Hamburg. Betroffene berichten von Mängeln bei Schutzmaßnahmen. Derweil sinkt die Zahl stationär behandelter Corona-Infizierter.

Das ist eine ermutigende Entwicklung: Die Zahl der wegen einer Coronavirus-Infektion stationär in Kliniken behandelten Hamburger ist am Wochenende so stark wie nie zuvor zurückgegangenen. Laut Gesundheitsbehörde lagen am Sonntag noch 232 an Covid-19 erkrankte Hamburgerinnen und Hamburger in den Krankenhäusern, am Sonnabend waren es noch 251. Der bisherige Höchststand war am Mittwoch vergangener Woche mit 267 stationären Patienten erreicht worden.

Auch die Zahl der auf Intensivstationen versorgten Hamburger ist zuletzt gesunken. Nach dem Höchststand von 90 Intensivpatienten am 11. April gingen die Meldungen zuletzt fast kontinuierlich zurück, auf 79 am Sonnabend und 76 am Sonntag. Weiter gestiegen ist allerdings die Zahl der an Covid-19 verstorbenen Hamburger. Am Sonntag waren bereits 79 Coronatote zu beklagen, am Sonnabend waren es 74 gewesen.

Coronavirus: 80-jähriger Krebspatient stirbt im UKE

Unterdessen ist am UKE ein 80 Jahre alter Krebspatient verstorben, der sich offenbar auf der Krebsstation mit dem Coronavirus infiziert hatte. Schon vorher hatte die Infektionswelle auf den Krebsstationen des UKE weitere Kreise gezogen: Am Montag soll eine Konferenz von Gesundheits- und Wissenschaftsbehörde, des Gesundheitsamts Nord, dem Amt für Arbeitsschutz und dem Universitätsklinikum stattfinden. Es geht neben Lehren aus dem Ausbruch auch um die Frage nach Fehlern im UKE. Die Klinik bleibt auch durch neue Aussagen von Mitarbeitern und Medienberichten weiterhin unter Druck.

Bei der Frage nach Versäumnissen geht es darum, ob das UKE den Ausbruch rechtzeitig gemeldet hat. „Da gibt es unterschiedliche Auffassungen“, sagte die Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Der Hintergrund: Wird eine Covid-19-Erkrankung auf einer Krankenhausstation als Einzelfall gemeldet, ist das Gesundheitsamt zuständig, in dessen Bereich der Patient wohnt. Bei einem förmlichen Ausbruch wird dagegen ein weiteres Prozedere in Gang gesetzt und das für die Klinik zuständige Gesundheitsamt eingesetzt, in diesem Fall im Bezirk Nord.

Die Gesundheitsbehörde argumentiert nach Abendblatt-Informationen, dass das UKE zu spät von einem Ausbruch gesprochen habe. Nachdem dies endlich geschehen sei, habe das Gesundheitsamt zusätzliche Schutzmaßnahmen „angeordnet“, sagte Prüfer-Storcks. Die Klinik hatte betont, dass die Lage jederzeit unter Kontrolle gewesen sei und erste Covid-19-Fälle in der Onkologie im März offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem späteren Ausbruch standen. Insgesamt hatten sich etwa 20 Patienten und 20 Mitarbeiter angesteckt, zum Ende der vergangenen Woche mussten noch zwei Betroffene auf der Intensivstation behandelt werden.

UKE: Mangelnde Schutzmaßnahmen und fehlender Abstand

Nach Angaben eines Mitarbeiters soll es in vielen Bereichen der Klinik mangelhafte Schutzmaßnahmen und fehlenden Abstand an den Arbeitsplätzen geben. Gegenüber dem Abendblatt hatte ein Krebspatient davon gesprochen, dass sein Wunsch nach einer Testung auf das Coronavirus Ende März harsch verneint worden sei. Da sein Zimmergenosse unter starkem Husten litt und er Angst vor einer Ansteckung hatte, sei er nachts nur mit Schal vor dem Mund eingeschlafen und habe tagsüber mit einem Infusionsgestell so lange wie möglich das Zimmer verlassen. Auch der „Spiegel“ griff den Fall auf.

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Das UKE sagte, der Einzelfall sei nicht bekannt. Auch weitere im „Spiegel“ beschriebene Vorfälle bestätigte das Klinikum nicht. Dabei geht es auch um Patienten, die von der Onkologie auf andere Stationen verlegt worden seien, ohne die Ergebnisse eines Covid-19-Tests abzuwarten. Eine Ärztin habe dies mit ihrem Protest verhindert. Angesprochen auf eine offenbar mangelhafte Information der anderen Patienten über den Covid-19-Ausbruch in der Onkologie, sagte die Klinik, man bedauere es, wenn es zu „Informationslücken“ gekommen sei.

Im Senat herrschte Verwunderung darüber, dass das UKE auch ihm das Ausmaß der Infektionswelle erst mitgeteilt habe, nachdem der „Spiegel“ erstmals berichtet hatte. Auf Abendblatt-Nachfrage teilte das UKE mit, dass man alle Covid-19-Fälle „unmittelbar“ an das Gesundheitsamt Nord übermittelt hätte. Es werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, Infektionsketten nachzuvollziehen.

Unternehmer hatte Millionen FFP2- und OP-Masken aus China angeboten

Derweil haben sich Importeure der knappen Schutzmasken verwundert darüber geäußert, dass der Senat nicht auf Angebote reagiere. Ein Hamburger Unternehmer, der sich beim Abendblatt meldete, hatte dem Senat ausweislich seines Mailwechsels am 8. April Millionen FFP2- und OP-Masken aus China angeboten. Zunächst wurde er von der Gesundheitsbehörde an die Justizbehörde verwiesen, und von dort hörte er nichts mehr.

UKE-Mediziner Bokemeyer informiert über Onkologie-Patienten

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    Auch der Unfallchirurg Prof. Norbert Meenen zeigte sich irritiert über die Behörden. „Ich verstehe nicht, warum über Maskenmangel diskutiert wird, wenn konkrete Angebote von der Behörde nicht angenommen werden“, schrieb Meenen dem Abendblatt. Der bei Asklepios tätige Mediziner hatte der Stadt ein Datenbanksystem angeboten, in dem nach seiner Aussage 5000 einsetzbare Fachärzte gelistet seien. „Unser Angebot von Fachärzten für den geforderten intensivmedizinischen Bereich wurde nicht mal zur Kenntnis genommen oder beantwortet“, so Meenen.

    Der Senat teilte auf Abendblatt-Anfrage mit, es habe am 6. April eine große Ausschreibung für Masken und Schutzkleidung gegeben, durch die viele Aufträge erteilt worden seien. „Wegen der Vielzahl der Angebote können nicht allen Anbietern Zwischenberichte zu den Prüfungen gesendet werden“, so Marion Klabunde, Sprecherin der für die zentrale Beschaffung zuständigen Justizbehörde.

    „Über den Prüfungsprozess kann eine Beschaffung von minderwertigen oder untauglichen Produkten weitgehend ausgeschlossen werden.“ Auch das Angebot von Prof. Meenen sei in die Prüfung gegeben worden. Die Gesundheitsbehörde habe selbst ein Freiwilligenprogramm ins Leben gerufen, mit dem gezielt nach den aktuellen Bedarfen Ärzte und Pflegekräfte vermittelt werden.

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

    Coronavirus: Kritik an vom Senat verfügten Einschränkungen wächst

    Derweil wächst die Kritik an vom Senat verfügten Einschränkungen. Linken-Innenpolitiker Deniz Celik kritisierte, dass die Innenbehörde Demonstrationen verboten habe – trotz beschränkter Teilnehmerzahl und Abstand. „Insbesondere während eines Ausnahmezustandes muss es möglich sein, dass sich kritische Positionen unter Beachtung des Infektionsschutzes Gehör verschaffen“, so Celik. „Gesundheitsschutz darf nicht länger gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgespielt werden.“

    Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein bezeichnete die Beschlüsse von Bund und Ländern als „verfassungsrechtlich bedenklich“. Freiheitseinschränkungen müssten verhältnismäßig sein, so die FDP-Politikerin. „Genau das ist nicht der Fall: Eine Maskenpflicht in Geschäften oder Gotteshäusern plus Durchsetzung des Abstandsgebots könnten die Öffnung ermöglichen.“ Zudem sei kein Parlament beteiligt worden.

    Der Senat betonte erneut, dass er auf eine Maskenpflicht verzichten wolle. Damit halte er sich an die von Bund und Ländern vereinbarte Vorgehensweise. Weitere Schritte würden „im Lichte der kommenden Entwicklung“ geprüft – „so, wie bundesweit verabredet“.