Hamburg. Bundesregierung reagiert nach Todesfällen in Italien. Hamburger Krankenhäuser warnen. Shanghai: Polettos Restaurant geschlossen.
In Hamburg wurde eine Task Force zur Bekämpfung des Coronavirus eingerichtet. Sie besteht nach Abendblatt-Informationen unter anderem aus Vertretern aller Krankenhäuser, der Ärztekammer, der niedergelassenen Ärzte und wird geleitet von der Gesundheitsbehörde. In diesem Stab werden Informationen ausgetauscht und Maßnahmen beschlossen. Er ist eng vernetzt mit dem Robert-Koch-Institut und dem Bundesgesundheitsministerium in Berlin.
Jens Spahns Ministerium hat bereits bei den Krankenhäusern in Deutschland abgefragt, ob und wie sie auf einen denkbaren Massenanfall von Patienten eingerichtet sind. „Die Corona-Epidemie ist als Epidemie in Europa angekommen“, sagte Spahn am Montag. „Deshalb müssen wir damit rechnen, dass sie sich auch in Deutschland ausbreiten kann.“
Coronavirus: Eskalation jederzeit möglich
Er sprach von einer „sehr, sehr dynamischen Lage“. Sie deute darauf hin, dass sich das Virus in Form einer Pandemie ausbreite. Bei 16 bekannten Infektionsfällen in Deutschland sei es noch möglich, Betroffene zu isolieren, zu behandeln und ihre Kontaktpersonen zu ermitteln. Breite sich das Coronavirus stärker aus, gebe es eine nächste Phase. Was Spahn nicht sagte: Auch das Isolieren von Stadtteilen und Orten ist möglich.
Die Hamburger Krankenhäuser wurden bereits gefragt, ob sie über ausreichend Mundschutz und Schutzkleidung verfügen. Dabei ist die Lage der Intensivstationen in den Kliniken an Alster und Elbe heikel. Kein Haus kann einfach „auf Vorrat“ Betten bereitstellen, um mögliche Corona-Patienten aufnehmen zu können.
Hamburger Krankenhäuser: "Keine Betten auf Vorrat"
Wie die Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG), Dr. Claudia Brase dem Abendblatt sagte, hätten auch politische Entscheidungen dazu geführt, dass zeitweise sogar Intensivstationen vom Notfallsystem „abgemeldet“ werden müssten. „Niemand hat leere Betten irgendwo stehen“, so Brase.
Das DRG-System der Bezahlung (Diagnosis-Related Groups) sehe das auch nicht vor. Gleichzeitig führe die von der Politik gewollte Regel zur „Personaluntergrenze“ dazu, dass man Stationen schließen müsse, wenn nicht genügend Personal da sei. Andernfalls drohen den Krankenhäusern Strafzahlungen. Hier behindere also die Politik die Vorsorge.
Brase sagte: „Momentan ist nicht zu erwarten, dass wir wegen Corona einen großen Anstieg der Patientenzahlen bekommen.“ Sollte es aber Fälle in Hamburg geben und die Zahlen die der ohnehin laufenden Influenza-Welle übersteigen, könne es beim Personal eng werden.
Corona: Das ist das Szenario für Hamburg
Das Szenario dafür ist laut Ärzten klar: Die Krankenhäuser müssen alle nicht dringenden Patienten verschieben. Die sogenannten „elektiven“ Fälle, also geplante Operationen, müssen warten. Kliniken müssen mehr Beatmungsplätze schaffen und möglicherweise eine Urlaubssperre verhängen.
Hamburger Ärzte appellierten an die Patienten, sich in einem Verdachtsfall von Corona nicht in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu begeben. Wer glaubt, erkrankt zu sein, sollte seinen Hausarzt aufsuchen. Dort werde man getestet. Möglicherweise wird man von einem Verdachtsfall zu einem begründeten Verdachtsfall eingestuft. Und wer tatsächlich mit Corona infiziert sei, werde mit einer Meldung beim Robert-Koch-Institut isoliert und auf eine Intensivstation gebracht.
Gesundheitsbehörde: Hamburg ist vorbereitet
Die Hamburger Gesundheitsbehörde nimmt die steigende Zahl der Coronainfektionen in Italien zum Anlass, noch einmal auf die Vorbereitungen auf Infektionsfälle hinzuweisen. "Hamburg hält eine Vielzahl an klinischen Einrichtungen vor, die Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Symptomen medizinisch versorgen können", heißt es in der Mitteilung. In Hamburg gebe es bisher keinen bestätigten Fall einer Coronavirus-Infektion.
Die Warnung der Krankenhäuser sieht die Behörde anders. Das UKE verfüge über eine Infektiologie mit ausreichender Kapazität, die anderen Hamburger Kliniken über Isolierzimmer. Bei einer größeren Anzahl von Erkrankten sei es jederzeit möglich, Betten zeitnah umzuwidmen. Bei Bedarf koordiniert der Fachstab Seuchenschutz in Hamburg relevante Maßnahmen
Was mögliche Patienten tun sollten
Rückkehrern aus den betroffenen Regionen in Norditalien empfiehlt die Behörde: "Reisende, die mit einer in Italien an COVID-19 erkrankten Person einen persönlichen Kontakt hatten, sollten sich umgehend an ihr Gesundheitsamt wenden. Alle anderen Reisenden aus italienischen Regionen mit COVID-19-Erkrankungsfällen, die innerhalb von 14 Tagen nach Rückreise Fieber, Husten oder Atemnot entwickeln, sollten nach telefonischer Anmeldung und unter Hinweis auf die Reise einen Arzt aufsuchen."
Könnten bei vielen Infizierten auch in Hamburg einzelne Gebiete abgeriegelt werden? Ein Sprecher der Gesundheitsbehörde sagte, man müsse von der Lage abhängig diskutieren, ob das eine Option werden könnte.
Was das Infektionsschutzgesetz ermöglicht
Aber nach dem Infektionsschutzgesetz sind auch in Deutschland einschneidende Maßnahmen möglich. So heißt es dort im Abschnitt zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im Paragraf "Schutzmaßnahmen": "Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. "
Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die Behörde Veranstaltungen oder sonstige Menschen-Ansammlungen beschränken oder verbieten und auch Schwimmbäder schließen. Außerdem kann sie Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen. Dabei können Grundrechte wie die Freiheit der Person oder die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt werden.
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Jetzt noch gegen Grippe impfen lassen
Die typischen Symptome einer Coronainfektion wie Husten, Atemnot und Fieber sind ähnlich wie bei der Grippe, die zurzeit Hochsaison hat. Anders als beim Coronavirus gibt es aber gegen die Grippe eine Impfung, die auch jetzt noch sinnvoll sei, sagt Michael Wünning, Chefarzt der Notaufnahme am Marienkrankenhaus,
Entlastung für die Ärzte biete eine höhere Anzahl von Geimpften aber nicht, weil bei gegen Influenza Geimpften die Möglichkeit bestehe, dass sie an einer atypischen Grippe erkranken, sodass Patienten mit Atemwegserkrankungen immer auch auf Influenza getestet werden müssten, sagt Wünning.
Zwei Personen im Marienkrankenhaus negativ getestet
Im Marienkrankenhaus gab es nach seinen Worten bisher keinen Fall einer bestätigten Coronavirus-Infektion. Zwei Patienten seien getestet worden, die Ergebnisse waren jedoch negativ. Für die Testung im Verdachtsfall hat das Berliner Robert-Koch-Institut Richtlinien herausgegeben. Danach sollen Personen getestet werden, die typische Symptome zeigen und zusätzlich innerhalb der vergangenen 14 Tage Kontakt zu einem nachgewiesen Erkrankten hatten oder sich innerhalb der vergangenen 14 Tage innerhalb einer betroffenen Region aufgehalten haben.
Mittel zur Händedesinfektion benutzen
Sollte es zu einer größeren Zahl von Infizierten kommen, ist das Marienkrankenhaus vorbereitet. "Zuerst würden wir diese Patienten an die Spezialabteilung am UKE verlegen, wenn sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden", sagt Wünning. Bei größeren Erkrankungszahlen "können wir zügig Isolationsmöglichkeiten aufbauen, um eine größere Anzahl von Infizierten zu behandeln." Das Personal werde geschult, es sei genügend Schutzausrüstung vorrätig. "Man muss diese Infektion sehr gut im Auge behalten, aber man muss auch aufpassen, dass man keine Panik schürt", sagt Wünning.
Um sich vor Infektionen zu schützen – damit sind in dieser Zeit auch die Grippe und grippale Infekte gemeint –, empfiehlt der Mediziner gründliches und häufiges Händewaschen und regelmäßige Händedesinfektion. Von Menschen mit Atemwegsinfekten solle man Abstand halten. Und wenn man selbst erkältet sei, solle man immer in die Ellenbeuge husten oder niesen.
Genau wie andere Atemwegsinfektionen wird das Coronavirus vor allem über Tröpfcheninfektion übertragen, also durch die Atemluft. Fraglich ist aber, ob es auch durch Ausscheidungen aus dem Darm weiterverbreitet wird. Dazu sagt Prof. Marylyn Addo, Leiterin der Infektologie am UKE: Das Virus sei im Stuhl nachgewiesen worden, könne also wahrscheinlich auch darüber übertragen werden.
Hamburg: Atemschutzmasken vielerorts nicht lieferbar
Die Angst vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus hält auch in Hamburg weiter an. Laut Kai-Peter Siemsen, Präsident der Hamburger Apothekerkammer, ist die Nachfrage an Atemschutzmasken wegen Corona ungebrochen. „Leider bedarf es weiterhin großer Mühen, diese in ausreichender Zahl zu beschaffen. Vielerorts sind diese nicht lieferbar.“
Im Zusammenhang mit den Masken spricht er jedoch von einer „fehlenden Sinnhaftigkeit“. Das sieht auch die Bundesapothekerkammer so: „Um sich vor einer Infektion zu schützen, brauchen Gesunde in Deutschland nach derzeitigem Wissensstand keine Atemschutzmasken“, heißt es.
Einen Effekt auf Restaurantbesuche hat Corona nach Abendblatt-Informationen zumindest in Hamburg derzeit nicht. Demnach spüren chinesische Restaurants in der Hansestadt nur in Einzelfällen einen Besucherrückgang.
Cornelia Poletto muss Restaurant in China schließen
Die bekannte Hamburger Köchin Cornelia Poletto musste ihr Restaurant „The Twins“ in Shanghai vorübergehend schließen – wegen des in China grassierenden Coronavirus. Das hat die Presseagentur „hesse und hallermann“ bestätigt. Derzeit gehe man davon aus, im Laufe der Woche wieder eröffnen zu können. Allerdings mit speziellen Auflagen zur Desinfektion. Außerdem würden sogenannte Sharing-Menüs, bei denen Gäste mit Stäbchen aus einem Topf essen, vorerst nicht erlaubt sein.
Poletto hatte das Restaurant 2018 in Shanghai parallel zu der Flagshipstore-Eröffnung des Küchengeräteherstellers „Zwilling“ eröffnet, mit dem sie schon lange zusammenarbeitet. Im „The Twins“ stehen mediterran-italienisch inspirierte Gerichte auf der Karte.
Corona-Test aus Hamburg
Das Hamburger Unternehmen altona Diagnostics GmbH hat die Entwicklung eines Testsystems zum Nachweis des neuen Coronavirus abgeschlossen und Ende der vergangenen Woche auf den Markt gebracht. Mit diesem Test wird es laut dem Hersteller Laboren ermöglicht, den Erreger der neu aufgetretenen Atemwegserkrankung schnell und spezifisch nachzuweisen.