Hamburg. Gleich fünf Hamburger Senatsmitglieder verkündeten einschneidende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus.

An diesen Auftritt im Rathaus wird man sich vermutlich noch lange erinnern: Dass gleich fünf Mitglieder des Hamburger Senats gemeinsam vor die Presse treten, ist schon äußerst ungewöhnlich. Doch was Bürgermeister Peter Tschentscher, Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, Bildungssenator Ties Rabe, Sozialsenatorin Melanie Leonhard (alle SPD) und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Freitagnachmittag im Rathaus verkündeten, war noch ungewöhnlicher – wenn auch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr überraschend.

Nachdem im Zuge der Corona-Pandemie bereits alle Großveranstaltungen in Hamburg untersagt wurden und der Sport- und Kulturbetrieb fast völlig zum Erliegen kam, bleiben von Montag an auch alle Schulen und Kitas für mindestens zwei Wochen geschlossen. Zudem werden die Hochschulen ihren Semesterstart auf den 20. April verschieben – ein in der Hamburger Nachkriegsgeschichte beispielloses Maßnahmenbündel, das der Senat kurz zuvor auf einer Sondersitzung beschlossen hatte.

Maßnahmen gegen Ausbreitung des Coronavirus

„Es wird jetzt darauf ankommen, dass wir die Ausbreitung des Virus verringern, indem wir möglichst wenig physische Kontakte haben“, sagte der Bürgermeister. „Das Zusammentreffen von Menschen sollte verringert werden.“ Angesichts der Tragweite der Entscheidungen waren die Beteiligten dennoch bemüht, die Situation verbal nicht unnötig zu dramatisieren. „Wir haben in Deutschland das beste Gesundheitssystem weltweit“, betonte Tschentscher mehrfach. Es gehe jetzt darum, dieses zu stärken – indem man die Zahl der Neu-Infizierten möglichst gering halte, sodass sich die Kliniken auf die ernsthaft Kranken konzentrieren könnten.

„Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten wahrscheinlich viele Erkrankungsfälle haben, die wir mit der hohen Qualität behandeln wollen, die wir in Deutschland gewohnt sind“, sagte Tschentscher. In dem Zusammenhang wies die Gesundheitssenatorin darauf hin, dass von derzeit 123 Infizierten in Hamburg – 43 mehr als noch am Donnerstag – nur drei so ernsthaft erkrankt seien, das sie im Krankenhaus behandelt werden müssten. „In der Regel verläuft die Krankheit milde“, so Prüfer-Storcks.

Hamburger Senat orientiert sich an Expertenmeinungen

Mehrfach verwies der Bürgermeister, der Politik und Privates normalerweise streng trennt, auf seine Vergangenheit als Labormediziner am UKE. Er habe sich am Mittwoch mit der Corona-Taskforce am Uni-Klinikum besprochen („meine früheren Kolleginnen und Kollegen“) und auch zweimal mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), dessen Empfehlungen die Basis für die politischen Entscheidungen in Deutschland sind, telefoniert – quasi von Mediziner zu Mediziner.

Daher könne er sagen: Die Hamburger Maßnahmen seien „indiziert“, also geboten, so Tschentscher. Aus seinem „alten Leben“ wisse er: „Das Hauptinfektionsrisiko ist die Hand. Und das zweithäufigste Infektionsrisiko ist die andere Hand.“ Regelmäßiges Händewaschen sei daher die wirksamste Maßnahme gegen die Ausbreitung des Virus.

Im Ländervergleich ist Hamburg mit Corona-Maßnahmen spät dran

Bevor es zu den weitreichenden Maßnahmen kam, hatte sich die Lage im Laufe weniger Tage dramatisch zugespitzt. Nachdem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schon vergangenes Wochenende die Empfehlung ausgesprochen hatte, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern abzusagen und immer mehr Bundesländer diesen Schritt auch gingen, hielt Hamburg noch daran fest, für jede einzelne Veranstaltung zu prüfen, welches Risiko dort für Besucher bestehe. Die Anfang der Woche bekannt gewordene Tatsache, dass der erste deutsche Corona-Tote ein Hamburger Feuerwehrmann war, der im Ägypten-Urlaub verstorben war, änderte daran nichts.

Erst am Mittwoch drehte sich das Blatt, nun kündigte die Gesundheitssenatorin etwas verschwurbelt an, dass „die Teilnehmerzahl ab 1000 Personen grundsätzlich zum Kriterium für die Absage von Veranstaltungen gemacht“ werden solle. Das in einer „Allgemeinverfügung“ formulierte Verbot lag dann am Donnerstag vor. Oppositionspolitiker hatten dieses Vorgehen als zu zögerlich kritisiert. „Die Allgemeinverfügung war dringend erforderlich“, sagte etwa CDU-Gesundheitspolitikerin Birgit Stöver. Auch mit dem Beschluss, Schulen, Kitas und Unis vorerst zu schließen, war Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern etwas später dran.

Tägliche Corona-Konferenz mit Bundesgesundheitsminister

Dass man eventuell zu zögerlich gehandelt habe, wiesen aber alle fünf Senatsmitglieder energisch zurück. Man habe sich immer an den Empfehlungen des RKI orientiert, sagte Tschentscher. Prüfer-Storcks berichtete aus der täglichen Konferenz mit dem Bundesgesundheitsminister, dass auch Spahn am Mittwoch noch gegen Schulschließungen gewesen sei.

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Tschentscher räumte allerdings ein, dass es auch darum gehe, das öffentliche Leben in Hamburg nicht völlig lahmzulegen: „Wir wollen unbedingt Kollateralschäden verhindern, die unnötig sind.“ Natürlich habe er auch die Unternehmen und die öffentliche Infrastruktur im Blick, die weiter funktionieren müsse. „Wir könnten auch viel robuster vorgehen“ so der Bürgermeister. Aber er setze auf Vernunft. Historische Ausmaße haben die Maßnahmen ja ohnehin.

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