Hamburg. Online-Service: Viele Geschlechterrollen scheinen noch immer zementiert. Es geht auch um Geld – und den Gender Pay Gap.
Gefühlt haben wir es bei der Gleichberechtigung schon ziemlich weit gebracht. Doch auf Gefühle gibt der neue Hamburger Gleichstellungsmonitor nichts. Er arbeitet mit Zahlen und Fakten, die die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung gemeinsam mit dem Statistikamt aufbereitet hat. 48 Indikatoren bieten nun erstmals ein umfassendes Datenpaket, das die Lebensrealität von Frauen (und Männern) in Hamburg widerspiegelt. Am heutigen Mittwoch wird der Monitor digital zugänglich gemacht (www.hamburg.de/gleichstellungsmonitor).
„Frauen haben in den letzten Jahrzehnten viele Rechte für sich erstritten. Dass die vollständige Gleichstellung aber längst noch nicht erreicht ist, das ist kein abstraktes Gefühl, das ist Fakt. Diese Gewissheit liefern uns die Daten des Gleichstellungsmonitors“, sagt Katharina Fegebank (Grüne), Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung: „Frauen verdienen in Hamburg immer noch rund 20 Prozent weniger als Männer, leisten den Löwenanteil an unbezahlter Familienarbeit und sind stärker von Altersarmut betroffen als Männer. Das wollen wir ändern.“
Anteil der Frauen liegt bei 51 Prozent
In der wachsenden Stadt Hamburg liegt der Anteil der Frauen bei 51 Prozent, der der Männer bei 49 Prozent. Die Gruppe der 30- bis 64-Jährigen ist in beiden Bevölkerungsteilen jeweils die größte und macht etwa die Hälfte aller Hamburger Einwohner aus. Der Monitor listet auch Altersgruppen für jeden Stadtteil sortiert nach Geschlecht auf. So zeigt sich, dass etwa in allen Elbvororten der Frauenanteil überwiegt.
Die Erstellung des Gleichstellungsmonitors sei eine langjährige Forderung von Fraueninteressensverbänden in der Stadt gewesen, sagt Anita Boje-Nasution, Leiterin der Stabsstelle Gleichstellung, außerdem habe es diesbezüglich im vergangenen Jahr ein Bürgerschaftliches Ersuchen gegeben. Anders als in den anderen Bundesländern könne der Hamburger Gleichstellungsmonitor regelmäßig mit neuen Daten gefüttert werden. „Das ist der große Vorteil, wir können einzelne Indikatoren aktualisieren“, sagt Boje-Nasution. Damit sei Hamburg Vorreiter. Inhaltlich orientiert sich der Report am Gleichstellungsatlas des Bundes.
Spannende Erkenntnisse
Große Überraschungen habe man nicht festgestellt, aber doch einige spannende Erkenntnisse gewonnen, sagt sie. So hätten offenbar alle Bemühungen, Frauen für nicht geschlechtertypische Ausbildungen zu gewinnen, bislang nicht genug gebracht. In fast allen Ausbildungsberufen dominiere das männliche Geschlecht, nur im Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ waren gut 86 Prozent der Auszubildenden weiblich. Auch in den Bereichen „Unternehmensorganisation Buchhaltung, Recht und Verwaltung“ waren Frauen mit 65,7 Prozent deutlich überrepräsentiert.
Bei technischen Ausbildungen machten Frauen weniger als 15 Prozent der Auszubildenden aus. Im Handwerk hat sich die Schere seit 2013 sogar noch vergrößert. Nur 22 Prozent der jungen Menschen, die 2017 eine Ausbildung im Handwerk machten, waren Frauen, 2013 waren es noch 25 Prozent. Auch in Industrie und Handel waren die männlichen Auszubildenden in der Mehrzahl. Der Männeranteil lag bei 61 Prozent, der der Frauen bei 39 Prozent – mit rückläufiger Tendenz.
Signifikante Unterschiede
Auch die Wahl der Studienfächer zeigt, dass es noch immer signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. So studieren nur 9,5 Prozent Frauen Ingenieurwissenschaften, aber 30,8 Prozent der Männer. Im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften ist der Unterschied deutlich geringer – 7,6 Prozent Frauen, 8,8 Prozent Männer. Dafür ist der Anteil der Frauen in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 52,1 Prozent deutlich höher als der der Männer (44,9 Prozent).
Interessant und verblüffend ist auch die Statistik zur Erwerbstätigkeit von Frauen. „Wir erleben, dass Männer in Elternzeit gehen, aber wir sehen, dass die Zahlen seit zehn Jahren fast zementiert sind. Es ist erstaunlich – man denkt, es tut sich was, aber das ist gar nicht so“, sagt Julia Offen, Sprecherin der Wissenschaftsbehörde. Tatsächlich sind die Kinderbetreuungsangebote in den vergangenen Jahren enorm ausgebaut worden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
Weniger Einkommen
Trotzdem arbeiteten 2017 nur 50,1 Prozent der Frauen Vollzeit (2008 waren es noch 56 Prozent), dafür 38,8 Prozent in Teilzeit (2008 waren es 31,1 Prozent). Auch die Zahl der in Vollzeit tätigen Männer sank – von 86,7 Prozent (2008) auf 83,4 Prozent (2017). Im Gegenzug arbeiten mehr Männer Teilzeit – 9,7 Prozent (2017) statt 6,2 Prozent (2008). Die Zahl der geringfügig Beschäftigten sank bei Frauen leicht auf 11,1 Prozent (2008: 12,9) und bei Männern auf 6,9 Prozent (2008: 7,1).
Beim Einkommen haben die Frauen immer noch das Nachsehen. 11,3 Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen verdienen weniger als 1900 Euro brutto im Monat, aber nur 7,8 Prozent der Männer. Bei der Gruppe jener, die bis 3900 Euro brutto verdienen, sind 63,7 Prozent Frauen, aber nur 49,7 Prozent Männer. Im Bereich der Gehaltsklassen bis zu 5900 Euro dominieren ebenfalls die Männer mit 27,1 Prozent gegenüber 19 Prozent bei den Frauen. Unter den Spitzenverdienern (5900 Euro und mehr) sind 15,5 Prozent Männer, aber nur sechs Prozent Frauen.
Gute Grundlage für die Gleichstellungspolitik
Der sogenannte Gender Pay Gap, also der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, liegt bei 22,3 Prozent, wenn man alle Branchen und Berufe zusammennimmt und bei immerhin noch 5,8 Prozent, wenn man den Verdienstabstand von Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien betrachtet. Nur bei den Auszubildenden und bei den Beamten spielt das Geschlecht beim Einkommen keine wesentliche Rolle.
Der Gleichstellungsmonitor liefert nach Ansicht der Behörde eine gute Grundlage für die Gleichstellungspolitik. Hamburg werde in naher Zukunft die erste deutsche Stadt sein, die „wesentliche Hinweise zur Gleichstellungsqualität für eine noch erfolgreichere Politik des Senats nutzen kann“, so Katharina Fegebank.
In einem Bereich werden Frauen wohl auch künftig nicht aufholen wollen – bei den Strafgefangenen liegt ihr Anteil bei nur fünf Prozent.