Hamburg. Wie die Corona-Krise das Gesundheitssystem schon jetzt ans Limit bringt. Nicht nur Schutzanzüge fehlen. Ein Arzt warnt.
Die Praxen sind überfüllt, der Arztruf 116 117 ist chronisch überlastet – Hamburgs Ärzte ächzen unter der Last der Corona-Krise. Es fehlt bundesweit an Schutzanzügen, Nachschub müsste aus China kommen. Müsste. Gerüchte machen die Runde, dass die bestellten Schutzanzüge auf ihrem Lieferweg in anderen Ländern beschlagnahmt wurden. Dafür gibt es keine Bestätigung.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KV) will auf „anderen Wegen“ neue bestellen. Sicher ist: Die von einer Hamburger Firma über das Internet den Patienten und Ärzten angebotenen Schnelltests auf das Coronavirus werden anders als behauptet nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Praxen und potenziell Kranke bleiben auf den Kosten sitzen. Ein Schnelltest wird für 150 Euro angeboten.
Coronavirus: Hamburger Ärzte warnen vor Selbsttest
Wie die KV dem Abendblatt bestätigte und inzwischen offiziell warnt, könne zwar der Abstrich „auch an den Patienten delegiert werden“. Allerdings nur unter ärztlicher Aufsicht. Und das macht den Selbsttest sinnlos.
HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender der Vertreterversammlung in der KV, sagte dem Hamburger Abendblatt: „Mir sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, die belegen, dass dieser Selbsttest die richtigen Ergebnisse liefert. Man muss bei dem Corona-Abstrich tief in den Rachenraum und läuft Gefahr, dass man es nicht richtig macht. Sollte das Ergebnis negativ sein, aber der Patient ist positiv, dann breitet sich das Coronavirus noch weiter aus. Dieser Selbsttest ist aus meiner Sicht medizinisch nicht verantwortbar.“
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Hamburg: Schutzanzüge fehlen
Die KV mahnt eindringlich: „Zurzeit“ sei die Versorgung gesichert. Aber die Pandemie-Lage in Hamburg ändere sich stündlich. Dem fahrenden Notdienst fehlen vermutlich bald Schutzanzüge, sodass die KV schon den kreativen Einfall einer Ärztin weiterreicht, diese Anzüge mit den Namen der Patienten zu versehen. Ist deren Test negativ, könne man den Schutzanzug ein zweites Mal verwenden.
Interaktive Karte zum Coronavirus
Ärzte können Patienten auch nach telefonischer Beratung für bis zu sieben Tage krankschreiben, wenn es um Erkrankungen der oberen Atemwege geht. Wer keine Symptome (wie Kratzen im Hals oder Fieber) nach der Rückkehr aus einem Krisengebiet habe, solle nicht den Arztruf 116 117 wählen, sondern die Behörden-Hotline 040/428 284 000.
Die Ärzte und Mitarbeiter der 116 117 stehen derzeit unter „extremer Belastung“, wie es heißt. Nach Abendblatt-Informationen haben sich zuletzt 14.000 Menschen täglich beim Arztruf gemeldet – mehr als das Zwanzigfache des üblichen Andrangs.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Die Ärzte im Notdienst der KV werden zusätzlich dadurch beansprucht, dass sie zu Patienten nach Hause oder in Einrichtungen wie Pflegeheime fahren, um Verdachtsfälle zu isolieren. Viele Fälle stellen sich als falscher Alarm heraus.
HNO-Arzt Heinrich sagte: „Die Ärzte und Mitarbeiter arbeiten rund um die Uhr mit Hochdruck daran, die Anrufer abzuarbeiten. Die 116 117 war aber nie als Pandemie-Hotline gedacht. Deshalb kommt es zu längeren Wartezeiten. Wir rüsten technisch und personell immer wieder nach, aber das ist nur zu einem gewissen Grad möglich.“
Corona: So reagieren Hamburger Arzt-Praxen
Die Ärzte in den Praxen und ihre Mitarbeiter machen erhebliche Überstunden. Das soll ihnen nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums auch honoriert werden. Üblicherweise ist es so, dass kein Arzt mehr verdient, wenn er mehr Patienten behandelt. Denn der Honorartopf für alle ist „gedeckelt“.
Viele Hamburger Ärzte trennen die „normalen Patienten“ von den potenziellen Corona-Verdachtsfällen. Gleichzeitig müssen sie darauf achten, sich nicht selbst zu infizieren. Fällt ein Hausarzt aus, haben mehr als 1000 Patienten ein Problem. Heinrich empfiehlt: „Chronisch Erkrankte sollten ihre Termine bei den Ärzten unbedingt wahrnehmen. Aber Menschen, die vielleicht nur leichte Beschwerden haben, sollten sich gut überlegen, ob sie wirklich zum Arzt müssen. Wir müssen die medizinische Versorgung in den Hamburger Praxen dringend aufrechterhalten.“
Die Hamburger sollten die allgemeinen Empfehlungen unbedingt beherzigen: „Soziale Distanzierung in den nächsten Wochen, unnötige Kontakte vermeiden. Das ist entscheidend und rettet Leben!“