Hamburg. Bei der Fridays-for-Future-Demo appelliert Claudia Kemfert an die Verantwortung der Stadt beim Klima. Der Star aber ist eine andere.
Langes Warten auf das Mädchen aus Schweden, das zum Gesicht der weltweiten Klimabewegung geworden ist. „Wir wollen Greta sehen“, rufen die Menschen bereits, als die Hip-Hop-Band Fettes Brot die Bühne am Heiligengeistfeld verlässt. Doch jetzt soll erst mal demonstriert werden. Als sich der Zug in Richtung Rödingsmarkt in Bewegung setzt, herrscht plötzlich Aufregung.
Greta Thunberg begrüßt Hamburger auf Großdemo mit einem „Moin“
Greta Thunberg, klein und schmal, mit heller Mütze und weinrotem Anorak, ist unter den Demonstranten. Sie läuft in der zweiten Reihe mit, abgeschirmt vom Inner Circle der Klimaschutzbewegung. Ordner haben diesen Bereich mit einem schwarzen Seil zu den Seiten und nach hinten abgesichert. Sorry, hier dürfen nur die Helfer aus dem Hamburger Ortsverband von „Fridays for Future“ mitlaufen – „zu Gretas Sicherheit“, wie es heißt.
Als die 17-Jährige viel später – um Viertel nach Fünf – auf die Bühne am Millerntor kommt, begrüßt sie die Hamburger mit einem „Moin“. Viele der Demonstranten sind insbesondere gekommen, um sie zu sehen. „Es ist schön, wieder hier zu sein“, sagt Greta auf Deutsch. Jubel in der Menge. Anschließend spricht die Schwedin auf Englisch weiter. „Wir stehen vor einer existenziellen Krise, aber es gibt kein Zeichen, dass sich in der Gesellschaft wirklich etwas bewegt.“ Politik und Medien täten so, als sei alles in Ordnung. „Aber wir können diese Krise nicht lösen, wenn wir nicht anerkennen, dass es tatsächlich eine Krise ist.“
Als der Applaus aufbrandet, verlässt Greta schon die Bühne
Greta wirkt klein auf der großen Bühne. „2020 ist das Jahr, in dem wir reale Handlungen brauchen.“ Die junge Klimaaktivistin spricht mit großem Ernst. Davon, dass die Emissionen deutlich reduziert werden müssten, „beginnend heute“. Und darüber, dass die Politiker nicht zu verstehen schienen, dass die Klimakrise bereits jetzt da sei und nicht erst in ferner Zukunft. „Wir jungen Leute streiken, weil wir es leid sind, dass wir permanent außen vorgelassen werden.“
Sie verstehe nicht, wie Politiker ihren Kindern in die Augen sehen könnten, „während sie ihnen die Zukunft stehlen“, sagt sie. Das klingt ein wenig nach dem „How dare you“ („Wie könnt ihr es wagen“), das Greta den Politikern im vergangenen Jahr auf dem UN-Klimagipfel entgegenschleuderte. In Hamburg endet die Ansprache der Schwedin versöhnlich. Wenn sich genug Menschen für den Wandel einsetzten, sagt Greta, werde er Wirklichkeit. „Ich bin so stolz, hier mit euch zu stehen.“ Als der Applaus aufbrandet, ist die 17-Jährige schon dabei, die Bühne zu verlassen. Sie dreht sich noch einmal kurz um und winkt. Dann ist sie weg.
Fridays for Future: Luisa Neubauer ist deutsche Greta Thunberg
Doch die nächste Rednerin wird von der Menge fast genauso gefeiert: Es ist Luisa Neubauer, die aus Hamburg stammt und die deutsche „Fridays for Future“-Bewegung mit begründet hat. Sie will die Hansestadt zu einem Vorreiter für den Klimaschutz machen. Hamburg könne tatsächlich beweisen und vorleben, wie eine 1,5-Grad-Politik aussehen könne in einer Stadt und wie Klimaschutz gerecht gestaltet werden könne.
Das sei aber nur möglich, wenn der politische Wille da sei – und die politischen Mehrheiten. „Wir werden den Klimaschutz bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag zum prägenden Thema machen“, ruft Luisa Neubauer. „Hamburg wählt Klimaschutz“ ist die Losung der Demonstration.
Wissenschaftlerin: Moorburg vom Netz nehmen, dann wird Hamburg Vorreiter
Neubauer sieht aber auch Gefahren – vor allem die, dass die Bewegung auf die Erzählung ihres eigenen Erfolges hereinfalle und deshalb erlahme. „In den letzten 14 Monaten ist einiges passiert – aber es ist nichts, gemessen an dem, was wir fordern“, setzt die 23 Jahre alte Studentin dem entgegen. „Wir geben nicht auf.“
Auch die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die zuvor gesprochen hatte, sieht Hamburg in einer besonderen Rolle. „Es muss deutlich mehr passieren“, sagt sie. „Hamburg könnte zum Vorreiter beim Klimaschutz werden, wenn das Kohlekraftwerk Moorburg vom Netz geht und durch erneuerbare Energien ersetzt wird.“
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