansparen, notfalls werden Kredite aufgenommen – was angesichts der konjunkturellen Notlage erlaubt ist.


Wie sind die Reaktionen?

„Der Senat setzt mit seinem Hamburger Konjunktur- und Wachstumsprogramm die richtigen Schwerpunkte“, sagte Norbert Aust, Präses der Handelskammer. „Erfreulich ist, dass die stark betroffenen Branchen wie die Gastronomie, der Eventbereich, die Kreativ- und Freizeitwirtschaft sowie die Luftfahrt im Fokus der Hilfen stehen. Wir begrüßen auch, dass die Wirtschaftsbehörde die große Bedeutung der Start-ups für den Standort Hamburg im Blick behält und zukunftsweisende Themen wie Innovation, insbesondere im Bereich Wasserstofftechnologie und Nachhaltigkeit, weiter eine Rolle spielen.“

Lob kam auch zunächst vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Es ist wichtig und nötig, dass der Senat viel für den Erhalt der Unternehmen und Betriebe tut“, sagte die DGB-Landesvorsitzende Katja Karger. „Dass dafür gezielt kleine und mittlere Unternehmen sowie die Solo-Selbstständigen und Kreativen unterstützt werden sollen, ist richtig.“ Allerdings müssten Wirtschaftshilfen an eine Beschäftigungssicherung gekoppelt werden: „Liquiditätshilfen allein schaffen keine Arbeitsplätze“, so Karger.

Der DGB forderte aber auch, Studierende in der Corona-Krise finanziell besser zu unterstützen. Rund zwei Drittel der Studierenden seien neben dem Studium erwerbstätig, und viele von ihnen hätten diese Jobs bereits verloren, sagte Karger. Wiebke Oetken, Sprecherin der DGB-Jugend Nord, ergänzte: „470 Euro zahlen Studierende im Durchschnitt Miete in Hamburg. Maximal 500 Euro bekommt jede und jeder aus der Überbrückungshilfe. Die kommt dann auch noch viel zu spät, sodass die Taschen bei einigen schon komplett leer sind.“

CDU-Wirtschaftsexperte Götz Wiese forderte: „Der Senat muss beim Hamburger Konjunkturprogramm mehr Tempo machen.“ Die Eckpunkte blieben in vielen Bereichen noch sehr vage. „Dabei drängt die Zeit“, so Wiese: „Die Corona-Soforthilfe ist ausgelaufen. Vielen Unternehmen, nicht nur in den Bereichen Luftverkehr, Gastgewerbe und Veranstaltungen, geht die Luft aus.“