Hamburg. Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Mitte prangern die hohe Arbeitsbelastung und Fluktuation an.

In einem offenen Brief haben Mitarbeiter des Jugendamtes Hamburg-Mitte, die anonym bleiben wollen, die prekäre Personalsituation und die Überlastung des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) in der Region 2 (Billstedt, Horn, Mümmelmannsberg) angeprangert. „Um die Garantenstellung des Jugendamtes wahren zu können, und damit Kinder und Jugendliche vor Missbrauch, Misshandlung und Kindestötungen geschützt werden können, wenden wir uns in unserer Verzweiflung an die Öffentlichkeit“, heißt es in dem Schreiben, das an die sechs Bürgerschaftsfraktionen und das Abendblatt gerichtet ist.

„In prekären Stadtteilen wie Mümmelmannsberg und Billstedt treffen Bildungsarmut und Armut aufeinander, was zu hohen Fallbelastungen in den jeweiligen Abteilungen führt, welche nicht aufgefangen werden können, da bei der Personalbemessung das Sozialmonitoring keine Rolle spielt“, heißt es in dem Brief. So müssten Vollzeitkräfte „weit über 100“ Fälle betreuen, Teilzeitkräfte rund 70 Fälle. „Der Kinderschutz kann unter diesen Umständen nicht gewährleistet werden“, schreiben die Mitarbeiter.

Angespannte Arbeitsatmosphäre

Es sei „nur eine Frage der Zeit, bis ein weiterer Jugendamts-Fall mediale Aufmerksamkeit bekommt“. Das ist eine Anspielung unter anderem auf den Fall der drei Jahre alten Yagmur aus Mümmelmannsberg, die im Dezember 2013 an den Folgen der schweren Misshandlungen durch ihre Mutter gestorben war.

Die Abteilung Mümmelmannsberg haben laut Brief in den vergangenen vier Jahren 45 Mitarbeiter verlassen, sechsmal wurde die Leitungsstelle neu besetzt. Nur drei Fachkräfte arbeiten derzeit angeblich im sogenannten Fallmanagement. Fachkräfte müssten bereits während der Probezeit Fälle von Kindeswohlgefährdung eigenverantwortlich bearbeiten. „Die Arbeitsatmosphäre ist geprägt von Angespanntheit, hohem Druck, Beklemmnis, Verängstigung und Diktatur“, schreiben die Mitarbeiter.

Fachkräfte sind wie Schachfiguren auf einem Schachbrett

Hinzu komme, dass „Fachkräfte wie Schachfiguren auf einem Schachbrett von einer Abteilung in die andere“ verschoben würden, „ohne deren Einverständnis“. So seien erfahrene Mitarbeiter von der Abteilung Mümmelmannsberg zwangsversetzt worden, die nun „neu ausgerichtet“ werden solle.

„Wir nehmen die Kritik ernst und setzen uns damit auseinander“, sagt Sorina Weiland vom Bezirk Hamburg-Mitte. Allerdings seien schon Maßnahmen angelaufen, um die Belastung der Mitarbeiter zu senken. Dazu zählten eine Organisationsanalyse und die Unterstützung freier Träger bei der Übernahme von einzelnen Fällen. Die hohe Fluktuation bezeichnete Weiland zum Teil als Folge einer „ungünstigen Konstellation“, etwa wenn zwei Leitungskräfte gleichzeitig in den Mutterschutz gingen.

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Martin Helfrich, Sprecher der fachlich zuständigen Sozialbehörde, räumte ein, dass es „vor Ort zum Teil eine sehr geringe Stellenbesetzungsquote“ gebe. Einige Stellen seien nicht besetzt, „deren Besetzung wir uns wünschen“. Das Jugendamt Mitte habe sich bereits an die Fachabteilung der Behörde gewandt.

„Der offene Brief lässt aufhorchen, in dem unter anderem beschrieben wird, dass aufgrund von Personalfluktuation neue Mitarbeiter … bereits in der Probezeit vollumfänglich mit der Bearbeitung von Kinderschutzfällen betraut werden“, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Philipp Heißner. Die „prekäre Personalsituation und chronische Überlastung der ASD-Mitarbeiter in den Jugendämtern“ seien immer wieder als zentrale Hindernisse für die Gewährleistung des Kinderschutzes genannt worden.