Hamburg. 6,6 Millionen Euro Bußgelder, doch nur die Hälfte wird eingetrieben. CDU fordert härteres Vorgehen. Worin das Problem liegt.

Die Quote der bei der Hochbahn erwischten Schwarzfahrer ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand gestiegen. 5,2 Prozent der in Bussen und U-Bahnen Kontrollierten hatten keinen gültigen Fahrschein dabei. In den Jahren seit 2011 hatte diese Quote immer unter fünf, meist sogar unter vier Prozent gelegen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Dennis Thering hervor.

Auch bei den ebenfalls zum HVV gehörenden Bussen der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) stieg die Quote mit 5,1 Prozent auf einen neuen Zehn-Jahres-Höchststand. Im gesamten Hamburger Verkehrsverbund HVV, zu dem auch S-Bahn und AKN gehören, waren genau fünf Prozent der Kontrollierten ohne gültiges Ticket unterwegs – wie auch schon im Jahr 2018.

Insgesamt wurden von Hochbahn, Hadag, VHH, AKN und S-Bahn im vergangenen Jahr fast 6,6 Millionen Euro an Bußgeld für Schwarzfahrer verhängt. Tatsächlich eingetrieben wurden davon allerdings lediglich 3,6 Millionen Euro. Dass also gerade einmal rund 55 Prozent der Bußgelder auch tatsächlich gezahlt wurden, hat laut HVV auch damit zu tun, dass viele der erwischten Schwarzfahrer nur geringes oder gar kein Einkommen haben.

Schwarzfahrer in Hamburg: so viele wie noch nie erwischt

Die Stadt Hamburg, aber auch die Kreise – unter anderem der Stormarn – kämpfen mit Schwarzfahrern. In den ersten drei Quartalen 2019 gab es 6686 Ermittlungsverfahren wegen des Straftatbestandes des Erschleichens von (Beförderungs-)Leistungen. Im Jahr 2018 hatte es 526 Verurteilungen wegen Schwarzfahrens gegeben, unter anderen wurden 504 Schwarzfahrer zu Geldstrafen und vier zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt.

Die Zahl der Fälle, in denen zu Geldstrafen verurteilte Schwarzfahrer eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Führt die Senatsantwort für das Jahr 2011 noch 257 Ersatzfreiheitsstrafen auf, so waren es 2015 noch 126 und im vergangenen Jahr nur noch zwei. Darüber, ob Schwarzfahren auch weiterhin ein Straftatbestand sein soll, hatte es zuletzt immer wieder politische Diskussionen gegeben. Die Grünen haben gefordert, diese Regelung zu ändern.

Nur die Hälfte der Bußgelder eingetrieben – "lasche Ahnungspraxis"

„Die Schwarzfahrerquote bei der Hamburger Hochbahn hat einen neuen Rekord erreicht. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Forderung der Grünen, Schwarzfahren als Kavaliersdelikt abzutun, in die völlig falsche Richtung geht“, sagt dagegen CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering dem Abendblatt.

„Erschreckend ist, dass im Jahr 2019 nur etwas mehr als die Hälfte aller verhängten Bußgelder am Ende auch eingetrieben wurden und die Verurteilungen von Schwarzfahrern unter der SPD seit 2011 extrem rückläufig sind. Diese lasche Ahndungspraxis lädt geradezu zum Schwarzfahren ein und benachteiligt letztendlich alle ehrlichen Nutzer von Bussen und Bahnen.“

Wissenswertes zum HVV:

  • Der Hamburger Verkehrsverbund wurde 1965 gegründet und nahm ein Jahr später seine Tätigkeit auf
  • Im 8616 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet des HVV leben 3,5 Millionen Menschen
  • Neben dem Hamburger Stadtgebiet gehören die Schleswig-Holsteiner Kreise Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie die niedersächsischen Landkreise Stade, Harburg und Lüneburg zum HVV
  • 4454 Fahrzeuge gehören zum HVV: 2093 Bahnen, 2335 Busse und 26 Fähren
  • Im HVV sind 23 Verkehrsunternehmen organisiert
  • Neben den vier U-Bahn- und sechs S-Bahn-Linien gehören die drei AKN-Linien und mehr als 700 Buslinien zum HVV
  • Außerdem gehören die Fährlinien der Hadag zum HVV
  • Insgesamt sind 10.184 Haltestellen im HVV verzeichnet – der weitaus größte Teil sind Bushaltestellen (9869)
  • Das Tarifgebiet des HVV ist in fünf Tarifringe unterteilt, die wiederum aus 130 Tarifzonen bestehen

CDU fordert härteres Vorgehen gegen Schwarzfahrer

Das Schwarzfahren verursache „jährlich Einnahmeverluste von mehreren Millionen Euro und muss dementsprechend auch konsequent kontrolliert und sanktioniert werden“, so der CDU-Politiker.

„Es ist nicht länger zu akzeptieren, dass SPD und Grüne einerseits die Fahrpreise jährlich immer weiter erhöhen und die zahlenden Fahrgäste immer mehr zur Kasse gebeten werden und andererseits immer mehr Schwarzfahrer ungeschoren davonkommen. Hier muss der Senat endlich handeln und das HVV-Tarifsystem insgesamt einfacher und attraktiver gestalten.“

Erwischt? HVV droht mit 60 Euro und einer Anzeige

HVV-Sprecher Rainer Vohl hat derweil darauf hingewiesen, dass die Höhe der ermittelten Schwarzfahrerquote auch davon abhänge, wie die Unternehmen ihre Kontrollen organisierten. „Die Höhe der Quote ist generell von mehreren Faktoren abhängig: Art der Kontrolle, Ort und Zeitpunkt der Kontrolle, Kleidung der Prüfer“, so Vohl. „Uniformierte Prüfer morgens um 7 Uhr in der Bahn werden nur sehr wenige Schwarzfahrer vorfinden. Die HVV-Quoten für 2018 und 2019 basieren ausschließlich auf flexiblen Abgangskontrollen, damit gehen alle Schwarzfahrer in die Statistik ein.“

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Wer erwischt werde, der werde „nicht nur zu 60 Euro Strafe verdonnert, sondern muss auch mit einer Anzeige rechnen“, so Vohl. „Wenn nicht alle Bußgelder eingetrieben werden können, ändert das nichts an der Sinnhaftigkeit unserer Prüfkonzepte.“

2019: Häufigste Abgangskontrollen an der Haltestelle Reeperbahn

Die meisten Abgangskontrollen, also am Ausgang der jeweiligen Station, hat es laut Senatsangaben im vergangenen Jahr mit 58 an der Haltestelle Reeperbahn gegeben. Es folgen die Haltestellen Veddel mit 27 Kontrollen, Holstenstraße (22), Hauptbahnhof (U-Bahn 20), Jungfernstieg (U- und S-Bahn zusammen 15) und Wandsbeker Chaussee (13).