Hamburg. Vorstoß der SPD stößt auf Vorbehalte – auch beim Koalitionspartner, der in Pläne für das Kraftwerk nicht eingeweiht war.
An Belegen, mit welch harten Bandagen dieser Wahlkampf geführt wird, fehlte es ohnehin nicht. Am Donnerstag wurde aber noch ein schillerndes Beispiel hinzugefügt. Um Viertel nach acht am Morgen verschickte die SPD eine Einladung zu einer Pressekonferenz um 11.30 Uhr: Nur drei Stunden Vorlauf sind äußerst ungewöhnlich, zumal bei dieser hochkarätigen Besetzung: „Peter Tschentscher, SPD-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2020, und Bundesumweltministerin Svenja Schulze sowie Michael Westhagemann“ wollten eine „Projektidee“ vorstellen, „mit der Klimaschutz und Energiewende nachhaltig vorangebracht werden sollen“.
Dass die Titel Bürgermeister und Wirtschaftssenator bei Tschentscher und Westhagemann weggelassen wurden, geschah mit Bedacht: Denn ihr Vorschlag, wie das Kohlekraftwerk Moorburg früher als 2030 (so das bisherige Ziel im Klimaplan des Senats) vom Netz genommen und dort eine Wasserstoffproduktion aufgebaut werden kann, war „eine Idee der SPD, von einem Spitzenkandidaten, der im Wahlkampf steht“, wie Tschentscher zwischen den grasgrünen Containern in der „Hammerbrooklyn.Box“ freimütig einräumte. Der grüne Koalitionspartner war darüber nicht einmal informiert worden, von einer Einbeziehung ganz zu schweigen.
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Moorburg: Es kriselt zwischen SPD und Grünen
Entsprechend reserviert fiel die Reaktion aus. „Die Ideenskizze ist so wenig konkret, dass man kaum einschätzen kann, was realistisch ist und was davon reine Wunschvorstellung“, kritisierte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), der sich seinerseits mit scharfer persönlicher Kritik am Bürgermeister kürzlich zum wiederholten Male in SPD-Kreisen unbeliebt gemacht hatte.
Jede Überlegung für einen schnelleren Kohleausstieg fänden die Grünen zwar grundsätzlich gut, sagte Kerstan – schließlich gehört der Kampf gegen das von Vattenfall betriebene Kraftwerk in Moorburg, das ausgerechnet die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk 2008 genehmigen musste, zur DNA der Partei. „Unverständlich bleibt aber, warum die SPD auf halbem Weg stehen bleibt und nicht beide Blöcke abschalten will.“ Denn das von Tschentscher und Westhagemann präsentierte Konzept sieht vor, nur einen Block vom Netz zu nehmen – wann ließen sie offen – und den anderen in ein Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) umzurüsten.
Ob das machbar ist, zweifelte der Umweltsenator jedoch an: „In Gesprächen mit der Umweltbehörde hatte Vattenfall selbst Ideen für eine Umstellung auf Gas als unwirtschaftlich und illusorisch beurteilt. Es kann sein, dass sich die Idee schon nach den ersten Gesprächen in Luft auflöst.“ Westhagemann zufolge hat sich Vattenfall dagegen „gesprächsbereit“ gezeigt.
Vattenfall sieht Umbau skeptisch
Der Konzern selbst reagierte am Nachmittag zurückhaltend. Zwar spreche man „sehr gerne mit den Regierungen von Hamburg und der Bundesrepublik“ darüber, „ob und wie der Standort Moorburg für eine klimafreundliche Energieversorgung umgebaut werden kann“, hieß es in einer Erklärung. Zum Unternehmensziel, „ein fossilfreies Leben innerhalb einer Generation zu ermöglichen“, passe Moorburg als letztes Kohlekraftwerk von Vattenfall ohne Fernwärmeauskopplung langfristig nicht mehr.
Allerdings deuteten die Schweden an, dass sie den Umbau zum GuD-Kraftwerk skeptisch sehen und eher einen Verkauf bevorzugen: „Neben einem Brennstoffwechsel kann auch unter anderem eine Veräußerung als Option nicht ausgeschlossen werden.“
Tschentscher ließ offen, ob das neue Kraftwerk sowie die Wasserstoffproduktion privat betrieben werden sollen oder ob städtische Unternehmen wie Hamburg Energie mit einspringen könnten. „Wir drängen uns nicht“, sagte er, schloss eine unternehmerische Beteiligung der Stadt aber auch nicht aus.
CDU unterstellt SPD "fehlende Ernsthaftigkeit"
„Eine solche substanzlose Idee einen Tag vor der nächsten Demonstration von Fridays for Future und drei Tage vor der Bürgerschaftswahl in die Medien zu tragen, verdeutlicht die fehlende Ernsthaftigkeit“, sagte CDU-Energieexperte Stephan Gamm. Er warf der SPD vor, den Umrüstungsvorschlag für Moorburg von ihr „kopiert“ zu haben und verwies auf einen weiteren Knackpunkt: „Dies würde den Bau des 300-Millionen-sinnlos-Kraftwerks von Senator Kerstan überflüssig machen.“
Nahezu wortgleich äußerte sich FDP-Fraktionschef Michael Kruse. Tatsächlich beinhaltet das federführend in der Umweltbehörde erarbeitete Fernwärmekonzept des Senats den Bau eines neuen GuD-Kraftwerks auf der Dradenau, quasi in Sichtweite zu Moorburg. Dass zwei neue Kraftwerke gebaut werden, dürfte aber ausgeschlossen sein.
Skeptisch reagierte daher auch der Naturschutzverband BUND: „Hamburg braucht nicht jeden Monat eine neue energiepolitische Sau, die durch die Stadt getrieben wird, nur weil Wahlkampf ist“, sagte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Viel wichtiger sei die schnelle Abschaltung des alten Kohlekraftwerkes Wedel. Dennoch gelte grundsätzlich: „Im Kraftwerk Moorburg keine Kohle mehr zu verbrennen ist immer eine gute Idee.“