Hamburg. Rot-Grün einigt sich in Koalitionsverhandlungen auf „Green Bonds“ der Hochbahn und neue Förderprogramme gegen die Corona-Krise.

Das Thema Finanzen stand am Anfang der Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen – und es war auch der letzte inhaltliche Punkt, der am Donnerstag besprochen wurde. Dabei blieben die zentralen Botschaften zwar die gleichen wie vor vier Wochen: „,Wünsch dir was‘ wird nicht mehr funktionieren“, betonte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) mit Blick auf das 4,7-Milliarden-Loch, das die Steuerschätzer der Stadt bis 2024 voraussagen. Zweitens werde man aber „nicht gegen die Krise ansparen“, wie Dressel und Grünen-Finanzexperte Farid Müller betonten. Im Gegenteil: 25 bis 30 Milliarden Euro werde die Stadt in den kommenden Jahren investieren – anfangs war „nur“ von 20 Milliarden die Rede – und damit einen starken „Impuls“ setzen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Die Summe umfasst im Wesentlichen das, was ohnehin geplant ist – etwa den Bau neuer U- und S-Bahn-Linien, eines neuen Krankenhauses in Altona oder die Milliardeninvestitionen in Schul- und Hochschulgebäude. Neue Projekte stünden dagegen unter Finanzierungsvorbehalt: „Es gilt strikte Ausgabedisziplin“, so Dressel.

Jeder Bürger kann „Green Bonds“ erwerben

Dennoch haben die bisherigen und vermutlich auch künftigen Koalitionspartner zwei neue Instrumente präsentiert: Zum einen soll die Hochbahn künftig „Green Bonds“ ausgeben. Dabei handelt es sich um festverzinsliche Anleihen, die jeder Bürger erwerben kann und mit deren Hilfe das stadteigene Unternehmen einen Teil seiner Ausbaupläne finanziert. Weil moderne U-Bahnen oder Busse ein Beitrag zum Klimaschutz sind, spricht man von „Green Bonds“, also „grünen“ Anleihen. Laut Dressel und Müller ist dabei an ein Volumen von 250 bis 500 Millionen Euro gedacht.

Green Bonds seien eine Antwort auf die Fragen, wie die Hochbahn sich finanzieren könne und wie die Bürger ihr Geld „sicher und sinnvoll“ anlegen könnten, sagte Müller. „Wir fangen da nicht bei null an“, ergänzte Dressel. „Unsere Förderbank IFB hat einen ganz erfolgreich laufenden Social Bond begeben, der mehrfach überzeichnet war. Das zeigt: Es gibt eine große Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten.“

Unklar ist noch, wie hoch die Verzinsung sein könnte

Bei Green Bonds, mit denen die Angebotsoffensive im Nahverkehr finanziert werde, könnten die Anleger genau nachvollziehen, wie viel CO2 damit eingespart werde. „Das ist eine garantiert grüne Anlageform, insofern eine tolle Sache“, so Dressel. Mit so einem Anlageprodukt sei Hamburg „deutschlandweit absolut führend“. Unklar ist noch, wie hoch die Verzinsung sein könnte. Müller zufolge müsse sie „attraktiv“ sein – wobei das heutzutage für jede Anlageform gilt, die überhaupt Zinsen abwirft.

Auf Nachfrage betonten Dressel und Müller, dass es nicht darum gehe, Investitionen aus dem Haushalt der Stadt auszulagern. Die Hochbahn bekomme zwar Zuwendungen von der Stadt, finanziere sich aber auch jetzt schon teilweise am Kreditmarkt. Es ändere sich nur die Finanzierungsform: „Sonst hätten die Banken Geld gegeben, jetzt geben es die Bürger“, brachte Müller es auf den Punkt.

Kritik an den „Green Bonds“ von der CDU

CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer sieht die Pläne dennoch kritisch: „Auch die Ausgabe von ,Green Bonds‘ ist ganz klar eine Kreditaufnahme. Hier darf eine neue rot-grüne Koalition nicht mit einem Etikettenschwindel starten und versuchen, Schulden unter neuem Namen im Konzern Hamburg zu verschieben.“ Green Bonds seien kein Ersatz für eine langfristige Finanzierungsstrategie für den Schnellbahnausbau.

Das Unternehmen selbst reagierte zurückhaltend auf die rot-grüne Ankündigung. Die Emission von Green Bonds sei „ein Weg“ zur Finanzierung von sauberer Mobilität, so ein Sprecher. Die Voraussetzung dafür erfülle die Hochbahn aber „zweifellos“, und erklärtes Ziel sei ja, dass die Hochbahn bis zum Jahr 2030 komplett klimaneutral werde.

Wirtschafts-Stabilisierungsfonds zur Bekämpfung der Corona-Krise

Als zweite Neuerung will Rot-Grün spätestens zum Herbst einen Wirtschafts-Stabilisierungsfonds zur Bekämpfung der Corona-Krise auflegen. Er soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben und sich vor allem an Unternehmen oberhalb von zehn Mitarbeitern wenden, die bislang durch die Förder-Raster gefallen sind. „Wir müssen die Hamburger Wirtschaft durch die Krise bringen“, sagte Finanzsenator Dressel. „,Dafür wollen wir viel tun.“ Der Fonds ähnelt der „Bazooka“ auf Bundesebene und ermöglicht sowohl Bürgschaften als auch Unternehmensbeteiligungen.

Passend dazu kündigte der Senat an, dass mit dem „Hamburg Kredit Liquidität“ der Investitions- und Förderbank (IFB) ein weiteres Unterstützungsins­trument an den Start geht. Es richtet sich an kleine und mittlere Firmen sowie gemeinnützige Organisationen, die durch die Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten sind. Die Stadt bürgt mit 300 Millionen Euro für dieses Kreditprogramm.

Digitalisierung in den Bezirksämtern soll vorangetrieben werden

Auch die Themen Bezirke und Digitalisierung spielten zum Ende der Koalitionsverhandlungen eine Rolle. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) kündigte an, dass man den Bereich der Verwaltungsdienstleistung „noch stärker digitalisieren“ wolle. Das Ziel laute: „Nicht die Bürger sollen laufen, sondern die Daten.“ Zudem solle die Versorgung mit Breitband-Internet in der Stadt verbessert werden, und zwar nicht mehr auf Basis der alten Kupferkabel, so Brosda: „Die Aufgabe für dieses Jahrzehnt, die sich die Koalitionsparteien gestellt haben, wird sein, eine Glasfaser-Infrastruktur flächendeckend in der Stadt aufzubauen. Das wird eine große Thematik sein – genauso wie der Aufbau einer 5G-Infrastruktur für den Mobilfunk.“

Auch in den Bezirksämtern soll die Digitalisierung vorangetrieben werden, kündigten Dressel und Müller relativ allgemein an. Mit ihrer Forderung, die Amtszeit der Bezirksamtsleitungen an die Legislaturperiode der Bezirksversammlung zu koppeln – derzeit ist das nicht immer der Fall –, konnten sich die Grünen nicht durchsetzen. „Da sind wir unterschiedlicher Auffassung“, so Müller, was Dressel bestätigte. Dies sei aber der einzig strittige Punkt gewesen.

Bereich Verkehr wird aus der Wirtschaftsbehörde ausgegliedert

Das könnte schon heute anders aussehen. Denn außer Textarbeit am Koalitionsvertrag folgt nur noch die Frage, welche Partei welches Ressort besetzen darf – und mit welcher Person. Als relativ sicher gilt bislang nur, dass der Bereich Verkehr aus der Wirtschaftsbehörde ausgegliedert wird und in den Verantwortungsbereich der Grünen wechselt – möglicherweise als Teil der Stadtentwicklungsbehörde. Unklar ist auch noch, inwiefern die Gesundheitsbehörde ihre Eigenständigkeit behält oder etwa der Wissenschaftsbehörde zugeschlagen wird. Wenn diese Fragen geklärt sind und auch SPD und Grüne der Vereinbarung zugestimmt haben, könnte sich Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am 10. Juni in der Bürgerschaft zur Wiederwahl stellen.