Hamburg. Laut Studie der TU Hamburg sehen die meisten Anwohner den Verkehrsversuch positiv. Aber es gibt den Wunsch nach Veränderungen.

Der Termin steht: Am 15. Februar wird ab 10.30 Uhr im Kulturzentrum Fabrik an der Barnerstraße über die Zukunft des Verkehrs in Ottensen diskutiert. Wie brisant diese Veranstaltung wird, zeigt, dass sich noch kein Moderator gefunden hat.

„Den Kandidaten, die wir bisher angesprochen haben, war das Thema zu heiß“, sagte Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg am Mittwoch im Rathaus Altona. Die zuvor vorgestellte Studie der TU Hamburg dürfte für weiteren Diskussionsstoff sorgen. Denn sie liefert Munition für Befürworter wie Kritiker des Verkehrsversuchs „Ottensen macht Platz“.

Für fünf Monate war das Kerngebiet des Stadtteils weitgehend autofrei. Der Versuch endete einen Monat früher als geplant, da das Verwaltungsgericht Hamburg den Eilanträgen zweier Gewerbetreibender gegen das Projekt stattgegeben hatte.

Wie lief die Untersuchung?

Ein Team der TU Hamburg unter der Leitung der Verkehrsforscherin Philine Gaffron befragte Anwohner, Gewerbetreibende, Passanten und untersuchte die Verkehrsströme im und um das Projektgebiet. Gegner von „Ottensen macht Platz“ zweifelten wiederholt an der Unvoreingenommenheit der Verkehrsforscherin.

Hintergrund: In einem Abendblatt-Interview im Januar 2019 hatte sie sich für flächendeckend Tempo 30 in Hamburg ausgesprochen, zudem Autos als das „stadt- und daher menschenunfreundlichste Verkehrsmittel“ bezeichnet. Philine Gaffron weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Sie sei als Wissenschaftlerin unabhängig, die vorgelegte Studie genüge allen wissenschaftlichen Ansprüchen.

Was sagen die Anwohner?

Befragt wurden insgesamt 6400 Haushalte, die sich online oder auf Papier beteiligen konnten. 1779 der Befragten (27,8 Prozent) machten mit, laut Philine Gaffron eine „sehr gute Rücklaufquote“. Bei vergleichbaren Befragungen zu Verkehrsprojekten erreiche man sonst in der Regel 15 bis 20 Prozent. Dies zeige, wie sehr „Ottensen macht Platz“ die Bevölkerung beschäftige, zumal der Fragebogen sehr lang gewesen sei.

66 Prozent sagten, ihre eigene Sicherheit im Straßenverkehr sei durch den Versuch gestiegen. Auf die Frage, wie es nun weitergehen solle, sagte 27 Prozent, es solle genauso bleiben wie im Projektzeitraum, 17 Prozent wünschten sich die frühere Verkehrsregelung zurück. 56 Prozent sprachen sich für eine Fortführung des Versuchs aus, allerdings mit Veränderungen. Auf der Wunschliste stehen die Umgestaltung des Straßenraums, die Ausweitung des Gebiets sowie striktere Zufahrtsregelungen ganz oben.

Was sagen die Gewerbetreibenden?

Hier lag die Rücklaufquote im Projektgebiet bei 39 Prozent – 86 von 223 insgesamt Befragten machten mit. In den umliegenden Straßen beteiligten sich 26 Unternehmen (Rücklaufquote 24 Prozent), im Einkaufszentrum Mercado 5 von 83 (6 Prozent). Wenig überraschend: Eine Mehrheit der Gewerbetreibenden beklagt, dass sich die Erreichbarkeit für die Kunden und für Lieferanten verschlechtert habe.

Doch der Faktor Erreichbarkeit ist eben nicht alles. 44 Prozent bewerten das Projekt mit sehr gut oder gut, 40 Prozent mit schlecht oder sehr schlecht. Bei den gewünschten Veränderungen geht es vor allem um eine Lockerung bei den Einfahrtsberechtigungen. Sowohl die Reinigung als auch der Copyshop klagten über massive Umsatzverluste. Viele Kunden, die auf ihr Auto nicht verzichten möchten, würden nun andere Geschäfte ansteuern.

Was sagen die Passanten?

Hier befragte die TU am 13. und 19. November 107 Passanten in der autofreien Zone, ausdrücklich keine Anwohner. Ebenfalls wenig überraschend: 78 Prozent der Passanten werteten den Verkehrsversuch positiv – ohne Autolärm lässt es sich eben entspannter einkaufen.

Wie sind die Auswirkungen auf den übrigen Verkehr?

Es gab die große Sorge, dass sich der Autoverkehr auf umliegende Straßen konzentriert. Und in der Tat: In der Klausstraße stieg der Kfz-Verkehr um 11 Prozent, in der Eulenstraße um 20 Prozent. Laut Philine Gaffron sei es aber dadurch nicht entscheidend lauter geworden: „Der Kfz-Zuwachs in der Eulenstraße ergibt rechnerisch einen etwa ein Dezibel höheren Schalldruckpegel. Dieser Unterschied ist für das menschliche Ohr gerade noch wahrnehmbar.“ In der Rothestraße gab es keine Veränderung.

Bezirksamtsleiterin Stephanie von Berg (l.) und Verkehrsforscherin Philine Gaffron.
Bezirksamtsleiterin Stephanie von Berg (l.) und Verkehrsforscherin Philine Gaffron. © Roland Magunia | Roland Magunia

Wie geht es nun weiter?

Vom 11. bis zum 21. Februar werden die Ergebnisse der Studie in einer Poster-Ausstellung in den Zeisehallen präsentiert. Am 15. Februar (10.30 bis 13 Uhr, Einlass ab 10 Uhr) stellen die Expertinnen der TU die Untersuchung bei einer Diskussion in der Fabrik vor. In den nächsten Tagen werden sich nun die Bezirkspolitiker mit den Ergebnissen der Studie auseinandersetzen.

„Die tendenzielle Zustimmung aus dem Quartier, die gewonnenen Erkenntnisse und die vielen Anmerkungen lassen wir in unsere Entscheidung, wie es mit dem Pilotquartier zukünftig weitergeht, einfließen“, sagt Tim Schmuckall, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bezirksfraktion. CDU und Grüne hatten das Projekt initiiert, vieles spricht dafür, dass die grün-schwarze Mehrheit im Bezirk Altona das Projekt neu aufsetzen wird, womöglich mit Veränderungen zugunsten der Gewerbetreibenden. Die Bezirksversammlung tagt am 20. Februar.

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„Wir warten auf den Auftrag aus der Politik“, sagte Bezirksamtschefin Stefanie von Berg. Sie sagte allerdings auch: „Es wird keinen einfachen Weg geben.“ Sie hofft, dass das Klima im Viertel wieder besser wird: „Der Ton ist entsetzlich rau.“ Auch am Mittwoch gab es erneut massiven Streit bei Facebook zwischen Befürwortern und Kritikern.