Hamburg. 2003 waren es im Schnitt noch 18,1 Fehltage pro Mitarbeiter, 2017 schon 23,6. Auffällig sind extreme Unterschiede zwischen den Ämtern.
Die Mitarbeiter in den Hamburger Ämtern und Behörden sind im Durchschnitt fünf bis sechs Tage länger krank als noch 2003. Fielen seinerzeit in den Fachbehörden und Bezirksämtern durchschnittlich 18,1 Fehltage pro Mitarbeiter an, waren es 2017 schon 23,6 – eine Zunahme um 5,5 Tage oder 30 Prozent. In städtischen Landesbetrieben wie dem Großmarkt oder der Volkshochschule stieg die Zahl der Krankentage pro Mitarbeiter im gleichen Zeitraum sogar von 19 auf 25 an – ein Plus von sechs Tagen oder 31,5 Prozent.
Die Zahlen hatte die FDP-Fraktion beim Senat abgefragt und macht sie nun zum Thema der Bürgerschaft am kommenden Mittwoch. In einem Antrag fordert sie eine wissenschaftliche Analyse der Krankheitsursachen und ein Konzept für ein effektivere Prävention und Gesundheitsvorsorge. „Es existiert keine Statistik, aus welchen Gründen sich die Mitarbeiter arbeitsunfähig melden“, kritisiert die FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke. „So lässt sich keine vernünftige Gesundheitsprävention betreiben.“
Bundesweit steigen Fehlzeitenquoten der Angestellten
Die Krankenstände in der Hamburger Verwaltung liegen zwar deutlich über bundesweiten Fehlzeiten für Arbeitnehmer, die je nach Statistik im Schnitt 15 bis 20 Tage krank sind. Dennoch verläuft die Entwicklung parallel: „Der Anstieg der Fehlzeiten in den vergangenen Jahren ist kein alleiniges Phänomen der hamburgischen Verwaltung“, sagt Volker Wiedeman, Chef des Personalamts des Stadt. Zum Beispiel hätten die Betriebskrankenkassen für ihre Versicherten einen Anstieg der Krankheitstage von 11,5 in 2006 auf rund 17 in 2017 verzeichnet. Die Techniker-Krankenkasse meldete einen Anstieg der Fehltage von gut elf in 2006 auf mehr als 15 in 2017.
Auffällig an den Zahlen des Senats sind die extremen Unterschiede innerhalb der Verwaltung. So kamen Mitarbeiter der Wirtschaftsbehörde 2017 im Schnitt auf 15,3 Krankentage, die im Bezirksamt Wandsbek hingegen auf 31,5. In den Volkshochschulen waren die Mitarbeiter im Schnitt 15,4 Tage krank, beim Landesbetrieb Verkehr (Zulassungsstellen) dagegen 35,4 Tage.
Ver.di sieht Probleme in kundenorientierten Bereichen
Sieglinde Frieß von der Gewerkschaft Ver.di glaubt die Ursache zu kennen: „Vor allem in den kundenorientierten Bereichen der Verwaltung steigt die Belastung immer weiter an. Viele Kollegen können nicht mehr und werden häufiger krank.“ Ob die Bezirksämter mit ihren Kundenzentren und Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD), der Landesbetrieb Verkehr mit den Zulassungsstellen oder der Landesbetrieb Erziehung und Beratung mit seinem Kinder- und Jugendnotdienst – im Prinzip gebe es in all diesen Dienststellen das Problem, dass die Mitarbeiter zu viele Fälle bearbeiten müssten. Die Belastung und Fluktuation seien hoch, und daher auch die Krankenstände.
Frieß hat zu dem Thema auch grundsätzlich eine klare Meinung: „Es braucht für gute Arbeit in der Verwaltung halt mehr Personal als jetzt da ist.“ Außer diesem für Gewerkschaften erwartbaren Ansinnen fordert Frieß aber auch „mehr konzeptionelles und langfristiges Denken“. So müsse die Stadt schon heute darauf reagieren, dass in drei Jahren eine große Verrentungswelle einsetzen werde. Und auf Alarmsignale wie vor einigen Jahren aus dem ASD oder aus den Kundenzentren müsse schneller reagiert werden.
FDP macht Fehlzeitenquote zum Thema in der Bürgerschaft
Für mehr Konzept setzt sich auch die FDP ein, sonst nicht gerade der natürlich Partner der Gewerkschaften. „Die Beschäftigten in der städtischen Verwaltung sind immer häufiger und immer länger krank“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnet Jennyfer Dutschke. Dabei falle auf, dass sich Dauer und Häufigkeit der Krankschreibungen in den einzelnen Behörden und Ämtern zum Teil erheblich voneinander unterscheiden: „Warum das so ist, darüber gibt es keine Informationen“, so Dutschke. Für die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch haben die Liberalen daher einen Antrag eingereicht, in dem sie eine Analyse der Krankheitsursachen fordern. Dutschke: „Abgeleitet aus dem Datenmaterial muss der Senat ein Konzept entwickeln, wie er die Gesundheitsprävention für die städtischen Mitarbeiter gezielt weiterentwickeln will.“
Im Personalamt der Stadt hat man auf diese Forderung nicht unbedingt gewartet. Denn „betriebliche Gesundheitsförderung“ sei schon „seit 15 Jahren zentrales Handlungsfeld des strategischen Personalmanagements der Freien und Hansestadt Hamburg“, so Personalamts-Leiter Wiedemann. Tatsächlich gibt es für die gut 70.000 Mitarbeiter der Stadt ständig ein breites Angebot an Sportkursen sowie punktuelle Aktionen wie Ernährungsberatung, frisches Obst, eine „Bewegungspause“ oder etwa eine „mobile Massage am Arbeitsplatz“. Zudem füllt das Kapitel „Fehlzeitenanalyse“ allein im aktuellen Personalbericht der Stadt fast zehn Seiten.
Personalamt warnt vor Vergleichen
Daher hat Wiedemann auch jede Menge Erklärungsansätze dafür, dass städtische Mitarbeiter einerseits tatsächlich etwas mehr Fehltage haben als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, dass andererseits diese Statistiken aber auch mit Vorsicht zu genießen sind. So sei die Fehlzeitenquote in der Hamburger Verwaltung zwar von 2006 bis 2017 von 6,9 auf 9,0 Prozent gestiegen.
Aber das könne man nicht mit den Fehlzeitenquoten der Krankenkassen vergleichen (die der AOK-Versicherten betrug etwa 5,3 Prozent), da diese nur Arbeitsausfälle berücksichtigen, die über mindestens drei Kalendertage andauern, während die Stadt vom ersten Fehltag an rechne. Bereinige man die städtische Quote entsprechend, komme man auf 6,9 Prozent. Wiedemann warnt auch vor Vergleichen mit den Jahren 2003 bis 2009, da es damals historische Tiefstände bei den Fehlzeiten gab.
Durchschnittsalter der Verwaltung relativ hoch
Weitere Faktoren, die sich aus Sicht des Personalamts auf die Fehlzeitenquote der Stadt auswirken: Das Durchschnittsalter der hamburgischen Verwaltung ist mit 46 Jahren vergleichsweise hoch, und die Schwerbehindertenquote liegt mit 6,8 Prozent über der gesetzlich geforderten Quote von fünf Prozent. Hinzu kommt: Mehr als 55 Prozent der städtischen Mitarbeiter sind Frauen, und die melden sich laut Personalbericht statistisch gesehen etwas häufiger krank.
Dass Arbeitsverdichtung automatisch höhere Fehlzeiten nach sich zieht, sieht Wiedemann nicht so. „Die Arbeitswelt verändert sich selbstverständlich dynamisch“, sagte er. Belastende und entlastende Faktoren hielten sich dabei aber die Waage und würden von den Beschäftigten „höchst unterschiedlich“ aufgenommen. Zudem hätten auch private Faktoren Einfluss auf die Fehlzeiten, so Wiedemann: „Die zunehmenden psychischen Belastungen und Erkrankungen entstammen zum Beispiel keineswegs nur dem Arbeitsleben, sondern haben ihre Ursachen häufig auch in einer komplexer und schwieriger werdenden gesamten Lebensgestaltung.“