Hamburg. Erschütternder Bericht: Zunächst seien die Insassen durch Injektionen von Gift umgebracht worden, später durch Erschießungen.

Es war Anfang September des Jahres 1944, als sich die Chefärzte der Konzentrationslager des Deutschen Reiches in Auschwitz-Birkenau versammelten. Der Sinn dieser Zusammenkunft: Sie sollten sich eine Vergasung angucken. Etwa zu jener Zeit bekamen die Mediziner auch den Befehl, dass sie ab sofort eigenverantwortlich entscheiden konnten, KZ-Insassen zu töten. „Es ging darum, die Häftlinge von diesen Qualen und diesem Zustand zu befreien, indem man ihnen einen Gnadentod gibt – durch Einspritzungen“, formulierte einer jener Ärzte damals. „Gnadentod“: So wurde seinerzeit die Ermordung von Kranken und Arbeitsunfähigen genannt.

Diese menschenverachtende Anschauung der Nazis wurde am Montag im Stutthof-Prozess durch einen historischen Sachverständigen dargelegt. Im Sommer 1944 habe im KZ Stutthof die systematische Ermordung von Insassen begonnen, erklärte Historiker Stefan Hördler. „Man hat sich explizit über weitere Mordmethoden informiert.“

Gift, Erschießungen und die Gaskammer

Zunächst seien Insassen durch Injektionen von Gift umgebracht worden, später durch Erschießungen und spätestens ab Herbst 1944 auch in der Gaskammer. Hintergrund der Massentötungen sei gewesen, dass das KZ aus Sicht der SS mit Kranken und Arbeitsunfähigen überfüllt gewesen sei. Der ehemalige SS-Wachmann Bruno D., dem die Staatsanwaltschaft Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorwirft, hatte in früheren Vernehmungen angegeben, er habe erzählen hören, dass im Lager auch Menschen vergast würden. „Ich habe mal von ferne die Schreie gehört.“

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Gegen Ende 1944 sei im KZ ein „Übergang von den Massentötungen zu einem systematischen Sterbenlassen“ erfolgt, so Historiker Hördler. An Fleckfieber starben ohnehin viele Insassen. Aus damaligen Todesbescheinigungen gehe hervor, dass es zu jener Zeit „eine vollständige Anonymisierung der Toten“ gegeben habe. Sie seien verbrannt worden. Hördler zitierte die Aussage aus einem anderem Prozess eines früheren Wachmanns. „Das Schrecklichste, was ich erlebt habe, waren die Leichenverbrennungen auf dem Scheiterhaufen“, sagte der Mann demnach aus. Die Insassen seien „regelrecht verreckt“.