Hamburg. Ärzte des Hamburg Port Health Centers sind im Einsatz, wenn Menschen mit unklaren Infektionen hier ankommen.

Das Büro von Martin Dirksen-Fischer ist eine ganze Ecke vom Flughafen und vom Hamburger Hafen entfernt, und dennoch haben der Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen und seine Kollegen die beiden internationalen Zugänge in die Hansestadt jeden Tag genau im Blick. Der 59-Jährige ist seit 2012 Leiter des Hamburg Port Health Centers (HPHC) mit Sitz im Institut­ für Hygiene in Hamm und immer genau im Bild, welche Flugzeuge und Schiffe Hamburg gerade ansteuern. Er, seine zwei Kollegen und eine Kollegin sind 24 Stunden im Dienst, sieben Tage die Woche. Jeder hat im Wechsel eine Woche Bereitschaftsdienst für akute Notfälle. Denn Krankheitsausbrüche halten sich nicht an Sprechstundenzeiten.

Die Ärzte des HPHC sind immer dann gefragt, wenn durch einen erkrankten Passagier auf einem Schiff oder in einem Flugzeug „eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit besteht“, sagt Dirksen-Fischer. „Dann werden wir angerufen.“

Keine direkten Anläufe aus China

Im Moment ist natürlich das Coronavirus ständig ein Thema. Nach Angaben von Dennis Krämer, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, gibt es allerdings bislang in Hamburg keinen einzigen bestätigten Fall von CoV-2, wie die neuartige Viruserkrankung heißt. In Hamburg landen keine Direktflüge aus China – anders als in Frankfurt und München. Alle Passagiere in diesen Flugzeugen müssen dort eine Fluggast-Aussteigekarte ausfüllen. Dabei werden persönliche Daten abgefragt, vor allem aber auch Kontaktdaten, um die Fluggäste im Notfall später erreichen zu können. Auch eine Selbstauskunft ist Teil des Fragebogens, beispielsweise nach Symptomen wie Fieber, Husten oder Atemnot, aber auch nach Aufenthalten in Risikogebieten oder Kontakten zu Menschen aus Risikogebieten. Die Airlines müssen diese Daten 30 Tage speichern.

Auch Direktanläufe von Schiffen aus China gibt es laut Dirksen-Fischer in Hamburg nur äußerst selten, weil Frachter meist schon an einem Hafen vorher angelegt haben. „Dagegen kommt jeder dritte Container aus China, aber die Überlebenszeit der Viren ist nicht länger als zwei oder drei Wochen.“ Kreuzfahrtschiffe aus der Region legten hier ebenfalls nicht an, betont er.

Es geht nicht immer hygienisch zu

Trotzdem haben Dirksen-Fischer, seine Kollegen und sieben Hafeninspektoren regelmäßig im Hafen zu tun. „Die Schiffe rufen hier an und sagen, „,mach mir die Ratte.‘“ Damit meint der Hafenarzt die halbjährliche Kontrolle, die jedes Schiff im internationalen Verkehr nachweisen muss – eine Art medizinischen TÜV, bei dem etwa Küche, Krankenstation und Medikamente an Bord inspiziert werden. Früher bekam das Schiff dafür das „Rattenfreiheitszertifikat“, kurz Ratte, vor etwa 15 Jahren wurde es umbenannt in IGV, Internationale Gesundheitsvorschriften.

Denn auch wenn es keine Ratten an Bord gibt, bedeute das keineswegs, dass es immer überall hygienisch zugeht. In Deutschland werden die IGV neben Hamburg in Bremen, Bremerhaven, Kiel, Rostock und am Jade-Weser-Port überprüft. 24 Stunden vor der Ankunft im Hafen müsse zudem jedes Schiff angemeldet werden, sagt der Leiter der Hafenärzte. In Hamburg seien es etwa 8000 bis 9000 Anläufe pro Jahr, dazu etwa 4000 bis 5000 Binnenschiffe. Es stehe den Hafenärzten aber frei, auch zwischendurch Schiffe zu inspizieren, sagt Dirksen-Fischer. Er und seine Mannschaft sind pro Jahr auf etwa 1000 Schiffen im Hamburger Hafen zugange.

Die Mitarbeiter des Hamburg Port Health Centers haben nach eigenen Angaben regelmäßig Kontakt zur Gesundheitsbehörde, zum Robert-Koch-Institut, zum Auswärtigen Amt, aber auch zur Weltgesundheitsorganisation WHO.

Grenzschließungen führten zu nichts

Dirksen-Fischer und sein Stellvertreter Matthias Boldt arbeiten auch am EU-Gesundheitsprojekt „Healthy Gateways“ mit, bei dem es darum geht, international einheitliche Standards der Gesundheitsvorsorge im grenzüberschreitenden Verkehr (Häfen, Flughäfen, Grenzübergänge) festzulegen.

„Ich halte von Grenzschließungen nichts“, sagt Dirksen-Fischer, „dieser Versuch führt zu gar nichts.“ Auch der Einsatz von Körpertemperatur-Scannern, wie er an etlichen ausländischen Flughäfen üblich sei, bringe nur Scheinsicherheit. „Wenn jemand Fieber hat, nimmt er eine fiebersenkende Schmerztablette und senkt seine Körpertemperatur, danach ist er unauffällig“, sagt Dirksen-Fischer. „Fragebögen sind das weitaus probatere Mittel.“

Auf Kreuzfahrtschiffen würden die Passagiere meist schon von den Schiffsärzten und Krankenschwestern behandelt und in schwerwiegenden Fällen bereits unterwegs von Bord gebracht, sagt Matthias Boldt. Anders sei das auf Frachtern. Daher bieten die Hafenärzte mittwochs im Seemannsclub „Duckdalben“ eine offene Sprechstunde zu allen Fragen der Gesundheit an. Die Beratung ist für die Seeleute kostenlos.

Im Notfall kommen die Ärzte in Schutzanzügen ins Flugzeug

Damit es an Bord von Kreuzfahrtschiffen gar nicht erst zur massenhaften Verbreitung von Krankheiten komme, gebe es genaue Vorgaben und Prozessabläufe, sagt Dirksen-Fischer. „Bei 0,5 Prozent Erkrankten an Bord, beispielsweise mit Durchfall, werden die Büfetts geschlossen. Dann werden nur noch Tellergerichte serviert, und es gibt noch mehr Desinfektionsmittel.“ Sein Stellvertreter Matthias Boldt ergänzt: „Es hängt von der vermuteten Infektion und den Übertragungswegen ab.“ Das könne vom Tragen eines Mundschutzes bis zum zwangsweisen Verbleiben der Passagere in der Kabine gehen, wie es beispielsweise bei den Passagieren des japanischen Kreuzfahrtschiffs „Diamond Princess“, die seit Anfang Februar auf dem Schiff ausharren mussten, der Fall war.

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Und wann sind die Hafen- und Flughafenärzte bei Flugzeugpassagieren gefragt? „Beispielsweise, wenn ein Mensch erbricht und weitere Symptome zeigt“, sagt Dirksen-Fischer. Dann werde das Flugzeug in einem speziellen Bereich am Hamburger Airport geparkt. Die Ärzte kommen in speziellen Schutzanzügen an Bord und bringen den Passagier notfalls mit einem Infektionsschutzwagen ins Krankenhaus. Von den Mitreisenden zwei Sitzreihen davor und dahinter sowie von der Crew würden die Kontaktdaten aufgenommen, um sie im Notfall verständigen zu können. Solche Einsätze gebe es etwa alle zwei Monate.

In der augenblicklichen Hochphase der Grippewelle sei vor allem die Händehygiene über die Maßen wichtig, betonen die beiden Mediziner. „Hände einseifen und waschen, während man einmal ,Happy Birthday‘ singt“, sagt Dirksen-Fischer, das sei die ideale Dauer. Und noch einen Tipp hat der Arzt: „Nicht in die Hand niesen, sondern in den Ärmel.“