Hamburg. Müssen wir diesen Tag mehr als 100 Jahre nach seiner Entstehung immer noch feiern? Das sagen Hamburger Unternehmerinnen.
Kurz vorab: In den folgenden Zeilen wird kein Mann degradiert. Männer sind toll. Frauen aber auch. Sie vergessen es nur zu häufig oder finden es unangenehm, darauf hinzuweisen. Also mache ich hier mal den Anfang: Ich bin der Hammer. So. Ging doch. Hater stellen sich jetzt bitte schön in eine Reihe, dann kann ich alle Argumente, warum ich wahrscheinlich doch nicht so der Hammer bin, nacheinander voll motiviert abarbeiten.
Womit klar ist, was wir Frauen gut können: Ordnung schaffen, unangenehme Dinge erledigen, zuhören und antworten. Wir können außerdem Kinder bekommen, unsere Jobs zur vollsten Zufriedenheit aller erledigen, mit lackierten Fingernägeln ein Regal aufbauen, eine Erkältung ohne Nahtoderfahrung aushalten und in hohen Schuhen bei gestreckten Beinen unsere Fußspitzen berühren.
Weltfrauentag: Für Ungerechtigkeiten sind Frauen selbst verantwortlich
Es gibt jedoch viele Dinge, in denen wir leider richtig schlecht sind, und sollte frau der Ansicht sein, es bestünden Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau, dann liegt es vor allem: an uns selbst. Wir bilden keine Netzwerke, wir kümmern uns nicht um Finanzen, wir führen schlechte Gehaltsverhandlungen, wir trauen uns keinen Karriereschritt zu, wir gehen als Mutter auf Teilzeit, wir sehen andere Frauen zu häufig als Konkurrentinnen, wir unterstützen uns selten gegenseitig und glauben im Grunde unseres Herzens immer noch an Märchen.
Disney ist schuld, dass wir alten Klischees und Rollenbildern nie entwachsen! Irgendwann kommt bestimmt der Prinz, und dann wird alles gut und wir leben glücklich und zufrieden bis ans Ende aller Tage. Nein, junges Fräulein, du wartest besser nie auf einen Mann, der dein Leben in die Hand nimmt (Betonung auf dein!). Du wirst einfach selbst CEO deines eigenen Reiches.
Wenn es nur so einfach wäre… Aktuell wird nur knapp jedes siebte Start-Up von Frauen gegründet. „Ich dachte, ich brauche einen Mann an meiner Seite, als ich meine Firma gründete. Wir Frauen trauen uns zu wenig alleine zu“, sagt Jo Braun und schwingt dabei auf einer Schaukel. Wir sitzen in ihrer Fitnessboutique „Urban Heroes“ am Valentinskamp. Wer hier trainiert, der will es entweder wirklich wissen, oder er ist Masochist.
Ohne Ahnung von Finanzen keine Gleichberechtigung
Die Härte des Trainings hat System. „Wenn du es geschafft hast, dann verlässt du den Kurs mit Stolz. Es geht nicht um den perfekten Body, sondern um die Erkenntnis, dass du Leistung erbringen kannst. Unerwartet große Leistungen“, erklärt Braun, die ihren Laden inzwischen alleine führt und die Unterschiede zwischen Mann und Frau beim sich Quälen und Durchhalten täglich vor Augen hat: „Wir Frauen sind das stärkere Geschlecht. Die Belastungen der Jahrtausende haben uns abgehärtet.“
Wir sind also super stark, verstecken unsere Power aber lieber, anstatt im Superheldinnen-Umhang in die Chefetagen einzumarschieren. 10,1 Prozent der Dax-Vorstandsmitglieder sind Frauen, und im Bundestag sitzen von 709 Abgeordneten nur 221 weibliche.
Hamburgerin setzt sich für mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft ein
„Das kann doch nicht sein“, findet Annelies Peiner. „Wenn weiterhin Männer alles bestimmen, dann können wir keine wirkliche gesellschaftliche Veränderung erwarten.“ Peiner arbeitete als Kommunikationsexpertin mehr als zehn Jahre lang für große Agenturen wie Edelman und fischerAppelt, bis die Hamburgerin entschied, sich für mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft einzusetzen, weil diverse Teams im Durchschnitt erfolgreicher arbeiten.
Als Geschäftsführerin von Nushu (www.teamnushu.de), einer Mischung aus Netzwerk und Wissensvermittlung, propagiert sie die Macht von guten Kontakten und Finanzkenntnissen. „Gleichberechtigung funktioniert nur, wenn wir unsere Finanzplanung im Griff haben“, sagt Peiner. Wir sollten also alle dringend unser eigener CFO werden und gleichzeitig unseren Wert als Mitarbeiterin überdenken.
Chefetage nur aus Frauen muss vorstellbar sein
Im Durchschnitt verdienen Frauen 21 Prozent weniger in der Stunde als Männer. Der Gender Pay Gap in Deutschland hat laut einer Studie des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit vor allem mit unserer Denkweise zu tun. Wir erwarten weniger Gehalt, fordern deshalb auch nicht so viel wie die Männer und schaffen uns die Lohnlücke quasi selbst. Das führt letztendlich dazu, dass Frauen im Schnitt 46 Prozent weniger Rente beziehen. „Was Abhängigkeiten vom Staat oder von unserem Partner schafft“, sagt Peiner.
Von den rund 800 Nushu-Mitgliederinnen hört sie immer wieder Erzählungen, wie sie im Job von Männern übergangen werden, wie wenig ihre weibliche Perspektive geschätzt wird, und dass sie als Mütter oder Teilzeitkraft für Beförderungen nicht mal in Erwägung gezogen werden. Doch warum sollten Mütter, die meistens perfekt organisiert sind und in der Elternzeit die wichtigste Fortbildung des Lebens in puncto Soft Skills absolviert haben, schlechte Führungspersonen sein?
„Die Skandinavier sind uns da weit voraus“, sagt Peiner und schlägt einen Test vor. Wenn man sich einen Vorstand aus fünf Personen vorstellt, wie viele sollten davon Frauen sein? Mindestens eine, besser zwei oder drei, antwortet man sogleich – und scheint irgendwie als Frau schon durchgefallen! „Warum denn nicht fünf? Das Geschlecht sollte total egal sein, doch in unseren Köpfen muss eine Chefetage nur aus Frauen genauso vorstellbar sein wie eine nur aus Männern“, erklärt Peiner.
Veraltete Denkmuster auflösen
Stefanie Luxat, Chefredakteurin des Blog-Magazins OhhhMhhh.de, besser bekannt als die beste digitale Freundin, verweist auf die Hamburger Bürgerschaftswahl: „So lange eine Frau wie Katharina Fegebank in einem TV-Duell gefragt wird, ob sie ihrem Chef den Job klauen wollen würde und wer sich jetzt gerade eigentlich um ihre Zwillinge kümmert, brauchen wir Frauen jede Hilfe und Aufmerksamkeit, die wir bekommen können, um diese veralteten Denkmuster aufzulösen.“
Luxat, die sich immer wieder auf sehr humorvolle Art und Weise mit angeblichen „Frauenthemen“ (allein das Wort!) auseinander setzt, empfiehlt den Twitter-Account „Das bisschen Arbeit“. Mit simpler sprachlicher Umkehrung wird dort aufgezeigt, wie absurd die alten Rollenbilder sind. Ein Tweet-Beispiel: „Wieviel Zeit verbringen eure Frauen mit den Kindern? Kann ich von meiner Frau, die von Mo-Sa arbeitet und eigentlich eine tolle und liebevolle Mama ist, erwarten, dass sie am Sonntag nicht immer unterwegs oder in ihrem Hobbykeller ist?"
Hamburger Unternehmerin wünscht sich ein Miteinander der Geschlechter
Melina Paeper hat in ihrem Hobbykeller das Start-up für Naturkosmetik „Mo and the Ocean“ gegründet. Der Unternehmerin geht es darum, eine Gesellschaft zu erschaffen, in der es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt: „Eine Gesellschaft, in der ein Mit-, kein Gegeneinander gelebt wird; in der es ausschließlich darum geht, wer für einen bestimmten Job die am besten geeignete Person ist.“ Als positives Beispiel für Gleichberechtigung wird gerne SAP hat mit seiner neuen Vorstandsvorsitzenden Jennifer Morgan genannt. Vielleicht war sie ja einfach nur die beste Kandidatin?
Paeper fragt sich, ob diese Businessfrau eines der derzeit beliebten „The Future is Female“-T-Shirts tragen würde. „Ich hoffe, dass wir über dieses Stadium hinweg sind und uns nicht mehr so plakativ auf unsere Geschlechter kaprizieren müssen“, sagt Paeper. Mit ihren Pflegeprodukten aus Algenextrakt hat die junge Hamburgerin es geschafft, sich in einer stark umkämpften Branche einen Namen zu machen. Den stark beanspruchten Hashtag #Female Empowerment würde sie lieber ersetzen durch #Self Empowerment“.
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#Tradwife: Traditionelle Rollenverteilung als Garantie für eine gute Ehe
Ein anderer heiß diskutierter Hashtag lautet #Tradwife. Dort findet man unter anderem eine Britin, die ihren Job kündigte und sich ihrem Ehemann unterordnet als wäre es 1959. Tagsüber verrichtet sie jede Menge Hausarbeit, kümmert sich dann ums Abendessen, trägt Parfüm und Lippenstift auf, bevor der Gatte heimkehrt und nimmt ihm zur Begrüßung die Jacke ab. Es gibt Follower, die die überzeugte Hausfrau als wahre Feministin feiern und argumentieren, die ganzen berufstätigen Mütter seien komplett unglücklich mit ihrer Doppelrolle. Traditionelle Rollenverteilung sei außerdem die Garantie für eine gute Ehe.
Aber wahrscheinlich sind die Vertreterinnen dieser Argumentation noch nicht verheiratet. Denn Mädels, macht euch nichts vor: Unsere Funktion als Mutter ist lediglich für eine gar nicht so lange Zeitspanne gefragt. Was machen wir dann mit dem Rest unseres Lebens, wenn wir unsere Jobs an den Nagel gehängt haben?
Ziehen wir die schwächste Generation an Frauen groß?
Wir können nicht alle Influencerinnen werden, zumal wir dort häufig mit Klischees zu kämpfen hätten. Eine Studie der MaLisa Stiftung (gegründet von der Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Lisa) hat gezeigt, dass Influencerinnen vor allem auf Äußerlichkeiten und archaische Rollenbilder setzen und ihre Followerinnen das dann nachahmen. „Wenn wir nicht aufpassen, ziehen wir die schwächste Generation an Frauen seit den 50er Jahren groß“, sagt Nena Schink, die kürzlich das Buch „Unfollow. Wie Instagram unser Leben zerstört“ (Eden Books) veröffentlichte.
Die Autorin war extrem aktiv auf der Plattform und gibt zu, das veraltete Frauenbild selbst befeuert zu haben. Bis sie sich fragte: Warum bezeichnen sich Frauen in ihrer Biografie am liebsten als Wifey und Mutter? Wieso bekommt ein in die Kamera gehaltener Verlobungsring deutlich mehr Likes als ein bestandenes Diplom?
Die sozialen Medien würden uns vor diesem Hintergrund nicht freier, sondern eher zu Gefangenen machen. „Ich persönlich habe manchmal das Gefühl, dass junge Frauen das Wort Feminismus auf Social Media missbrauchen, um ihre Bikinibilder posten zu können. Sexy Bilder haben aber nichts mit Feminismus zu tun. Das ist auch kein Akt der Selbstbefreiung,“ sagt Nena Schink. „Das ist einfach nur blöd“.