Norderstedt. Der Hauptausschuss der Stadtvertretung hat einen Sonderfonds für Vereine aus der Kultur, dem Sport, der Jugendhilfe und dem Sozialen aufgelegt.
Ein Stück Stadtgeschichte hat die Politik am Montagabend im Hauptausschuss der Stadtvertretung geschrieben – mit einer ungewöhnlich schnellen Entscheidung in ungewöhnlich dramatischen Zeiten. Mit 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung des Vertreters der Freien Wähler und Demokraten haben die Kommunalpolitiker in Rekordgeschwindigkeit einen „Sonderfonds für die Norderstedter Vereine zur Abmilderung besonderer Härten infolge der Coronavirus-Pandemie“ aufgelegt. Gespeist wird der Fonds mit dem Geld, das eigentlich für ein großes Festwochenende anlässlich des Stadtjubiläums geplant war. Das Fest wurde aber von der Politik abgesagt, die etwa 350.000 Euro, die es gekostet hätte, bilden nun den Kern des Fonds, dazu kommen weitere 30.000 Euro an sonstigen nicht verwendeten Mitteln im Zusammenhang mit dem Stadtjubiläum. 380.000 Euro für die Vereine der Stadt – und nicht nur aus den Bereichen Sport und Kultur, sondern auch für jene aus den Bereichen Jugendhilfe und Soziales.
Von der Idee bis zur Umsetzung des Fonds hat es nun gerade mal eine Woche gedauert. In der Hauptausschusssitzung am Montag, 8. Juni, in der die Politik das Festwochenende absagte, kam die CDU-Fraktion erstmals mit dem Vorschlag, die durch die Absage eingesparten Mittel den Vereinen zugute kommen zu lassen – als Corona-Soforthilfe. Eine Idee, für die sich alle anderen Fraktionen sofort erwärmen konnten.
In der Sitzung am Montag schließlich wollte die CDU die Sache schnell vollenden. Sie beantragte die Dringlichkeit für die Entscheidung. „Die Vereine in unserer Stadt sind eine Stütze der Gesellschaft. In der Corona-Pandemie haben sie große finanzielle Einbußen durch ausgefallene Veranstaltungen erlitten“, sagte CDU-Stadtvertreter Arne Mann. „Mit dem Fonds wollen wir zumindest einen Teil des Schadens beheben.“
Corona-Krise hat die Vereine unterschiedlich hart getroffen
Anette Reinders, Dezernentin für Schule, Sport und Kultur, nahm am Hauptausschuss teil, um der Politik vom Ausmaß der Probleme in den Vereinen zu berichten. „Wir haben eine erste Umfrage bei den Kulturträgern gemacht, wie sich die Corona-Krise auf die Einnahmen auswirkt. Da haben wir eine Rückmeldung bekommen, bei der alles dabei war, von überhaupt keine Auswirkungen bis zum kompletten Ausfall der Einnahmen.“ Die Sportvereine hätten weniger Probleme mit ausgefallenen Veranstaltungen. „Denen fehlen zum Beispiel die Einnahmen aus den Angeboten der Offenen Ganztagsschule.“ Aus den Jugendhilfevereinen fehle ihr noch eine exakte Rückmeldung. Die Vereine des sozialen Bereiches aber würden in der Krise ebenfalls stark leiden. „Wir wissen zum Beispiel vom Mütterzentrum, dass dort mittlerweile ein finanzielles Minus von 15.000 Euro besteht“, sagte Reinders. Das Zentrum habe sich schon händeringend nach Unterstützung umgesehen und schließlich von einem Lions Club 3000 Euro bekommen. Auch die anderen Vereine versuchen, alle möglichen Hilfen von Land und Bund in Anspruch zu nehmen. „Aber teilweise decken diese Zuschüsse nicht alle ausgefallenen Einnahmen“, sagte Reinders. Ihr Fazit: „Was genau da auf uns zukommt, können wir noch gar nicht sagen.“
Arne Mann und der CDU war es umso wichtiger, dass der Fonds sofort aufgelegt wird. „Es soll heute Abend ein Signal von diesem Ausschuss ausgehen. Die Vereine sollen unkompliziert und niedrigschwellig an Geld kommen, damit sie loslegen können mit ihren Projekten.“ Die CDU schlug vor, die Kulturförderrichtlinien der Stadt Norderstedt als Grundlage für den Fonds zu verwenden. Dort steht, dass Vereine ein Drittel der Kosten bei der Abwicklung von Veranstaltungen ersetzt bekommen. „Diesen Anteil würden wir im Fonds einfach auf 80 Prozent hochsetzen“, sagte Mann. „Es geht jetzt darum, nicht lange über die Bedingungen des Fonds zu diskutieren, sondern ihn schnell auf den Weg zu bringen.“
SPD wies auf mögliche rechtliche Probleme hin
Nikolai Steinhau-Kühl bereitete dies trotz aller Sympathie für die Idee Bauschmerzen. „Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir mit einem Schnellschuss nicht mehr kaputt machen, als wir heilen wollen.“ Er schlug vor, dass die zuständigen Fachausschüsse für Sport, Kultur und Jugendhilfe zunächst die Förderrichtlinie ausarbeiten sollten. „Es darf nicht sein, dass es zu rechtlichen Problemen bei der Beantragung der Mittel aus dem Fonds kommt.“
Fraktionen verständigten sich während einer Sitzungspause
Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sah ebenfalls diverse Hindernisse. „Ich habe das Problem, dass manche Vereine vielleicht nicht mehr an Fördertöpfe von Bund und Land herankommen, wenn sie bei uns auf städtischer Ebene schon mal einen Zuschuss bekommen haben. Es gibt Förderungen, bei denen ist es Voraussetzung, dass man noch nichts von anderer Seite bekommen hat.“ Die Satzung des Fonds müsse also darauf bestehen, dass andere Förderungen vorrangig seien, ehe die Mittel abgerufen werden könnten. Außerdem gab die Verwaltungschefin zu bedenken, dass es nicht unerheblich sei, welche Rücklagen ein Verein habe und ob er seine finanziellen Lücken nicht damit schließen könne, eher er Mittel aus dem Fonds beantrage. „Das muss nachgewiesen werden.
Und schon schien aus einer einfachen, schnellen Idee, ein bürokratisch komplexes Ungetüm zu erwachsen. „Das hat mit unserem Antrag jetzt nicht mehr viel zu tun“, sagte Arne Mann. „Vereine, die vielleicht mal 1000 Euro im Jahr zurücklegen können, sollen sich für die Hilfe aus dem Fonds jetzt vor der Stadt nackig machen und ihre Zahlen offenlegen?“ Auch Marc Muckelberg von den Grünen pflichtete ihm bei, dass dies keine gute Idee ist. „Finde ich ganz schwierig. Wer sich in der Vereinswelt auskennt, weiß, dass Rücklagen in den Vereinen dazu da sind, große Jubiläen oder Projekte zu finanzieren oder um den Eigenanteil der Mitglieder zu senken.“
Die CDU beantragte schließlich die Sitzungsunterbrechung, um das Gespräch mit den anderen Fraktionen zur Abstimmung zu suchen. Der Durchbruch gelang dabei innerhalb von nur 15 Minuten. Der Fonds hatte seine endgültige Form gefunden – eine für die Vereine niedrigschwellige. Mittel aus dem Sonderfonds mit den drei Bereichen Kultur, Sport und Jugendhilfe/Soziales können Vereine ab sofort mit einem formlosen Antrag an das Dezernat II der Stadt Norderstedt beantragen.
Genannt werden müssen lediglich Name und Anschrift der Organisation und die Darstellung des Sachverhaltes. Vorgelegt werden müssen eventuelle Nachweise über Antragstellungen bei weiteren Stellen oder Bescheide über Zuschüsse aus anderen Fonds. Die Stadtverwaltung wird für jeden Antrag einzeln prüfen und den zuständigen Fachausschüssen in der ersten Sitzung nach der Sommerpause über den Stand der Lage berichten.
Das Vergabeprinzip, so Anette Reinders, sei das sogenannte Windhundrennen – wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Was sowohl ihr als auch Oberbürgermeisterin Roder dabei wichtig ist: Kein Verein soll dem anderen die Förderung wegnehmen. Deswegen gebe es die drei Bereiche mit entsprechend zugeordneten Anteilen der Fördersumme. „Weil wir nicht wissen, welche Anträge uns in den einzelnen Bereichen erwarten, müssen wir nach der Sommerpause schauen, was vorliegt. Wenn wir dann sehen, dass der Bedarf in einem Bereich höher als in einem anderen ist, können wir die Gelder immer noch umschichten.“
Als der Beschluss mit großer Mehrheit gefasst war, atmete Arne Mann tief durch und blickte ins Plenum. „Vielen Dank für diese tolle Zusammenarbeit!“