Hamburg. Rot-Grüne Einigung bei Kitas, Medizin und mehr. Drogenpolitik soll helfen, nicht strafen. Arbeitsmarktprogramm für Corona-Geschädigte.
In der Hamburger Drogenpolitik soll künftig das Prinzip „Schnelle Hilfe statt Strafe“ gelten. Das kündigte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) im Anschluss an die Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen am Montagabend im Rathaus an. Junge Menschen, die von der Polizei mit illegalen Drogen aufgegriffen werden, sollen binnen 72 Stunden eine Suchtberatung und weiterführende Hilfe bekommen. „Dafür soll die Strafverfolgung dann nicht stattfinden“, so Prüfer-Storcks, die ankündigte: „Natürlich bauen wir die Suchtberatung bedarfsgerecht aus.“
Das Prinzip solle sich „auf alle illegalen Drogen beziehen“ und unabhängig davon, ob die Substanzen für den Eigenbedarf oder andere Zwecke mitgeführt wurden. „Das setzte eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Jugendhilfe und Suchthilfe voraus“, so die Senatorin.
In der Frage der Cannabis-Legalisierung, die von den Grünen gefordert, von der SPD aber abgelehnt wird, habe man sich dagegen nicht einigen können, so die Grünen-Landesvorsitzende Anna Gallina. Da sei man „einfach unterschiedlicher Auffassung“.
Bessere Verteilung von Ärzten und Hebammen in der Stadt
Im Bereich Medizin sollen künftig zehn Prozent der Studienplätze reserviert werden für Menschen, die sich verpflichten, später als Hausärzte oder für den öffentlichen Gesundheitsdienst tätig zu werden, kündigte Prüfer-Storcks an. Dieser habe in der Coronakrise unter Beweis gestellt, wie wichtig er sei.
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Man habe ihn zwar bereits temporär personell gestärkt. „Aber das soll weiterhin der Fall sein, wenn die Pandemie hoffentlich überwunden ist. Wir wollen den öffentlichen Gesundheitsdienst personell und strukturell deutlich stärken und die weitere Ausstattung an die Bevölkerungsentwicklung koppeln – wie das bei Kitas und Schulen der Fall ist.“
Die Senatorin kündigte ferner an, die Gesundheitspolitik noch stärker an denjenigen Menschen auszurichten, die weniger Chancen auf Gesundheit haben – weil sie sozial benachteiligt sind oder weil sie in Stadtteilen leben, wo es weniger Hebammen und Ärzte gibt. Unter anderem wolle Rot-Grün sich „mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten“ dafür einsetzen, „dass die Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in Hamburg gleichmäßiger wird“, so Prüfer-Storcks. „Wir haben eine sehr gute Ausstattung mit Ärzten, aber nicht immer unbedingt an der richtigen Stelle.“ Das gelte auch für Hebammen. Gallina kündigte in dem Zusammenhang eine „Niederlassungsprämie für Hebammen in unterversorgten Stadtteilen“ an.
"Zwei-Säulen-Kurs" für den Kita-Ausbau soll fortgesetzt werden
Die SPD-Landesvorsitzende und Sozialsenatorin Melanie Leonhard erklärte, dass Rot-Grün im Kita-Bereich an dem „Zwei-Säulen-Kurs“ aus quantitativem Ausbau und Verbesserung der Personalsituation festhalten wolle. So stehe noch die Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels im Elementarbereich (drei bis sechs Jahre) aus: Er soll bis 2024 von jetzt 1:10,7 auf 1:10 steigen. „Daran wollen wir festhalten, auch in einer Haushaltssituation, die uns coronabedingt sicher noch fordern wird“, so Leonhard.
Beim Kita-Neubau wolle man „die Möglichkeiten, die der Schulneubau bietet, vor Ort auch ausschöpfen“, so die Sozialsenatorin. „Das wollen wir konzeptionell gern damit verbinden, die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kitas noch zu verstärken und zum Teil auch konzeptionell auch ganz neu zu beginnen – an vielen Stellen in der Stadt. Wir glauben, dass davon beide Seiten, sowohl die Schulen als auch die Kitas, stark profitieren.“ Die fünfstündige Grundbetreuung und das Mittagessen sollen weiter beitragsfrei bleiben, die Sprachförderung ausgebaut werden.
Großes Arbeitsmarktprogramm für Corona-Geschädigte
Mareike Engels, Sozialpolitikerin der Grünen, sagte, dass man „Alleinerziehende, arbeitssuchende Eltern und Eltern mit besonderen Arbeitszeiten im Rahmen des Kita-Gutscheins besser unterstützen“ wolle – ohne das näher zu präzisieren. Zudem wolle man die Möglichkeiten verbessern, Kita-Kindern das Schwimmen beizubringen.
Mit Blick auf Menschen, die im Zuge der Coronakrise sich beruflich neu orientieren wollen oder müssen, kündigte Melanie Leonhard ein „großes Arbeitsmarktprogramm“ an – landesfinanziert und ergänzend zu den Angeboten von Jobcenter und Arbeitsagentur. Ein „höherer Millionenbetrag“ solle jährlich vor allem in abschlussorientierte Maßnahmen fließen.
Einwanderungsstadt Hamburg will mehr Geflüchtete aufnehmen
Beim Thema Flüchtlinge betonte Grünen-Chefin Gallina, dass Hamburg „eine Einwanderungsstadt“ und ein „sicherer Hafen“ sei. Man werde daher beim Bund darauf drängen, dass mehr Menschen aus den Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln aufgenommen werden aufzunehmen, ebenso wie aus Seenot gerettete Menschen.
SPD und Grüne regieren bereits seit 2015 gemeinsam. Bei der Bürgerschaftswahl im Februar hatten die Sozialdemokraten gegenüber ihrem Ergebnis von 2015 (45,6 Prozent) zwar mehr als sechs Punkte verloren, sich mit 39,2 Prozent aber klar als stärkste Kraft behauptet. Die Grünen hatten ihr Ergebnis dagegen nahezu verdoppelt und kamen auf 24,2 Prozent.
Die Koalitionsverhandlungen, die wegen der Coronakrise erst Ende April begonnnen hatten, wurden noch am Montagabend fortgesetzt und sollen bis Freitag abgeschlossen werden – dann geht es auch um die heikle Frage, wer welche Behörde führt und wie sie zugeschnitten werden. Die Grünen dürften dabei Anspruch auf das Verkehrsressort anmelden, das derzeit noch zur Wirtschaftsbehörde gehört – die wiederum die SPD nicht abgeben möchte. So oder so: Ende der ersten Juni-Woche sollen beide Parteien das Verhandlungsergebnis absegnen.